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Wochenendworkshop

Gute Beratung braucht Fortbildung

09.11.2010  14:55 Uhr

Von Elke Wolf, Mainz / Nur wer sich regelmäßig fortbildet, kann seine Patienten kompetent beraten und begleiten. Dazu bot der Wochenendworkshop »Patient & Pharmazeutische Betreuung« nun zum zweiten Mal in diesem Jahr viele Tipps für den Apothekenalltag, und zwar am vergangenen Wochenende in Mainz. Fast 270 Apotheker nutzten die Chance.

In seinen Begrüßungsworten ließ es sich Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz, nicht nehmen, auf das geplante Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) einzugehen. »Dass es nicht möglich war, von den in der Arzneimitteldistribution geforderten 400 Millionen Euro herunterzukommen, zeigt, dass wir mit unserer Leistung nicht ausreichend wahrgenommen werden.« In Gesprächen mit verantwortlichen Politikern ergebe sich zwar ein klares Bekenntnis zur Apotheke. Aber die Leistung, die um die Belieferung eines Rezeptes für den Patienten erfolgt, werde nicht entsprechend gewürdigt.

»Die geringe Wertschätzung unserer Arbeit schlägt sich im AMNOG nieder. Das kann nur aufgefangen werden, indem wir jetzt unter Führung der Apothekerkammern in eine inhaltliche Diskussion treten.« So müsse erstens die Honorierung des Apothekers noch mehr vom Arzneimittel entkoppelt werden. Und zweitens müsse der Apotheker im therapeutischen Team der Heilberufler einen höheren Stellenwert erlangen und mehr Verantwortung am Therapieerfolg bekommen, sagte Kiefer.

 

Neurodermitis-Haut nicht zukleben

 

In ihrem Seminar über die Pflege und Therapie der Haut von Neurodermitis-Patienten legte Dr. Kathrin Büke, Berlin, besonderen Wert auf die Grundlagen- und Erhaltungstherapie. »Mit einer optimalen Grundlagentherapie ist es möglich, Therapieerfolge zu stabilisieren und eine Verschlechterung des Hautbildes hinauszuzögern.«

 

Patienten, die über trockene, schuppige Haut klagen, sollten zur Reinigung anstelle der herkömmlichen Seifen besser zu verträglicheren Syndets greifen. Vor allem solche, die auf einen leicht sauren pH-Wert (wie Lactacyd derma®) eingestellt sind, trocknen die Haut weniger aus und erhalten die natürliche Keimflora. Auch Sagella® (blaue Variante) sei für die Patienten ein guter Tipp, so Büke. Auch wenn es als Intimpflege ausgelobt sei, eigne es sich gut für die Reinigung etwa der Hände. Die enthaltene Milchsäure wirke überdies antiseptisch und fördere dadurch die hauteigene Infektabwehr. Formulierungen zur Körperpflege werden als Waschstück oder als flüssige Waschemulsionen, -gele, -lotionen sowie Dusch- und Schaumbäder angeboten. Wichtig: Zugesetzte Lipidkomponenten tragen bereits beim Waschen zur Rückfettung der Haut bei. Durch einen besonders hohen Lipidanteil zeichnen sich Duschcremes und -öle aus.

Nach der Reinigung profitiert der Körper von einer Extraportion Pflege. Regelmäßiges Eincremen, am besten zweimal täglich, sollte in Fleisch und Blut übergehen. Büke: »Dazu eignen sich hydrophile oder amphiphile Grundlagen wie Basis DAC oder Unguentum emulsificans aquosum N RF. Die nichtionische Variante wird allgemein besser vertragen.« Und auch zur Basiscreme DAC hatte die Apothekerin noch einen Tipp: »Wenn sie anfangs als zu fettig empfunden wird, können Sie sie mit 20 Prozent Wasser verdünnen.« Lipophile Grundlagen hält Büke für Neurodermitis-Patienten für weniger geeignet. »Das fördert das Kardinalsymptom der Neurodermitis, den Juckreiz. Die Haut darf nicht zugeklebt werden!«

 

Zudem erfordert die atopische Basispflege immer Zusätze von wasserbindenden Substanzen, allen voran Glycerol und Harnstoff. Während Urea 2 Prozent die Granulation fördert, wirkt es in 5-prozentiger Konzentration hydratisierend. Ist Urea zu 10 Prozent in der Formulierung eingearbeitet, wirkt es keratolytisch. Doch Vorsicht: So ideal Harnstoff zur Vorbeugung ist, so reizend wirkt er auf bereits angegriffene Hautareale in akuten Phasen. Büke sprach sich denn auch eher für Glycerol als idealen Feuchthaltefaktor aus, denn »10  Prozent Glycerol sind stärker hydratisierend als 5 Prozent Urea«.

 

Männer zur Vorsorge animieren

 

Im Umgang mit der eigenen Gesundheit zeigt das vermeintlich starke Geschlecht einige Schwächen. Männer pflegen einen oft ungesünderen Lebensstil als Frauen, sie rauchen mehr, trinken mehr Alkohol als diese, haben häufiger Übergewicht, halten von Vorsorgeuntersuchungen wenig und gehen nicht selten an ihre körperlichen und seelischen Grenzen. Zudem legen Frauen bei einer Therapie bessere Compliance an den Tag als Männer. Unterm Strich errechnet sich für die Männer eine um fünf Jahre geringere Lebenserwartung. Besonders bei Lungen- und Darmkrebs, Leberschäden und Herzversagen versterben eher die Männer, informierte Margit Schlenk, Apothekerin aus der Nähe von Nürnberg, in ihrem Seminar über Männergesundheit.

