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Rheumatoide Arthritis

Entzündung schadet auch dem Herzen

01.10.2013  15:04 Uhr

Von Maria Pues, Mannheim / Rheuma findet nicht nur an den Gelenken statt, die Entzündung schädigt auch das Gefäßsystem im ganzen Körper. Neben einer antientzündlichen Therapie können Patienten selbst dazu beitragen, ihr Risiko für Herz- Kreislauf-Erkrankungen zu reduzieren.

Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) haben ein deutlich erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und damit für eine koronare Herzkrankheit (KHK), für Herzinfarkt oder Schlaganfall. Das Herzinfarktrisiko liegt bei ihnen zum Beispiel um fast 50 Prozent höher als bei Menschen ohne RA. Bewegungsarmut aufgrund der Gelenksteifigkeit und Schmerzen können die Stoffwechsellage verschlechtern und schlimmstenfalls zu einem metabolischen Syndrom führen, das Herz und Kreislauf gefährdet.

Diese naheliegende Erklärung spielt aber erst in zweiter Linie eine Rolle. Eine RA beziehungsweise die ihr zugrunde liegende Entzündung erhöht an sich bereits das Herz-Kreislauf-Risiko, und zwar bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung. Über Ursachen und Konsequenzen sprach Professor Dr. Ulf Müller-Ladner, Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim, auf dem 41. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie in Mannheim bei einem von Mundi­pharma unterstützten Symposium.

 

Flurschäden am Gefäßsystem

 

Durch Anschluss an das Gefäßsystem gelangen Entzündungsmediatoren von den entzündeten Gelenken – unter anderem die Interleukine 1 und 6, Cyclo­oxygenasen sowie Tumornekrosefaktor (TNF) – in den gesamten Körper. Für die »Flurschäden am Gefäßsystem« zeichne vor allem der Mediator Interleukin-1β verantwortlich, erläuterte Müller-Ladner. Er schädige die Gefäße, indem er den Cholesterolgehalt in den Makrophagen erhöhe. Diese könnten sich in Schaumzellen umwandeln und sich in Form von Plaques in den Gefäßen ablagern. »Herzinfarkt und Schlaganfall gehen bei Rheumatikern jedoch nicht vom Herz-Kreislauf-System, sondern von der Entzündung aus«, betonte er.

 

Bei der Carotis-Sonografie lässt sich ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko üblicherweise durch eine erhöhte Intimadicke und Plaqueablagerungen in der Halsschlagader erkennen. Es gibt aber Ausnahmen: Patienten, die mindestens zehn Jahre an einer RA leiden, bei denen Rheumafaktoren (RF) oder CCP-Antikörper nachgewiesen wurden oder bei denen Symptome außerhalb der Gelenke aufgetreten sind, haben ebenfalls ein höheres Herz-Kreislauf-Risiko. Das gilt auch dann, wenn die Carotis-Untersuchung dies nicht nahelegt. Bei Rheumafaktoren handelt es sich um Autoantikörper, die mit der Fc-Region von Immunglobulinen reagieren; CCP-Antikörper binden an cyklisch citrullinierte Peptide (CCP). Beide sind Zeichen eines überschießenden Immunsystems.

 

Unabhängiger Risikofaktor

 

»Ein positiver Rheumafaktor-Nachweis ist ein unabhängiger Risikofaktor, auch ohne dass eine rheumatoide Arthritis vorliegt«, sagte Müller-Ladner. Bei Männern verdreifache er das Risiko für eine koronare Herzerkrankung (KHK). Die Risikoerhöhung sei damit ähnlich groß wie die durch Diabetes mellitus oder Hypertonie. Die Höhe des Rheuma­faktorspiegels spiele dabei keine Rolle. Wie Rheumafaktoren die Gefäße schädigen, ist noch nicht bekannt.

Krankhafte Veränderungen an den Arterien von Rheumapatienten finden sich nicht erst in einem späten Stadium der Erkrankung, sondern bereits bei Diagnosestellung. »Sie müssen die Patienten beweglich halten, bevor diese aus Unbeweglichkeit weitere Risikofaktoren entwickeln«, mahnte Müller- Ladner. Kommen weitere Faktoren wie Rauchen, Hypertonie oder Diabetes mellitus hinzu, so erhöhen diese das Herz-Kreislauf-Risiko bei Rheumatikern stärker als bei Nichtrheumatikern. Hinzu kommt, dass das Vorliegen mehrerer Faktoren das Risiko additiv – zum Teil überadditiv – erhöht. Patienten mit mindestens drei Rheumamarkern haben ein höheres kardiovaskuläres Risiko als Nichtrheumatiker mit zwei Risikofaktoren wie Diabetes mellitus und Bluthochdruck, erklärte Müller-Ladner.

