Dosierung bei kontinuierlicher Nierenersatztherapie |
08.10.2013 15:09 Uhr |
Von Otto R. Frey und Anka C. Röhr / Bei der kontinuierlichen Nierenersatztherapie ist der Patient dauerhaft an ein Blutreinigungsgerät angeschlossen. Zur Versorgung kritisch kranker Patienten eignet sich das Verfahren besser als die intermittierende Hämodialyse, da es den Patienten weniger stark belastet. Bei der Arzneistoffdosierung gibt es auch hier einiges zu beachten.
Kontinuierliche Blutreinigungsverfahren (Continuous Renal Replacement Therapy – CRRT) kommen hauptsächlich in der intensivmedizinischen Behandlung von Patienten mit akutem Nierenversagen zum Einsatz. Blut-, Substituat- und Dialysatflüsse sind bei CRRT im Vergleich zur intermittierenden Hämodialyse niedriger. Das führt zu einer besseren hämodynamischen Stabilität der Patienten.
Bei akutem Nierenversagen muss der Patient schnell intensivmedizinisch versorgt werden. Die kontinuierliche Nierenersatztherapie stellt die Entgiftung sicher, bis sich die Nierenfunktion wieder erholt hat.
Foto: dpa
Man unterscheidet zwischen der kontinuierlichen veno-venösen Hämodialyse (CVVHD), bei der Substanzen aus dem Blut entlang eines Konzentrationsgradienten an einer semipermeablen Membran eliminiert werden, und der kontinuierlichen veno-venösen Hämofiltration (CVVHF). Dabei sorgt das Grundprinzip der Konvektion, ein Abpressen von Flüssigkeit aus dem filtrierten Blut, für die Elimination.
Die Technik der CVVHD entspricht weitestgehend der intermittierenden Hämodialyse (lesen Sie dazu auch PZ 40/2013, Seite 24), allerdings mit wesentlich geringeren Flussraten. Auch hier diffundieren kleine ungebundene Moleküle (beispielsweise Kalium, Harnstoff, Kreatinin, bestimmte Arzneistoffe) frei durch den Filter, während große Blutbestandteile wie Proteine die Porengröße der Membran überschreiten und damit im Blut zurückbleiben. Bei der Hämofiltration zieht ein Druckgradient im Innern der Filtereinheit Flüssigkeit aus dem Blut ab, inklusive der niedermolekularen, frei im Plasma befindlichen Substanzen (siehe Abbildung). Abhängig von der Flüssigkeitsbilanz des Patienten wird die Menge an entzogenem Filtrat ganz oder teilweise vor oder nach dem Filter substituiert (Prä- beziehungsweise Postdilution).
Einsatz nur vorübergehend
Im Gegensatz zur chronischen Niereninsuffizienz, bei der lebenslange Dialysepflicht bis zur Organtransplantation besteht, sind die Nierenschädigungen im akuten Versagen, zum Beispiel infolge eines septischen Schocks, nach erfolgreicher Therapie bei der Mehrzahl der Patienten reversibel. Intensivpatienten im akuten septischen Schock mit Organversagen werden mit einer großen Anzahl verschiedener Arzneimittel behandelt. Einer so früh wie möglich begonnenen und adäquat dosierten Antibiotikatherapie kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu. Die Auswahl der Arzneistoffe orientiert sich im Gegensatz zur chronischen Niereninsuffizienz weniger an den pharmakokinetischen Eigenschaften als vielmehr vorrangig am klinischen Nutzen.
In der prädialytischen Phase muss vorwiegend die Dosierung nierenpflichtiger Arzneistoffe an die restliche vorhandene Nierenfunktion angepasst werden. Bezogen auf die pharmakokinetischen und -dynamischen Parameter der antiinfektiven Therapie bedeutet dies:
Mit Beginn des Nierenersatzverfahrens muss die zusätzliche Elimination der verabreichten Arzneistoffe über das Dialysat/Filtrat in der Dosierungsstrategie berücksichtigt werden. Zur hepatischen und renalen Restclearance addiert sich die CRRT-Clearance als Eliminationsweg. Besonders hydrophile Substanzen mit geringen Verteilungsvolumen und geringer Proteinbindung werden in relevantem Ausmaß aus dem Blut entfernt. Aber auch die Geräteeinstellungen wie der Dialysat- oder Filtratfluss und Prä- oder Postdilution im Falle einer Hämofiltration spielen eine bedeutsame Rolle. Bei kontinuierlich infundierten Arzneistoffen wird lediglich die Infusionsrate um die Menge gesteigert, die zusätzlich aus dem Blut entfernt wird. Bei intermittierend verabreichten Arzneistoffen kann eine Verkürzung des Dosisintervalls nötig sein, solange der Patient mit dem Nierenersatzverfahren behandelt wird. Kommt es zu einer Regeneration der Nierenfunktion, sind die Dosierungsschemata erneut zu evaluieren. Unter Berücksichtigung der dann aktuellen Nierenfunktion erfolgt eine Anpassung in der postdialytischen Phase.
Fallbericht Meropenem und Fluconazol
Patient D.R., 72 Jahre alt, 175 cm groß, 65 kg Körpergewicht, wird mit stark erhöhten Entzündungszeichen und eingeschränkter Ansprechbarkeit mit dem Verdacht auf Urosepsis auf die Intensivstation des Krankenhauses verlegt. Eine empirische Antibiotikatherapie wird mit Meropenem begonnen. Um schnell wirksame Serumspiegel sicherzustellen, wird ein Bolus von 500 mg verabreicht, gefolgt von einer Dauerinfusion mit 2000 mg über 24 Stunden. Die Erhaltungsdosis ist bereits entsprechend der eingeschränkten Nierenfunktion des Patienten reduziert.
