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AMNOG

ABDA startet Kampagne

28.09.2010  17:28 Uhr

Von Daniel Rücker, Berlin / Mit rund 500 Millionen Euro kann das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) die Apotheken belasten. Die Konsequenzen wären fatal. Die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände startet deshalb in diesen Tagen eine Kampagne, mit der Politiker und Patienten über die negativen Folgen des Gesetzes informiert werden.

Sollte der aktuelle Entwurf des AMNOG tatsächlich zum 1. Januar 2011 Gesetz werden, dann sei die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Apotheken massiv gefährdet, sagte der Leiter der ABDA-Öffentlichkeitsarbeit, Thomas Bellartz, am vergangenen Freitag bei einer Pressekonferenz in Berlin. »Wenn den Apotheken der Ertrag um 500 Millionen Euro gekürzt wird, muss das Folgen für die Versorgung haben.« Die durchschnittliche Apotheke habe heute einen Rohertrag von 70 000 Euro im Jahr. Dieser würde um 23 000 Euro sinken.

Die Kampagne unter dem Titel »Stoppt den Raubbau an der Apotheke« startet mit Plakaten und Postkarten. Sie wer­den in dieser Woche über »Pharmazeu­tische Zeitung« und »Deutsche Apothe­ker­zeitung« an die Apotheken verteilt. Die Plakate sollen die Patienten darauf aufmerksam machen, dass die Apothe­ken keinesfalls, wie oftmals in den Me­dien behauptet wird, von der Gesetzes­reform verschont bleiben. Die Post­karten sind für Apotheker gedacht, die ihre Sorgen den Politikern ihres Wahlkreises mitteilen wollen.

 

Bellartz gibt dem pharmazeutischen Großhandel die Hauptschuld an den geplanten Kürzungen: Dieser hatte beim Bundesgesundheitsministerium (BMG) für eine Umstellung seiner Vergütung geworben. Das BMG ging darauf ein, kürzte aber gleichzeitig die Spanne des Großhandels. Er soll demnächst pro Packung nur noch 60 Cent zuzüglich einen prozentualen Logistikzuschlag von 1,7 Prozent bekommen. Leidtragende sind die Apotheker. Bellartz: »Die Belas­tung tragen über Bande die Apotheken.« Der Vorsitzende des Bundesverbandes des pharmazeutischen Großhandels (Phagro), Thomas Trümper, habe in mehreren Interviews deutlich gemacht, dass die Großhändler ihren Verlust über Kürzungen der Rabatte vollständig an die Apotheken durchreichen werden.

 

Bellartz sieht für die einzelnen Apotheker wenig Chancen, sich gegen den Großhandel durchzusetzen. Die fünf Großen, also Anzag, Gehe, Phoenix, Sanacorp und Noweda, deckten 90 Prozent des Marktes ab. Wenn sich die Fünf einig seien, dann gebe es kaum Spielraum für die Apotheken. Nach Bellartz birgt die aktuelle Situation durchaus die Gefahr einer Annäherung an »norwegische Verhältnisse«. Wenn die Apotheken durch das AMNOG in eine wirtschaftliche Schieflage gerieten, dann drohe eine größere Abhängigkeit von den Großhandlungen.

 

300 Millionen Euro Gebühren

 

Der Chef der ABDA-Öffentlichkeitsarbeit hält auch die Klagen der Großhandlungen, bei ihnen sei nichts mehr zu holen, für wenig glaubhaft. Zum einen habe sich die finanzielle Lage des Großhandels im vergangenen Jahr verbessert. Dies hätten die großen Fünf auf ihren letzten Bilanzpressekonferenzen auch mehrheitlich kommuniziert. Zudem fordern die Großhandlungen heute für Dienstleistungen, die über den Standard hinausgehen, teils saftige Gebühren von den Apothekern. Nach Berechnungen der ABDA ergibt sich daraus eine Summe von rund 300 Millionen Euro.

 

Der Chef der ABDA-Öffentlichkeitsarbeit machte deutlich, dass die begonnene Kampagne noch schärfer werden soll: »Wir sind noch nicht an der obersten Eskalationsstufe angekommen.« Was den Großhandel angeht, hofft er aber darauf, dass sich die Positionen von ABDA und Phagro vielleicht doch wieder annähern und sie gemeinsam versuchen können, das Ministerium von einer akzeptableren Umstellung der Großhandelsvergütung zu überzeugen.

Wenn dies nicht gelingen sollte, kämen auf Patienten und Apotheker schlechte Zeiten zu. Die Versorgung würde sich zwangsläufig verschlechtern, ist sich Bellartz sicher. Welche Leistungen davon betroffen wären, darauf mochte er sich nicht festlegen. Stattdessen will die ABDA die Politiker damit konfrontieren. Wenn die Regierung die Spannen kürze, müsse sie auch sagen, auf welche Angebote die Patienten verzichten müssen.

