Dorithricin wirkt antiviral |
15.09.2015 15:34 Uhr |
Von Michael Schmidbauer / Dorithricin®-Halstabletten Classic werden bei einer akuten Pharyngitis angewendet. Die Inhaltsstoffe wirken antiseptisch und antibakteriell. Zudem werden ihnen antivirale Eigenschaften zugeschrieben. Dieser Aspekt stand im Fokus einer In-vitro-Untersuchung. Sie zeigt, dass Dorithricin-Halstabletten eine dosisabhängige antivirale Wirkung gegen die humanpathogenen Viren RSV, HRV14 und H1N1 aufweisen.
Viren und Bakterien sind Erreger der sehr häufig auftretenden akuten Pharyngitis. Bei dieser auch als Rachenkatarrh bekannten Erkrankung handelt es sich um eine Entzündung der Rachenschleimhaut und der darunterliegenden pharyngealen Strukturen, die mit den typischen Symptomen Schluckschmerzen, Kratzen, Brennen, Trockenheitsgefühl im Hals und Rötung der Rachenschleimhaut einhergeht (1).
Halsschmerzen treten meistens im Rahmen einer Erkältung auf.
Foto: Fotolia/contrastwerkstatt
Vorrangig erfordert die akute Pharyngitis eine symptomatische Behandlung zur Linderung der Schmerzen. Die antibiotische Therapie ist seltener indiziert und sollte nur bei den 10 bis 15 Prozent der Patienten angewendet werden, die von einer Streptokokken-Pharyngitis betroffen sind, beziehungsweise in den Fällen, in denen Spätfolgen wie hämorrhagisches Fieber verhindert werden sollen (1-3). Halsschmerztabletten wie Dorithricin haben sich bei der symptomatischen Behandlung wiederholt klinisch bewährt (4). Die darin enthaltene Kombination aus den antibakteriellen und analgetischen Wirkstoffen Tyrothricin, Benzalkoniumchlorid und Benzocain lindert effektiv die typischen Pharyngitis-Beschwerden (4).
Einzelne Bestandteile dieser Kombination wirken nicht nur antibakteriell, sondern auch antiviral. So hemmen Tyrothricin und Benzalkoniumchlorid in vitro die Aktivität von Masern-, Mumps- und Rhinitis-Viren (5-9). Es stellt sich daher die Frage, ob von der in Dorithricin enthaltenen Wirkstoffkombination in ihrer Gesamtheit eine antivirale Wirkung ausgeht. Vor diesem Hintergrund wurde die im Folgenden vorgestellte Studie durchgeführt mit dem Ziel, die dosisabhängige antivirale Wirkung von Dorithricin-Halstabletten Classic gegen humanpathogene Viren in vitro zu untersuchen.
Material und Methoden
Getestet wurden in Lösung gebrachte Dorithricin-Tabletten (MEDICE, Iserlohn, Deutschland) in verschiedenen Verdünnungsstufen auf Viren, die beim Menschen Infektionen der Atemwege hervorrufen. Es handelte sich hierbei um folgende Viren: humanes Rhinovirus Typ 14 (HRV14, unbehülltes RNA-Virus), das Respiratory Syncytial Virus (RSV, Paramyxovirus, behülltes RNA-Virus) und das Influenza-A-Virus H1N1 (FluA, H1N1, Orthomyxovirus, behülltes RNA-Virus).
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Zur Herstellung einer Prüflösung wurde zunächst eine Tablette pulverisiert, dann mit 1 ml Dimethylsulfoxid (DMSO) angelöst, mit destilliertem Wasser auf 1:100 verdünnt und sterilfiltriert (0,45 µm-Filter). Von dem auf pH 7,4 eingestellten Filtrat wurden mittels Komplettnährmedium in log2- beziehungsweise log10-Stufen Verdünnungsreihen hergestellt. Das gemäß der beschriebenen Prozedur aufbereitete Lösungsmittel (DMSO) wurde als Lösungsmittelkontrolle verwendet.
Um Artefakte aufgrund von vitalitäts- beziehungsweise stoffwechselreduzierenden Effekten der Prüflösungen auf die Zellen für die antivirale Testung auszuschließen, wurden in einem ersten Schritt die Prüflösungen einem Vitalitätstest in der Zellkultur unterzogen. In Parallelansätzen wurden die Prüflösungen in sämtlichen Verdünnungsstufen sowie die Lösungsmittelkontrolle zu wachsenden virussensitiven HeLa-, MDCK- und HEp-2-Zellen gegeben und für insgesamt drei Tage (HeLa, MDCK) beziehungsweise sechs Tage (HEp-2) bei 37 °C und 5 Prozent CO2 kultiviert. Als weitere Kontrolle wurden nur mit dem Zellkulturmedium kultivierte Zellen in der Zellkultur mitgeführt. Die Beurteilung möglicher vitalitätsreduzierender Effekte erfolgte an den Tagen 1, 2, 3 und 6 nach Substanzgabe mittels des MTT-Tests. Dazu wurden die behandelten Zellen für 45 Minuten (HEp-2, HeLa) beziehungsweise für 60 Minuten mit der MTT-Lösung inkubiert. Die Reduktion des darin enthaltenen gelben Farbstoffs 3-(4,5-Dimethylthiazol-2-y)-2,5-diphenyltetrazoliumbromid (MTT) in blau-violettes Formazan kann nur von intakten, vitalen Zellen durchgeführt werden und ist ein Nachweis für Zellvitalität.