 

Hypothyreose erhöht das Risiko

 

Weitere Autoimmunerkrankungen können das ohnehin erhöhte Risiko zusätzlich steigern. Das gilt zum Beispiel für eine Hypothyreose, vor allem eine Hashimoto-Thyreoiditis. Sie findet sich bei RA-Patienten dreimal häufiger als in einer Kontrollgruppe ohne Rheuma. In einer Untersuchung litten 37,5 Prozent der Patienten mit manifester Hypothyreose an einer KHK. Wenn eine Autoimmunerkrankung festgestellt werde, sollte stets auf weitere – häufig auftretende Autoimmunerkrankungen – geprüft werden, zum Beispiel durch Kontrolle der Schilddrüsenwerte bei Rheumatikern, sagte Müller-Ladner.

 

Eine konsequente Therapie der Grundkrankheit bessert nicht nur die rheumatoide Arthritis, sondern senkt auch das kardiovaskuläre Risiko, zitierte Müller-Ladner die QUEST-Studie, in der die Risikominderung für die einzelnen Wirkstoffgruppen untersucht wurde. Diese lässt sich in unterschiedlichem Ausmaß für jede Wirkstoffgruppe zeigen. Bei TNF-Hemmern habe man als Zeichen der Risikominderung außerdem eine Abnahme der Intimadicke und der Pulswellengeschwindigkeit zeigen können. Eine Risikoerhöhung durch Glucocorticoide, wie sie von vielen Patienten »nach einer Google-Suche« befürchtet werde, finde sich erst bei Dosierungen von mehr als 5 mg Prednisolon pro Tag, führte er weiter aus.

 

Keine Studien gebe es zu der Frage, ob Statine das kardiovaskuläre Risiko bei Patienten mit RA senken können. Jedoch gebe es Hinweise aus »umgekehrten Studien«, so Müller-Ladner. In diesen untersuchte man, inwieweit es einen Unterschied macht, ob eine bereits bestehende Statin-Therapie fortgeführt oder abgesetzt wird. Darin habe sich gezeigt, dass durch Absetzen die kardiovaskuläre Mortalität um 60 Prozent anstieg.

 

Rauchen schadet doppelt

 

Dass Rauchen – auch ohne rheumato­ide Arthritis – den Gefäßen schadet, ist unbestritten. Bei Patienten mit RA richtet der Rauch gleich in zweierlei Hinsicht Schaden an: Bestandteile des Zigarettenrauchs fördern die Entzündung und sie vermindern das Ansprechen des Patienten auf Medikamente wie Methotrexat und TNF-Hemmer. »Rauchen schüttet Öl in das Feuer der Entzündung«, veranschaulichte Müller-Ladner den Vorgang. »Sie können nicht mit der einen Hand den Feuer­löscher draufhalten und mit der anderen Öl ins Feuer gießen.«

 

Man müsse den Patienten klarmachen, dass sie mit jeder Zigarette ihren Körper zu einem idealen Ziel für das fehlgeleitete Immunsystem machten, sagte er. Umgekehrt bedeutet das aber auch, diejenigen Patienten zu einer Rauchreduktion zu ermutigen, die es nicht schafften ganz aufzuhören. »Jede Zigarette, die nicht geraucht wird, nützt der Therapie«, betonte er: Schwellungen gehen früher zurück, die Beweglichkeit ist schneller wiederhergestellt, Arzneimittel müssen nicht so hoch dosiert werden, und manche Nebenwirkung lässt sich vermeiden.

 

Um das Herz-Kreislauf-System zu schützen, sollten neben der bestmög­lichen Kontrolle der RA durch eine antientzündliche Therapie bei Rheumatikern jährlich auch die traditionellen kardiovaskulären Herz-Kreislauf-Risiken wie Diabetes mellitus, Hypertonie und Hyperlipidämie überprüft werden, schloss Müller-Ladner. Die Berechnung des Risiko-Scores sollte mit 1,5 multipliziert werden, wenn ein Patient zwei der folgenden Kriterien erfüllt: Dauer der RA-Erkrankung länger als zehn Jahre, positiver RF-Nachweis, positiver CCP-Antikörper-Nachweis oder Manifesta­tionen außerhalb der Gelenke. Zur Risikoberechnung sollte außerdem der Gesamtcholesterol-HDL-Quotient berücksichtigt werden.

 

Bei der Behandlung einer Hyperlipid­ämie sollten bei Rheumatikern vorzugsweise Statine und bei der Behandlung einer Hypertonie vorzugsweise ACE-Hemmer oder Sartane zum Einsatz kommen, da diese möglicherweise zusätzliche antientzündliche Effekte aufwiesen. Vor allem bei Risikopatienten sollten nicht steroidale Antirheumatika zurückhaltend eingesetzt werden. Glucocorticoide sollten so niedrig wie nötig dosiert werden. Und natürlich gilt: Rauchverzicht. /

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