Pharmazeutische Zeitung online
Ausstellung

Am Anfang war das Wort Homers

11.09.2008  13:42 Uhr

Ausstellung

Am Anfang war das Wort Homers

Von Ulrike Abel-Wanek

 

Auf Vasen, Gemälden und Reliefs tobt der Krieg: Szenen des Kampfes um Troja aus der »Ilias« von Homer. Das Reiss-Engelhorn-Museum in Mannheim widmet dem antiken Dichter und seinem Werk eine gar nicht antiquarische, sehenswerte Sonderausstellung.

 

Ein gutes Zeichen ist es nicht: Bei einer aktuellen Umfrage in einer bayerischen Kleinstadt antworteten auf die Frage »Was sagt dir/Ihnen der Name Homer?« zwar 70 Prozent der befragten Realschüler und Gymnasiasten, aber nur noch 45 Prozent der Bevölkerung mit »Grieche, griechischer Dichter«. 15 Prozent der Schüler meinte, es handle sich um »den Alten von den Simpsons«. Die Werke Ilias und Odyssee konnten wenige Jahre zuvor bei einer ähnlichen Umfrage am gleichen Ort von 154 Befragten nur sieben nennen. Dabei ist Homer nicht weniger als der Gründervater der europäischen Literatur. Mit seiner Ilias begann eine neue Epoche der abendländischen Kulturgeschichte.

 

Homer lebte im 8. Jahrhundert v. Chr., einer Zeit, in der Griechenland nach dem sogenannten »Dunklen Zeitalter« (12. bis 8. Jahrhundert) wieder an Bedeutung gewann. Die Griechen gründeten Kolonien rund ums Mittelmeer und betrieben einen schwunghaften Handel mit dem Orient. Sie übernahmen die phönizische Schrift, ergänzten sie durch die bis dahin fehlenden Vokale und schufen damit ein Alphabet.

 

Die Ilias markierte den Wechsel von der mündlichen zur schriftlichen Überlieferung. Zuvor hatten Sänger die Geschichten und Mythen über die Helden aus der Vergangenheit mündlich weitergegeben. Mithilfe des griechischen Alphabets fasste Homer sie (in Hexametern verfasst) in Worte. Er war der Erste, der die neue Schrift nutzte. Für ihn und seine Zeitgenossen war der Krieg um Troja ein historisches Ereignis, angesiedelt in der Bronzezeit (16. bis 12. Jahrhundert v. Chr.), einer ersten kulturellen Hochphase, in der prachtvolle Paläste entstanden wie in Mykene, wo Agamemnon geherrscht haben soll.

 

Die Epen vom Krieg um Troja und den Irrfahrten des Odysseus handeln von Kampf, Liebe, Ehre und Verrat. Von der Antike bis heute inspirieren sie Künstler zu eigenen Werken. Gemälde, Dramen, Opern, aber auch Hollywoodfilme beschäftigen sich mit dem Raub der schönen Helena, den Weissagungen Kassandras, den Verlockungen der Sirenen oder dem Trojanischen Pferd.

 

Die Ausstellung »Homer: Der Mythos von Troja in Dichtung und Kunst« präsentiert eine Auswahl herausragender Kunstwerke und kostbarer Handschriften von der griechischen und römischen Antike über die Renaissance bis in die Gegenwart. Gleich zu Beginn zeigen verschiedene Büsten aus der Antike, aber auch aus dem 18. Jahrhundert, welches Bild sich die Künstler in den unterschiedlichen Epochen von dem Autor gemacht haben. Meist erscheint Homer als würdevoller, älterer Mann mit Bart – teils blind, teils sehend. Da Dokumente aus seiner Zeit fehlen, weiß jedoch niemand, wie er wirklich aussah.

 

Nach der Begegnung mit Homer und der Einführung in seine Zeit lassen Vasen, Gemälde und Statuen den Mythos von Troja lebendig werden. Kunstwerke aus unterschiedlichen Jahrhunderten behandeln dasselbe mythische Thema: das Paris-Urteil ebenso wie das Duell zwischen Achill und Hektor oder der Bittgang des trojanischen Königs Priamos. Ein Exkurs zu den wissenschaftlich begleiteten Ausgrabungen in Troja dokumentiert anhand von Modellen, Plänen und Bildern den aktuellen Stand der Forschung.

 

Anschließend begleitet der Besucher Odysseus bei seinen zahlreichen Abenteuern: Odysseus überlistet den einäugigen Polyphem, entkommt der Zauberin Kirke, widersteht dem betörenden Gesang der Sirenen und besiegt die Meeresungeheuer Skylla und Charybdis. Fast am Ende des Rundgangs und der Reise des Helden eine unschätzbare Leihgabe der Vatikanischen Museen: die sitzende Statue seiner Frau Penelope, die 20 Jahre auf ihn wartete. Ausschnitte aus Spielfilmen, eine Video-Installation »Odysseus in Ithaka« und ein großformatiger Zyklus von Sigmar Polke von 1982 mit dem Titel »Der Traum des Menelaos« beenden den Rundgang.

 

Die Ausstellung holt Homer aus einem kleinen Zirkel von Wissenschaftlern und Altphilologen heraus an die Öffentlichkeit. Die großartige Schau wird vielen Lust machen, die Ilias (wieder) zur Hand zu nehmen und zu lesen.

Homer: Der Mythos von Troja in Dichtung und Kunst.

14. September 2008 bis 18. Januar 2009.

 

Reiss-Engelhorn-Museen

Museum Zeughaus

C5

68159 Mannheim

www.rem-mannheim.de

 

Das sehr empfehlenswerte, 500 Seiten umfassende Begleitbuch zur Ausstellung ist im Hirmer-Verlag erschienen, München 2008, ISBN 978-3-7774-3965-5. Museumspreis 29,90 Euro, im Buchhandel 45 Euro.

Mehr von Avoxa