Sanacorp darf Anzag nicht übernehmen |
28.09.2006 10:30 Uhr |
Sanacorp darf Anzag nicht übernehmen
Von Thomas Bellartz
Die PZ hatte bereits in der vergangenen Woche kurz berichtet, nun ist die Entscheidung gefallen: Sanacorp darf die Frankfurter Anzag nicht übernehmen. Damit hat ein jahrelanger Rechtsstreit sein Ende - nicht aber die Unsicherheit für die Anzag und die Sanacorp. Wie geht es weiter im deutschen Großhandelsmarkt?
Die Ad-hoc-Meldung der beiden börsennotierten Pharmagroßhändler Ende vergangener Woche mag vorbereitet in den Schubladen gelegen haben; so deutlich waren die Vorzeichen dafür, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf sich der Sanacorp-Beschwerde verweigern werde. Auch die Flucht nach vorne, die rhetorisch Manfred Renner, Vorstandsvorsitzender der Sanacorp, antrat, mochte die Tränen bei den Beteiligten in Planegg nicht zu trocknen. Man werde die Interessen der selbstständigen Apotheker weiterhin bei der Anzag vertreten, ließ sich Renner zitieren. Was dieses Zitat freilich wert sein wird, müssen die kommenden Monate zeigen. Der Schlussakkord unter eine schier unendliche Geschichte ist gleichsam das schmerzhafte Ende für die Liaison von Anzag und Sanacorp.
Die Sanacorp Pharmahandel AG wird einer Mitteilung zufolge »auch ohne die geplante Mehrheitsübernahme weiterhin ihren Einfluss auf die Andreae-Noris-Zahn AG geltend machen«. Renner meinte zur Entscheidungsverkündung durch den Kartellsenat des Oberlandesgerichts: »Ziel der geplanten Mehrheitsübernahme an der Anzag war es, dem apothekereigenen Pharmagroßhandel durch die Gründung eines größeren Pharmaverbundes wichtige Wettbewerbsvorteile im Wettstreit mit kapitalmarktgesteuerten Konkurrenten zu sichern und so langfristig zum Erhalt des hohen Qualitäts- und Serviceniveaus in der Arzneimittelversorgung in Deutschland beizutragen.« An dem »grundsätzlichen Ziel der Qualitätssicherung durch Stärkung der inhabergeführten Apotheken« halte man auch nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts fest. Auch ohne Mehrheit bleibe die Sanacorp ein wesentlicher Anteilseigner der Anzag. Sie werde die »Interessen der selbstständigen deutschen Apotheker bei der Anzag auch weiterhin im Rahmen der gesetzlich zulässigen Möglichkeiten geltend machen«.
Zum Ausgang des Verfahrens meinte Renner: »Nachdem das OLG Düsseldorf uns in erster Instanz Recht gegeben hatte, kommt der Beschluss überraschend. Aber wir akzeptieren die Entscheidung, auch wenn wir uns einen anderen Ausgang gewünscht hätten.« Nicht nachvollziehbar sei allerdings die Dauer des Verfahrens von rund fünf Jahren. Derart lange Laufzeiten seien eine Belastung für die beteiligten Unternehmen und »kein Aushängeschild für den Standort Deutschland«.
Mit dem Urteil des OLG Düsseldorf endet eines der längsten Fusionskontrollverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Bereits 1996 erwarb die Sanacorp, die 25 Prozent an der Anzag hält, von der Deutschen Zentral-Genossenschaftsbank eine Kaufoption auf weitere 25 Prozent des Eigenkapitals. Die Ausübung dieser Kaufoption durch die Sanacorp war 2001 zunächst durch das Bundeskartellamt untersagt worden. Anschließend hob das OLG Düsseldorf die Untersagungsverfügung jedoch auf. Daraufhin legte das Bundeskartellamt im Januar 2003 Rechtsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe ein. Nach einer Anhörung im Mai 2004 verwies der BGH die Rechtssache zurück an die Düsseldorfer Richter.
Innerhalb der kommenden Wochen dürften sich die Kräfteverhältnisse innerhalb der Anzag neu ordnen. Die Sanacorp hält zurzeit 24,99 Prozent, Phoenix und Celesio je 12,99 Prozent, Alliance UniChem 29,99 Prozent, Noweda und OPG haben kleinere Pakete, weniger als 10 Prozent der Aktien befinden sich in Streubesitz.
Der Ärger bei der Sanacorp ist berechtigt. Satte fünf Jahre lang haben sich Kartellamt und deutsche Gerichte mit der Frage beschäftigt, ob das viertgrößte deutsche Pharmagroßhandelsunternehmen das drittgrößte übernehmen darf. Die Sanacorp darf nicht, heißt das anscheinend endgültige Urteil. Zwischenzeitlich hatte sie bereits gedurft, dann wieder nicht. Sanacorp-Vorstandschef Manfred Renner zweifelt an den Gerichten und an der Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Diese Zweifel sind sicherlich berechtigt, auch mit Blick auf die Zukunft der Anzag. Und auch mit Blick auf die Zukunft der Sanacorp.
Auch wenn vielen Apothekerinnen und Apothekern die Entwicklung um die angestrebte Fusion egal oder entgangen sein wird, ist sie - am Ende gerade für die Apothekenkunden der Unternehmen - entscheidend.
Denn Ánzag ist der Großhändler der Großhändler. Das Unternehmen wird von seinen Marktpartnern kontrolliert. Doch diese Kontrolle ist in Gefahr. Auch wenn die Sanacorp versichert, sie wolle auch in Zukunft weiterhin an der Anzag beteiligt sein. In welcher Höhe freilich, lässt man offen. Der Fusionsversuch war für die Sanacorp kostspielig. Für die Sanacorp - und damit auch für ihre Anteilseigner, die Genossen. Das »Parken« der Call-Option bei Phoenix und Celesio dürfte seinen Preis gehabt haben und erst recht viel Geld wird das angestrebte Engagement in Nordrhein-Westfalen verschlingen. Dort wird zunächst kein Geld zu verdienen sein, das ist gewiss.
Wohin also steuert die Sanacorp? Und was wird aus der Anzag? Wird die Genossenschaft Kasse machen, um die flächendeckende Verbreitung finanziell abzusichern? Oder sehen wir schon bald einen anderen Partner, eine andere Lösung? Der Weg wird hingehen zu einer neuen Partnerschaft, die zu einer Beherrschung der Anzag führen wird. Der Blick in die Niederlande, zum Anzag-Aktionär OPG ist dabei ebenso frei, wie der nach London zu Alliance UniChem. Beide Unternehmen wollen in den deutschen Markt. Eines der Unternehmen könnte zum Partner der Sanacorp werden, sofern die an ihrem Ziel festhält - und weiterhin in der Anzag engagiert bleibt.
Thomas Bellartz
Leiter der Hauptstadtredaktion