Praxis-Konzept aus Westfalen-Lippe |
22.10.2013 11:17 Uhr |
Von Georg Hempel, Oliver Schwalbe und Isabel Waltering / Ausgestattet mit einem großen theoretischen Wissen kommen Pharmazeuten im dritten Prüfungsabschnitt von der Uni in die Apotheke. Doch wie gelingt der Übergang von der Theorie zur Praxis? Das Apo-AMTS-Konzept der Apothekerkammer Westfalen-Lippe bietet hier Unterstützung an. Davon profitieren am Ende nicht nur die Pharmazeuten im Praktikum, sondern auch die Ausbildungsapotheken und nicht zuletzt die Patienten.
Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) und Medikationsmanagement sind zwei Schlagworte, die zurzeit in aller Munde sind. Eine Antwort der Apothekerkammer Westfalen-Lippe auf diese Herausforderungen ist das im Oktober 2012 gestartete Apo-AMTS-Konzept. Ausgehend von einer Initiative der beiden nordrhein-westfälischen Kammern und der Universitäten Bonn, Düsseldorf und Münster wurde im Jahr 2011 nach einer pragmatischen Möglichkeit gesucht, die Ausbildung der Pharmazeuten im Hinblick auf eine stärkere Patientenorientierung hin zu optimieren. Aufgrund der hohen Dichte an Lehrveranstaltungen während des Studiums bot sich das Praktische Jahr als idealer Ansatzpunkt an.
Ziel ist es, die Ausbildung der Pharmazeuten im Praktikum (PhiP) zu verbessern und das Wissen der Studenten aus dem Bereich der Klinischen Pharmazie in die öffentliche Apotheke zu übertragen und in das Medikationsmanagement zu integrieren. Weiterhin sollen die Kompetenz und auch Akzeptanz der Apotheker nachhaltig gesteigert und die öffentlichen Apotheken in Nordrhein-Westfalen gestärkt werden.
Das Apo-AMTS-Modell der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der Apothekerkammer Westfalen-Lippe wurde gerade mit dem zweiten Preis des NRW-Gesundheitspreises 2013 ausgezeichnet. Dieser ist mit 3000 Euro dotiert.
Was genau verbirgt sich hinter der Abkürzung Apo-AMTS? Schon seit einiger Zeit wird es, auch von der Bundesregierung, als elementar angesehen, sich um die Arzneimitteltherapiesicherheit zu kümmern. Ein Baustein dazu ist die neue pharmazeutische Tätigkeit Medikationsmanagement, wie sie auch in der Apothekenbetriebsordnung verankert ist. Es gibt bis dato aber keine genauen Vorschriften oder Angaben, wie so ein Medikationsmanagement durchzuführen ist und welche organisatorischen und strukturellen Voraussetzungen dazu in der Apotheke vorhanden sein sollen. Zudem fehlt vielen älteren Apothekern eine Ausbildung im Bereich der Klinischen Pharmazie. Im Gegensatz dazu verlassen heute Pharmaziestudierende die Universitäten mit einem Basiswissen in Klinischer Pharmazie, finden aber kaum Apotheken, in denen ihnen die Fertigkeiten vermittelt werden, dieses Wissen in der Praxis anzuwenden. Hier setzt das Apo-AMTS-Konzept an.
Anforderungen an Ausbildungsapotheken
Die zwei Säulen des Konzepts sind die Vermittlung von Kompetenzen und von Systematik. Konkret beginnt dies mit der Akkreditierung der teilnehmenden Apotheken. Um akkreditiert zu werden, müssen die teilnehmenden Apotheker ein gültiges Fortbildungszertifikat vorweisen, die Apotheke muss Blutuntersuchungen durchführen und an den ZL-Ringversuchen teilnehmen, über einen Internetanschluss sowie Zugang zu wissenschaftlicher Literatur verfügen und Kunden die Möglichkeit der patientenindividuellen Speicherung der abgegebenen Arzneimittel anbieten (»Kundenkarte«). Arbeitet ein PhiP in der Apotheke, so wird dieser nach Tarif bezahlt und es finden regelmäßig im Ein- bis Zweiwochenrhythmus Fachgespräche mit dem Ausbilder statt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, nimmt der ausbildende Apotheker und gegebenenfalls sein PhiP an einem vierstündigen AMTS- Basisseminar teil.
Einen Pharmazeuten im Praktikum auszubilden, ist eine große Verantwortung. In akkreditierten Ausbildungs- Apotheken ist ein hoher Standard sichergestellt.
Foto: PZ/Müller
Inhalte dieses Seminars sind Patientensicherheit, Fehleranalyse nach Reason, Fehlermanagement, der Medikationsprozess und seine Risiken, Risikoarzneimittel, -patienten und -situationen, Teambildung, der Ausbildungsplan für PhiP, Kommunikationsstrategien und die unterschiedlichen Stufen des Medikationsmanagements. Nach Besuch des Basisseminars kann die Apotheke als Ausbildungsapotheke unter www.ausbildungsapotheke.de auf der Internetseite der Apothekerkammer Westfalen-Lippe gelistet werden. Das ermöglicht es Pharmaziestudierenden, besonders qualifizierte Apotheken für ihr Praktisches Jahr zu finden.
Der zweite Schritt besteht aus mehreren Teilen. Der erste beinhaltet den Besuch von drei jeweils achtstündigen Aufbauseminaren. Die Teilnehmer lernen darin die Durchführung eines erweiterten Medikationsmanagements bei verschiedenen Diagnosen. Dazu werden die notwendigen Leitlinien, die wichtigsten Laborparameter und die Medikamente zur Behandlung aufgezeigt. Absolventen der Seminare sollen die wichtigsten Medikationsfehler, Interaktionen, unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) und »No-Goes« zum Beispiel bei der Therapie von Diabetes, Morbus Parkinson, Asthma/COPD und Hypertonie erkennen und Lösungsstrategien entwickeln können. Gleichzeitig soll an Fallbeispielen der Umgang mit den Materialien zur Gesprächsvorbereitung, -führung und -dokumentation geübt werden.
Übungen an praktischen Fällen
Zusätzlich führen die Teilnehmer an jeweils fünf Patienten ein Medikationsmanagement durch und statten die Patienten mit einem einheitlichen Medikationsplan nach Vorgabe des Aktionsplans AMTS der Bundesregierung aus. Den Abschluss bildet ein AMTS-Symposium, auf dem Ergebnisse aus den Patientenfällen und neue Erkenntnisse im Bereich AMTS vorgestellt werden. Erfolgreiche Teilnehmer sind von der Apothekerkammer Westfalen-Lippe akkreditierte »AMTS-Manager« und sie arbeiten in »AMTS-qualifizierten Apotheken«.
Das Apo-AMTS-Konzept soll Apotheker in die Lage versetzen, das Medikationsmanagement als eine strukturierte Dienstleistung anzubieten. Kommenden Generationen von Pharmazeuten soll es die Möglichkeit bieten, ihre klinischen Fähigkeiten anzuwenden. Zurzeit gibt es 196 Ausbildungsapotheken, davon sechs außerhalb des Kammerbezirks Westfalen-Lippe, 88 AMTS-qualifizierte Apotheken und 147 AMTS-Manager. Für den kommenden Kurs haben sich bereits fast 70 Apotheker und PhiP angemeldet. In einigen Apotheken hat sich das Medikationsmanagement zu einem festen Angebot entwickelt, das vom gesamten Team gelebt und von Patienten sehr geschätzt wird. /
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Für die Autoren:
Isabel Waltering
AMTS-Koordinatorin an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster