Phytopharmaka könnten Pankreatitis auslösen |
21.10.2015 10:05 Uhr |
Von Eugen J. Verspohl / Zahlreiche synthetische Arzneimittel sind mit einer medikamentös induzierten akuten Pankreatitis assoziiert. Doch auch pflanzliche Arzneimittel mit Baldrian oder Teufelskralle können eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse auslösen. Hinweise darauf liefert die Berliner Fall-Kontroll-Surveillance-Studie FAKOS.
Die Inzidenz einer akuten Pankreatitis (AP) beträgt 13 bis 45 pro 100 000 Einwohner. Sie liegt in Deutschland bei ungefähr 20 pro 100 000 Einwohner. Die häufigsten Ursachen sind Gallensteinleiden und Alkoholkonsum. Als Risikofaktoren gelten Nicotinabusus, Diabetes mellitus, pankreatische Fehlbildungen, eine genetische Prädisposition sowie eine Hypertriglyzeridämie und Hypercalcämie. Arzneimittel als Auslöser stehen an dritter Stelle.
Starke Schmerzen im Oberbauch können auf eine entzündete Bauchspeicheldrüse hinweisen. Als Auslöser kommen auch Phytopharmaka infrage.
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In einer älteren, ausführlichen Übersichtsarbeit wurden mehr als 500 Medikamente in Verbindung mit Fällen von Pankreatitis gebracht. Die Daten basieren aber hauptsächlich auf Einzelfallberichten und weniger auf epidemiologischen Studien. Pankreatotoxische Reaktionen von Phytotherapeutika wurden in den letzten Jahren nur in Fallberichten und fast ausschließlich in Zusammenhang mit der Anwendung von Sägepalmenfrüchten bei benigner Prostatahyperplasie beschrieben. Im Rahmen der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geförderten Studie FAKOS wurde das pankreatotoxische Risiko verschiedener Medikamente erstmalig quantifiziert.
Die Forscher um Dr. Antonius Douros von der Berliner Charité und Professor Dr. Edeltraut Garbe vom Leibniz- Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen werteten die Daten von 102 Patienten mit akuter Pankreatitis unbekannter Ursache sowie von 750 Kontrollpatienten aus allen 51 Berliner Krankenhäusern aus. Ausgeschlossen waren unter anderem Patienten mit biliärer, alkoholischer, traumatischer oder ischämischer Genese sowie solche mit bestimmten anderen Erkrankungen.
Mithilfe einer standardisierten Kausalitätsbewertung ermittelten die Wissenschaftler, welche Medikamente die Ursache für eine Pankreatitis sein können. Für mehrere Arzneistoffe bestätigten sie die bereits bekannte Nebenwirkung, zum Beispiel für die Immunsuppressiva Azathioprin, Mesalazin und Mercaptopurin sowie für einige ACE-Hemmer wie Lisinopril und Ramipril (kombiniert mit Hydrochlorothiazid). Möglicherweise können auch der Lipidsenker Fenofibrat und das Immunsuppressivum Leflunomid eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse verursachen, wozu es bislang seltene Einzelfallmeldungen gab. Auch ein inhalatives Kombinationspräparat mit Formoterol und Budesonid geriet unter Verdacht.
Zudem gab die Studie Hinweise darauf, dass auch Phytopharmaka, die bislang selten oder nie mit einer Pankreatitis in Zusammenhang gebracht wurden, ein Risikopotenzial haben. So fanden die Forscher für pflanzliche Arzneimittel mit Teufelskralle und Baldrian eine signifikante Assoziation. Die Sicherheit von Phytotherapeutika wurde bis dato vor allem im Hinblick auf ihre Hepatotoxizität bewertet. In einer 2012 erschienenen Übersichtsarbeit wurde in diesem Zusammenhang angesichts einer möglichen Untererfassung der Toxizität von einer »hidden epidemic« gesprochen.
Fazit: Bei Verdacht auf eine akute Pankreatitis muss eine sorgfältige Anamnese aller Medikamente inklusive Phytopharmaka erhoben werden. Weitere Studien sind allerdings notwendig, um die Phytotherapeutika-assoziierte Pankreatotoxizität abzusichern. /
Quelle: Douros A, Garbe E. Medikamentös induzierte Pankreatitis – die Berliner Fall-Kontroll-Surveillance-Studie (FAKOS). Bulletin zur Arzneimittelsicherheit des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), 2014;3:3-6.