Umstrittene Option bei Jugendlichen |
15.10.2013 17:19 Uhr |
Von Annette Mende / Wenn krankhaft fettleibige Erwachsene ihr Körpergewicht trotz Änderung des Lebensstils nicht reduzieren können, besteht als letzte therapeutische Option die Möglichkeit der operativen Magenverkleinerung. Sie sollte auch bei adipösen Heranwachsenden kein Tabu sein. Das betonten Experten anlässlich des Welt-Kongresses der Kinderchirurgen in Berlin.
In den USA, wo etwa 4 bis 6 Prozent der Jugendlichen unter krankhafter Adipositas mit extrem hohen Body-Mass-Indices leiden, hat man mit solchen Operationen bereits einige Erfahrungen gesammelt. Insgesamt gab es bislang etwa 10 000 bis 12 000 Fälle. »Die Adipositas-Chirurgie führt bei extrem adipösen Jugendlichen zu einem starken Gewichtsverlust. Begleiterkrankungen wie Schlafapnoe-Syndrom, Prädiabetes oder Diabetes und Bluthochdruck können so geheilt werden«, berichtete Professor Dr. Thomas H. Inge vom Cincinnati Children’s Hospital Medical Center. Die Operation sei dabei immer nur eine Komponente in einem therapeutischen Gesamtkonzept, das Ernährungsberatung, psychologische Betreuung und Bewegungstherapie umfasse.
Inge selbst hat in seinem Zentrum 230 solche Patienten betreut, der jüngste war 13 Jahre alt. »Es gibt einen Punkt, ab dem wir selbst mit einer operativen Magenverkleinerung den Patienten nicht mehr auf Normalgewicht bringen können. Wenn ein Jugendlicher beispielsweise drei Mal so viel wiegt, wie eigentlich für sein Alter und seine Körpergröße normal wäre, erreichen wir höchstens eine Reduktion auf das Doppelte des Normalgewichts«, so Inge. Er plädiert daher dafür, mit der OP nicht zu lange zu warten. Die besten Operationsmethoden für Heranwachsende sind aus seiner Sicht der Magen-Bypass (Roux-en-Y-gastric-bypass, RYGB) und die Verengung des Magens zu einem sogenannten Schlauchmagen. Magenbänder eignen sich weniger gut, da sie komplikationsanfälliger sind.
Sport und Diät sind die besten Mittel gegen Übergewicht. In seltenen Einzelfällen kann auch eine Operation nötig werden.
Foto: dpa
»Insgesamt liegt die Rate großer Komplikationen bei etwa 7 Prozent«, berichtete Inge. Das entspreche der Quote, die man auch bei anderen großen Bauchoperationen an Erwachsenen sehe. Generell sind adipöse Menschen nach Bauchoperationen anfälliger für Wundinfektionen als Normalgewichtige. Hinzu kommt, dass die Patienten nach einer OP zwar rasch sehr viel abnehmen, das Gewicht aber später teilweise wieder raufgeht. »Im ersten Jahr verlieren die Patienten durchschnittlich 35 Prozent ihres Körpergewichts. Dieses steigt in den Folgejahren langsam wieder um durchschnittlich 10 bis 15 Prozent an, sodass nach fünf Jahren ein Netto-Gewichtsverlust von etwa 20 bis 25 Prozent zu verzeichnen ist«, erläuterte der Experte. Um Mangelerscheinungen zu vermeiden, müssen viele der operierten Jugendlichen Elektrolyte wie Eisen und Calcium supplementieren.
Genaue Abwägung
All das zeigt, dass das Für und Wider einer bariatrischen Operation in jedem Einzelfall gründlich gegeneinander abgewogen werden muss. »Vor allem für krankhaft adipöse Jugendliche brauchen wir aber diese Option als letzte therapeutische Möglichkeit auch in Deutschland«, sagte Professor Dr. Jörg Fuchs, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie. »Wir werden in der Praxis zunehmend mit diesen Patienten konfrontiert, können aber oft nichts machen, weil die Krankenkassen die Kosten für die Operation nicht übernehmen«, so Fuchs. Laut Daten des Robert-Koch-Instituts gibt es hierzulande etwa 800 000 stark adipöse Kinder und Jugendliche. Bislang unterzogen sich nur wenige Hundert einer bariatrischen Operation. /