 

Hinzu kommt, dass Frauen weniger stressresistent sind als Männer. Dieser vermeintliche Nachteil hat aber zur Folge, dass Männer stressreiche Phasen weniger stark wahrnehmen und sich deshalb nötige Auszeiten nicht gönnen. Schlenk: »Frauen ziehen dagegen eher die Notbremse.« Tierversuche mit Ratten haben eine höhere Sensitivität des weiblichen Gehirns auf Stresshormone ergeben als männliche Gehirne, stellte Schlenk eine aktuelle Studie vor. So bindet der Corticotropin Releasing Factor im weiblichen Rattengehirn stärker an den Rezeptor als im männlichen Gehirn. Die männlichen Ratten reagierten rascher mit Toleranz und Gewöhnung, indem die Hormonrezeptoren internalisierten.

 

Doch die Männer vernachlässigen ihre Gesundheit auch in anderer Art und Weise. So würden 80 Prozent der Rezepte von Frauen eingelöst. Und auch sonst sei abgesehen von den Senioren die überwiegende Kundschaft in der Apotheke weiblich. Schlenk: »Die Frauen sind die Gesundheitsmanager in der Familie. Das heißt, dass Informationen nur gefiltert beim Ehemann ankommen.« So würde etwa eine einwöchige Darmkrebsprophylaxe-Aktion in der Apotheke Männer nicht erreichen und damit verpuffen. Deshalb: »Männer brauchen adressatengerechte Einladungsmodelle. Machen Sie Beratungsangebote, und zwar dort, wo deren Lebenswelten sind. Gehen Sie deshalb in Betriebe, ins Fußballstadion oder Fitnessstudio. Bieten Sie dort Blutzuckertests an, machen Sie einen Cholesterol-Check oder beraten Sie über gesunde Ernährung. Ansonsten erreichen Sie die Hälfte der Bevölkerung nicht«, sensibilisierte Schlenk.

 

Abgabehinweise für Antidementiva

 

Bei leichter bis moderater Alzheimer-Demenz sind die Cholinesterase-Hemmer Donepezil, Rivastigmin und Galantamin sowie der NMDA-Rezeptor-Antagonist Memantin die Mittel der Wahl. Nach den Leitlinien verschiedener Fachgesellschaften sind diese Arzneimittel nachgewiesenermaßen wirksam und sind mit dem Evidenzgrad 1 bedacht. »Mit diesen Arzneimitteln bleiben Alltagskompetenz und Kognition länger erhalten, Verhaltensstörungen werden gemindert, und im Vergleich zu Placebo führen sie zu einem klinisch besseren Gesamteindruck«, informierte Apothekerin Isabel Waltering in ihrem Workshop zur Betreuung von Alzheimer-Patienten. Besonders Verhaltensauffälligkeiten werden von Patienten und ihren Angehörigen oft belastender empfunden als die kognitiven Defizite. So sind Probleme, die sich durch Halluzinationen, Aggression, Depressionen, Misstrauen, Schlafstörungen, Apathie oder Enthemmung ergeben, für rund 80 Prozent des Betreuungsaufwandes verantwortlich.

 

Waltering gab eine Fülle von Abgabehinweise für Antidementiva. So müssen sämtliche Acetylcholinesterasehemmer langsam auftitriert werden. »Bei einer Einnahmepause von mehr als drei Tagen ist wieder mit der niedrigsten Dosis zu beginnen«, riet die Expertin. Mögliche gastrointestinale Nebenwirkungen von Galantamin (Reminyl®), Rivastigmin (Exelon®) und Donepezil (Aricept®) kupiere man am besten, indem man die Präparate zusammen mit einer Mahlzeit einnehme. Für Donepezil bietet sich das Abendessen an, da der Wirkstoff müde macht.

 

Rivastigmin rufe besonders häufig Magen-Darm-Beschwerden hervor. Und selbst der Wechsel von Kapseln oder Lösung auf ein Pflaster bringe keine Entspannung. Unter einer Pflaster-Therapie komme es zwar weniger zu Erbrechen, dafür sei die Durchfallrate höher. Wichtig für das Beratungsgespräch ist der Hinweis, dass »die Magen-Darm-Beschwerden oft nur vorübergehender Natur sind und nach fünf bis sieben Tagen abklingen«. Häufig sind Frauen betroffen. Besonders für die Aufdosierungsphase empfiehlt Waltering zusätzlich Antiemetika. Da Cholinesterasehemmer die Magensäuresekretion steigern, ist die Nebenwirkungsrate besonders bei Ulkus-Patienten oder solchen, die zusätzlich nicht steroidale Antirheumatika erhalten, im Auge zu behalten. Eventuell könne ein Protonenpumpenblocker helfen.

 

Als weiteren Klasseneffekt der Cholinesterasehemmer hob Waltering mögliche Bradykardien hervor. Werden Patienten gleichzeitig mit Betablockern, Calciumantagonisten oder Herzglykosiden behandelt, bestünde immer die Gefahr, dass sich der Herzschlag auf unter 50 Schläge verringert. »Die Patienten müssen deshalb engmaschig überwacht werden oder auf Memantin umgestellt werden.«

 

Der dritte und letzte Wochenendworkshop in diesem Jahr findet vom 13. bis 14. November in Halle an der Saale statt. / 

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