Der am Nachmittag in der Krankenhausapotheke bestimmte Serumspiegel von Meropenem liegt mit 27 mg/l trotzdem weit oberhalb der MHK für sensibel getestete Keime (Serumspiegel angestrebt > 8 (16) mg/l). Die Infusionsrate wird daraufhin halbiert. Da die klinische Situation des Patienten sich aber nur langsam stabilisiert und der Kaliumwert weiter ansteigt, während die Nierenfunktion schlechter wird, entschließt man sich an Tag drei zu der Behandlung mit einem kontinuierlichen Hämodialyseverfahren. Der daraufhin gemessene Serumspiegel von Meropenem ist durch die zusätzliche Ausscheidung über das Dialysat schnell auf 9 mg/l abgefallen. Aufgrund weiterhin unbekannter Keimsituation wird die Dosierung wieder auf 2000 mg/ 24 h gesteigert und erreicht unter Dialyse konstante Spiegel zwischen 17 und 18 mg/l.
An Tag drei, kurz nach Dialysebeginn, wird vom mikrobiologischen Labor mitteilt, dass in der Blutkultur des Patienten der Schimmelpilz Candida albicans gefunden wurde. Man entschließt sich deshalb, zusätzlich eine Antimykose mit Fluconazol zu starten. Die Therapie wird anhand der Dosierungsempfehlungen der deutschensprachigen Mykologischen Gesellschaft für Patienten unter kontinuierlicher Dialyse mit 400 mg initial als Bolus und einer weiteren intravenösen Gabe von Fluconazol von 200mg nach zwölf Stunden (halbe normale Dosis) begonnen.
Der an Tag vier gemessene Serumspiegel von Fluconazol liegt mit 5mg/l aber deutlich unterhalb des angestrebten Bereichs von >8 bis16(32)mg/l für sensible Candida-Spezies. Auf Anraten des Apothekers wird die Fluconazol-Dosierung auf 800mg alle zwölf Stunden, das Doppelte der üblichen Standarddosierung, erhöht, worauf die gemessenen Serumspiegel in den angestrebten Bereich ansteigen. Im Laufe der nächsten Tage erholt sich der Patient sichtlich, die Laborparameter verbessern sich, sodass an Tag sieben die kontinuierliche Dialyse beendet werden kann. Der Patient wird an Tag neun auf die Normalstation verlegt. Zu diesem Zeitpunkt ist die Meropenem-Therapie bereits beendet, die antimykotische Behandlung wird jedoch noch eine weitere Woche oral mit einer reduzierten Fluconazol-Dosierung von 200mg alle 24 Stunden unter gleichbleibenden Serumspiegeln fortgeführt.
Stark verlängerte Halbwertszeit
Meropenem und Fluconazol sind Arzneistoffe mit geringer Proteinbindung (weniger als 10Prozent), kleinem Verteilungsvolumen (in etwa dem Gesamtkörperwasser entsprechend) und vorwiegend renaler Ausscheidung. Beide Wirkstoffe müssen bei Niereninsuffizienz aufgrund der verlangsamten Elimination in ihrer Dosis reduziert werden. Während Meropenem beim gesunden Patienten eine Halbwertszeit von 0,5bis 1Stunde hat (Nierenkranke 2bis 4Stunden), wird Fluconazol in der Niere zwar filtriert, zu einem erheblichen Ausmaß aber auch in den Tubuli rückresorbiert. Die Halbwertszeit beträgt beim Nierengesunden deshalb etwa 30Stunden und ist bei Niereninsuffiziuenz noch weiter verlängert auf circa 50bis 100Stunden.
Dies erklärt auch das kontroverse Verhalten unter Dialyse. Während bei Meropenem die kontinuierliche Hämodialyse circa ein Drittel der Gesamtkörper-Clearance ausmacht, eliminiert sie Fluconazol sogar effektiver als eine gesunde Niere, da im Filter keine Substanz rückresorbiert werden kann. In den Fachinformationen finden sich bei beiden Substanzen keinerlei Hinweise zur Dosisanpassung bei Patienten unter kontinuierlichen Nierenersatzverfahren. Wären die empfohlenen Dosisanpassungen hinsichtlich der reduzierten Nierenfunktion umgesetzt worden, wäre der Patient sowohl von der antibiotischen und insbesondere von der anitmykotischen Seite her massiv unterdosiert gewesen.
Fazit: Dosisanpassungen für Arzneimittel unter kontinuierlicher Nierenersatztherapie müssen unter Berücksichtigung der nicht renalen Ausscheidung, der vorhandenen Restnierenfunktion und der Dialyse-/Filtrationsclearance erfolgen. Die Fachinformationen und Beipackzettel der Präparate enthalten in der Regel keine oder spärliche Informationen zur optimalen Dosierung bei kontinuierlichen Nierenersatzverfahren. Häufiger finden sich Hinweise zur Dosierung bei eingeschränkter Nierenfunktion und intermittierender Dialyse.
Eine individuelle, der Situation angepasste Dosierung ist aber unbedingt notwendig, um Therapieversagen oder Überdosierungen zu vermeiden. Dosisreduktionen bei akuter Niereninsuffizienz und Dosissteigerungen bei Beginn der Dialyse, in seltenen Fällen über die Maximaldosis bei Nierengesunden hinaus, können dabei nötig sein. Besonders bei kritisch kranken Patienten mit schweren Infektionen sind Unterdosierungen unbedingt zu vermeiden. Ein routinemäßiges therapeutisches Drug-Monitoring (TDM) der Apotheke kann in dieser Situation zusätzlich einen wichtigen Beitrag zur Therapiesicherheit leisten. /
Literatur bei den Verfassern