 

Die ABDA ist in jedem Fall willens, den Druck weiter zu erhöhen. Wie dies aussehen könnte, ließ Bellartz allerdings offen. Eines schloss er aber aus: »Wir werden nicht zu Apotheken-Schließungen aufrufen.« Wie es weitergeht dürfte sich aber bald abzeichnen. An diesem Mittwoch, dem 29. September, (nach Redaktionsschluss) fand im Gesundheitsausschuss des Bundestages die Anhörung zum AMNOG statt. Und am 7. Oktober startet der Deutsche Apothekertag in München. Dort werde das Gesetz und der Protest dagegen ein zentrales Thema sein, sagte Bellartz.

 

Phagro fordert Änderungen

 

Auch der Phagro ist mit der von ihm angestoßenen Umstellung seiner Vergütung nicht glücklich. In seiner Stellungnahme zur Anhörung drängt er auf höhere Spannen, die im Gesetzentwurf vorgeschlagenen 60 Cent zuzüglich 1,7 Prozent seien nicht leistungsgerecht und sogar verfassungswidrig, weil auf diesem Weg auch Rabatte aus dem OTC-Geschäft und dem Nebensortiment abgeschöpft würden. Auf diese Rabatte habe die GKV keinen Zugriff.

 

An der Systematik der Vergütung, Festzuschlag plus prozentuale Spanne, will der Großhandel festhalten. Der Festzuschlag sollte durchschnittlich 85 Cent pro Packung betragen. Er sollte aber preisabhängig gespreizt werden. Die zusätzliche Spanne sieht der Phagro bei 3,26 Prozent, höchstens aber 72 Euro. Gleichzeitig sollte der Gesetzgeber Abschläge auf den Festzuschlag verbieten. Dieser wäre dann nicht rabattfähig.

 

ABDA-Stellungnahme

 

Wie die anderen Verbände im Gesundheitswesen hat auch die ABDA eine Stellungnahme zum AMNOG abgegeben. Diese hat sie an diesem Mittwoch bei der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages vertreten. Die Berufsverband hat sich in seiner schriftlichen Stellungnahme dabei auf drei Punkte konzentriert. Einer ist natürlich die Großhandelsvergütung. Hier fordert die ABDA, auf die Umstellung zu verzichten oder sie so auszugestalten, dass die nicht gerechtfertigten Belastungen der Apotheken unterbleiben. Grundsätzlich sei die Umstellung weder notwendig noch sinnvoll, begründet die ABDA ihre Forderung. Ursprünglich habe der Großhandel die Umstellung seiner Vergütung wegen der starken Zunahme des Direktvertriebs vom Hersteller an die Apotheken gefordert. Mit der 15. Novelle des Arzneimittelgesetzes habe der Großhandel aber einen Belieferungsanspruch durch den Hersteller bekommen. Damit sei das Problem gelöst. Eine Umstellung der Vergütung sei deshalb obsolet.

Darüber hinaus fordert die ABDA, das im Koalitionsvertrag fixierte Pick-up-Verbot in das AMNOG aufzunehmen. Die Re­gie­rung hatte es aus dem Gesetzent­wurf gestrichen, weil Bundesministerien ver­fas­sungsrechtliche Bedenken angemel­det hatten. Und zum Dritten fordert die ABDA, die Apotheker aus der Haf­tung beim Inkasso des Herstellerabschla­ges herauszunehmen. Stattdessen sollten die Kassen selbst einen Anspruch auf den Abschlag nach § 130a SGV bekom­men. In ihrer Stellungnahme fordert die ABDA unter anderem auch die sofortige Vollziehung der Schieds­stellen­ent­scheidung nach § 129 SGB V, die Einführung von Garantiepreisen, höhere Mindestlaufzeiten für Rabattverträge und einen Verzicht auf die Änderung der Packungsgrößenverordnung.

 

Bundesrat gegen Pick-up

 

Beim Pick-up-Verbot hat die ABDA in den Bundesländern Mitstreiter. Medikamente sollen nach dem Willen des Bundesrats nicht mehr in Pick-up-Stellen bei Discountern und Drogeriemärkten verkauft werden dürfen. Dies führt nach Ansicht der Ländermehrheit zu Umsatzeinbußen der Apotheker. »Insbesondere kleinere Land­apotheken müssen mit dem Überleben kämpfen«, heißt es in einer Stellungnahme, die die Ländermehrheit vergangenen Freitag beschlossen hat.

 

Die Länder begrüßen im Grundsatz das neue Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes. Dadurch sollen neue Mittel die Krankenkassen nicht mehr teurer zu stehen kommen als bereits im Markt befindliche. In zwei wesentlichen Punkten verlangen die Länder aber Änderungen: Die Regierung will, dass Patienten anstelle von Rabattarzneimitteln künftig andere Mittel wählen dürfen, wenn sie den ganzen Preis tragen und das Geld bis zur Höhe der Rabattarzneimittel von der Kasse zurückerhalten. »Eine solche Regelung erhöht den bürokratischen Aufwand und würde die Wirksamkeit der Rabattverträge (...) gefährden«, monieren die Länder. Sie lehnen es außerdem ab, dass die Kassen künftig dem Kartellrecht unterstehen sollen. Während bislang die Sozialgerichte zuständig waren, sollen Konflikte künftig vor Zivilgerichten geklärt werden. /

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