Wirkstoffkonzentrationen [µg/ml] | ||||||
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Dorithricin-Verdünnungen | ||||||
1:400 | 1:800 | 1:1600 | 1:3200 | 1:6400 | 1:64000 | |
Dorithricin-Bestandteile | ||||||
Tyrothricin | 1,25 | 0,62 | 0,31 | 0,16 | 0,08 | 0,008 |
Benzalkoniumchlorid | 2,5 | 1,25 | 0,62 | 0,31 | 0,16 | 0,016 |
Benzocain | 3,8 | 1,9 | 0,95 | 0,48 | 0,24 | 0,024 |
Nach Solubilisierung der Formazankristalle in 1 Prozent DMSO wurde die optische Dichte der Zellkulturüberstände photometrisch bei einer Wellenlänge von 570 nm bestimmt. Eine höhere optische Dichte deutet auf eine höhere Anzahl von vitalen Zellen hin. Des Weiteren wurde eine eventuelle Veränderung der Zellmorphologie an Tag 3 (HeLa, MDCK) und Tag 6 (HEp-2) nach Substanzzugabe mikroskopisch beurteilt. Die OD-Werte der Prüfmusteransätze wurden auf die als 100 Prozent Vitalität definierten OD-Werte der unbehandelten Kontrollen normiert und entsprechend als Prozentwerte angegeben. Somit konnte die mittlere inhibitorische Konzentration (IC50) über mehrere Parallelproben in Dosiswirkungskurven der Prüfmuster bestimmt werden, bis hin zu der Konzentration, die keinerlei testsubstanzbedingte Beeinträchtigung der Zellvitalität aufwies und sich somit für den Einsatz in den antiviralen Prüfungen eignete.
Im Anschluss an die Vitalitätsprüfungen erfolgte die Testung der antiviralen Aktivität gegen HRV14, FluA und RSV. Dazu wurden die virussensitiven Zellen mit den entsprechenden Viren in einer mittleren Infektionsdosis (MOI) zwischen 0,0004 und 0,0008 infiziert (HeLa mit HRV14; MDCK mit FluA; HEp-2 mit RSV). Die virusinfizierten Zellen wurden 1 h post infectionem mit den Prüflösungen in physiologischen Substanzkonzentrationen im semipermeablen Agaroseüberstand behandelt. An Tag 2 (FluA), Tag 3 (HRV14) und Tag 5 (RSV) nach Testansatz wurden im Plaquereduktionsassay (plaque forming units/ml; PFU/ml) die im Zellrasen gebildeten Virusplaques mittels eines AID EliSpot Reader Systems (Autoimmun Diagnostika GmbH, Strassberg, Deutschland) ausgezählt und als prozentuale Hemmung gegenüber der als vollständige Virusinfektion definierten Plaquezahl im keinen Wirkstoff enthaltenden Kontrollansatz ausgewertet.
Zur Verifizierung des beschriebenen Testverfahrens wurde neben den Virus- und Negativkontrollen der antivirale Wirkstoff Ribavirin Virazole® gegen RNA-Viren als laborinterne Kontrollen mitgeführt. Die Effektivität der Referenzsubstanzen konnte im Testsystem bestätigt werden. Alle Kontrollen waren sämtlichen Kultivierungsbedingungen der antiviralen Assays unterworfen.
Ergebnisse
Für den antiviralen Test wurden die Prüflösungen mit Wirkstoffkonzentrationen verwendet, die der Verdünnung von 1:400 und höher einer Dorithricin-Tablette entspricht (Tabelle). Bei diesen Wirkstoffkonzentrationen konnten im Vitalitätstest keine vitalitätsreduzierenden Effekte auf die verwendeten HeLa-, MDCK- und HEp2-Zellen nachgewiesen werden.
Im Ergebnis wies die 1:400 verdünnte Dorithricin-Wirkstoffkombination eine antivirale Wirkung auf und reduzierte deutlich die Plaques der RNA-Viren HRV14, H1N1 und RSV um 68,4 Prozent, 52,7 Prozent beziehungsweise 74,3 Prozent. Dieser Effekt auf die Plaquebildung nahm mit zunehmender Verdünnung ab. Erst bei hohen Verdünnungen war eine Wirkung nicht mehr nachweisbar: bei HRV14 ab 1:3200, bei RSV ab 1:6400 und bei H1N1 ab 1:64000. Die relative Hemmwirkung in Abhängigkeit von dem Dorithricin-Verdünnungsgrad ist in der Abbildung dargestellt.
Das zur Kontrolle eingesetzte Ribavirin (RIBA) erbrachte eine Virusplaque-Reduktion von 53,0 Prozent bei HRV14 (RIBA 10 μg/ml), von 96,4 Prozent bei FluA (RIBA 3 μg/ml) und von 97,3 Prozent bei RSV (RIBA 1 μg/ml).
Der zugrundeliegende Wirkmechanismus ist durch weitere Versuche aufzuklären. Dabei sollte geprüft werden, ob diesem ein synergistischer Effekt zugrunde liegt, wie er schon an anderer Stelle vermutet wurde (10), und welche der drei Komponenten gegen welche Viren die Hauptwirkung besitzt.
Fazit
Die zur Behandlung einer akuten Pharyngitis eingesetzten Dorithricin- Halstabletten Classic zeichnen sich neben den bereits bekannten antibakteriellen und analgetischen Wirkungen in vitro zusätzlich durch ausgeprägte, dosisabhängige antivirale Eigenschaften gegen die Viren RSV, HRV14 und H1N1 aus. /
Anschrift
Dr. Michael Schmidbauer
Medice Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG
Kuhloweg 37
58638 Iserlohn, Deutschland