Impfen gegen Pickel |
04.10.2011 17:16 Uhr |
Von Annette Mende / Propionibacterium acnes heißt ein Erreger, unter dem vor allem Teenager stark zu leiden haben. Denn das grampositive Bakterium ist maßgeblich an der Entzündung von Mitessern bei Acne vulgaris beteiligt. Forscher wollen nun eine Impfung gegen den Keim entwickeln.
Eitergelbe Pickel auf Stirn und Wangen: Der Blick in den Spiegel ist für manch Jugendlichen wahrlich kein Vergnügen. Physiologisch handelt es sich bei den Mitessern (Komedonen) um mit Keratin und Talg gefüllte Haarfollikel, die primär nicht entzündlich sind. Eine Entzündung entsteht meist, wenn Propionibacterium acnes den Komedo besiedelt, sich unter den dort herrschenden anaeroben Bedingungen stark vermehrt und Virulenzfaktoren an das umliegende Gewebe abgibt. Aus entzündeten Komedonen entstehen dann Eiterbläschen (Pusteln), die nach Abheilen Narben zurücklassen können.
Die Hautflora schonen
P. acnes mit einem Impfstoff außer Gefecht zu setzen, ist daher ein vielversprechender Therapieansatz für entzündliche Formen der Akne. Ganz so simpel wie es auf den ersten Blick scheinen mag, ist der Fall aber nicht. Denn als Teil der natürlichen Hautflora verhindert P. acnes, dass sich andere, potenziell schädlichere Keime wie etwa Staphylococcus aureus zu stark vermehren. Idealerweise müsste ein Impfstoff demnach P. acnes nicht eliminieren, ihm aber seine proinflammatorischen Eigenschaften nehmen.
Akne ist nicht nur ein kosmetisches Problem. Viele Patienten leiden stark unter den Mitessern und vor allem deren Hinterlassenschaften in Form von Aknenarben.
Foto: Fotolia/Dron
Diese Strategie verfolgen seit einigen Jahren Wissenschaftler um Dr. Chun-Ming Huang von der US- amerikanischen University of California in San Diego. Bereits 2008 publizierten sie im Fachjournal »Plos one« eine Arbeit über erste Versuche mit einem experimentellen Akneimpfstoff (doi: 10.1371/journal.pone.0001551). Als Zielstruktur wählten sie eine bestimmte Neuraminidase, die in der Zellwand von P. acnes verankert ist. An Zellkulturen mit menschlichen Sebozyten wiesen sie nach, dass dieses Enzym für die Adhäsion von P. acnes an die Zielzelle und somit für dessen Zytotoxizität entscheidend ist.
Mäuse, denen die Forscher die Neuraminidase spritzten, entwickelten Antikörper gegen das Enzym. Ein Serum mit diesen Antikörpern testeten die Wissenschaftler zunächst wieder an Zellkulturen mit humanen Sebozyten, wo es wie erhofft die schädliche Wirkung von P. acnes auf die Zellen verhinderte. Auch in vivo gelang ein Wirksamkeitsnachweis: Die Injektion von P. acnes in die Ohren von Versuchsmäusen löste bei immunisierten Tieren eine signifikant geringere Schwellung aus als bei nicht geimpften Vergleichstieren. Außerdem verhinderte die Impfung bei den Versuchstieren die Freisetzung des Entzündungs-fördernden Zytokins Makrophagen-inflammatorisches Protein 2 (MIP-2).
Als die Forscher die Ohren der Tiere acht Tage danach untersuchten, ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich der Menge der gefundenen Aknebakterien. Die Neuraminidase- geimpften Tiere hatten also die durch P. acnes ausgelöste Ohrenentzündung unterdrückt ohne den Keim selbst abzutöten, folgerten die Forscher. Sie vermuteten, dass sich mit ihrem Impfstoff die von P. acnes ausgelöste Entzündung verhindern ließe, ohne die gesunde Bakterienflora der Haut aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Mit einer bestimmten Akne-Diät den Mitessern buchstäblich die Nahrungsgrundlage zu entziehen, ist ein Ansatz, den man schon lange verfolgt. Bis in die 1960er-Jahre galten Süßigkeiten, Schokolade und fettreiche Nahrungsmittel für Akne-Patienten als Tabu. Diese Empfehlung begann zu wanken, als Anfang der 1970er-Jahre in einigen Studien kein Zusammenhang zwischen bis dato als akneigen eingeschätzten Nahrungsmitteln und einem Aufflackern der Akne gefunden werden konnte. Die Lehrmeinung änderte sich. Bis etwa 2005 glaubte man, dass die Ernährung die Akne überhaupt nicht beeinflusst. Zu Beginn des neuen Jahrtausends kam man erneut einem Übeltäter auf der Spur: Nahrungsmitteln mit hohem glykämischem Index. Dieser kennzeichnet die gemeinhin als »westlich« bezeichnete Ernährungsform – und unterscheidet sie von der einiger Naturvölker, bei denen Akne gänzlich unbekannt ist. Neuerdings ist Milch in den Verdacht geraten, Akne zu fördern. Sie hat zwar keinen hohen glykämischen Index, erhöht aber den IGF-1-Plasmaspiegel und enthält unter anderem Androgenvorläufer wie Androstendion und Dehydroepiandrosteron-Sulfat (DHEA-S).
Vielleicht ermöglicht es ihnen ein jetzt mit Sanofi Pasteur geschlossener Vertrag, ihre bislang noch experimentelle Aknevakzine zu einem marktreifen Impfstoff weiterzuentwickeln. Der Impfstoffhersteller gab Ende September eine auf zwei Jahre angelegte Forschungs- und Entwicklungszusammenarbeit mit Huangs Arbeitsgruppe bekannt. Mit der Kooperation verfolge man einen »immunologischen Ansatz zur Akneprävention und -behandlung« mit dem Ziel, an der Entzündung beteiligte, P.-acnes-abhängige Faktoren zu neutralisieren. Bis es so weit ist, wird es aber vermutlich noch mehrere Jahre dauern. Über die finanziellen Bedingungen der Übereinkunft wurde nichts bekannt.
Großer Bedarf für Impfung
Welch großer Bedarf für eine solche Akneimpfung vorhanden ist, wurde bei einem Vortrag von Professor Dr. Harald Gollnick von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg anlässlich eines Workshops der Paul-Martini-Stiftung Mitte September in Berlin deutlich. »70 bis 95 aller Heranwachsenden leiden unter Akne«, sagte Gollnick. In mehr als 10 Prozent der Fälle handele es sich um persistierende Verläufe, bei denen die Patienten auch über das 25. Lebensjahr hinaus unter den typischen Hautläsionen zu leiden hätten.
Die medikamentöse Behandlung der entzündlichen Akne ist zwar häufig sehr wirksam, erfordert aber eine gute Mitarbeit des Patienten. Diese ist jedoch nicht immer gegeben. »Ein Problem der Aknetherapie ist die generell schlechte Adherence der Patienten«, berichtete Gollnick. Nach dem Absetzen der Medikamente flamme die Akne meist wieder auf. Die konsequente, dauerhafte und vor allem früh begonnene Behandlung sei aber der einzige Weg, um einer Narbenbildung vorzubeugen. Denn die Wahrscheinlichkeit der Vernarbung wächst mit der Verspätung der Therapie. Aknenarben im Gesicht seien für die Patienten häufig eine große psychische Belastung. »Die Folgen der Akne können Patienten mehr bedrücken als aktive Läsionen«, sagte der Dermatologe. /