ABDA unterstützt regionale Proteste |
11.09.2012 17:37 Uhr |
Von Daniel Rücker / Die eine große Demonstration der Apotheker wird es vorerst nicht geben. Stattdessen setzen die Apotheker auf eine Vielzahl regionaler Proteste. Die ABDA begrüßt diese Strategie ausdrücklich.
Die Proteste der Apotheker werden schärfer. In der vergangenen Woche machten die Baden-Württemberger den Anfang. In Esslingen und im Raum Sigmaringen machten am vergangenen Mittwoch rote Plakate an allen Apotheken klar, dass an diesem Tag die Versorgung der Patienten eingeschränkt wird.
Große Demonstrationen wie hier 2006 in Düsseldorf wird es in diesem Jahr bis auf Weiteres nicht geben. Die Landesorganisationen setzen stattdessen auf die Vielfalt unterschiedlicher Aktionen.
Foto: PZ/Archiv
Die Kunden zeigten viel Verständnis für die Aktion. An den Informations- Tischen vor den geschlossenen Apothekentüren verteilten Mitarbeiter Handzettel und erklärten den Menschen in den beiden betroffenen Gebieten ihr Anliegen.
Uninformierte Patienten
Viele hätten gar nicht gewusst, wie Apotheken honoriert werden und dass die Zuzahlung des Patienten an die Krankenkassen weitergereicht wird, berichtete eine PTA der Pharmazeutischen Zeitung (PZ). Konkrete Angst um ihren Arbeitsplatz habe sie nicht, aber sie frage sich schon, wie die Apotheke in 10 oder 20 Jahren aussehen werde.
Informiert wurden nicht nur die Patienten und Kunden, sondern auch die Medien. »Wir kämpfen gemeinsam für unsere Forderungen; die Apotheker stehen geschlossen hinter uns«, sagte Frank Eickmann vom Landesapothekerverband Baden-Württemberg bei einer Pressekonferenz in der Schwan-Apotheke am Esslinger Marktplatz. Alle 27 Apotheken in Esslingen und 34 von 37 Apotheken im Notdienstbezirk Sigmaringen machten bei der Aktion mit. Von 9 bis 12 Uhr wurden Kunden nur durch die Notdienstklappe bedient und beraten. So war die Arzneimittelversorgung der Bürger zu jeder Zeit sichergestellt; dies habe die Landesapothekerkammer anerkannt.
Mit einem eingeschränkten Dienst protestierten in der vergangenen Woche Apotheker in Baden-Württemberg.
Foto: LAV BW
Der Warnstreik in zwei Regionen solle ein Signal setzen, erklärte Eickmann. Noch deutlicher ist das Signal am 12. September, wenn es in drei Bundesländern – Saarland, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg – ganztägig und flächendeckend nur einen eingeschränkten Dienst geben wird.
Doch auch hier setzten die drei Apothekerverbände auf einen sanften Streik. Die Patienten bekommen ihre Medikamente, sie müssen aber mit Verzögerungen rechnen, weil der Chef allein bedient. Seine Mitarbeiter sollen Kunden ansprechen und mit Handzetteln über die wirtschaftliche Lage der Apotheken informieren. Mit einer parallelen Anzeigenkampagne in regionalen und bundesweiten Zeitungen soll weitere Aufmerksamkeit erzeugt werden. Der saarländische Apothekerverein will es nicht unbedingt bei dem einen Aktionstag belassen und hat deshalb bereits mögliche weitere Aktionen an den Folgetagen angekündigt.
Proteste könnte es bald auch in Westfalen-Lippe geben. Dort haben sich nach Angaben des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe viele Apothekeninhaber in der vergangenen Woche für einen Streik ausgesprochen. Von den rund 1800 Mitgliedern antworteten 962 Apotheken, dabei sprachen sich 650 Betriebe dafür aus, ganztägig oder stundenweise die Offizintüren zu schließen. Einige wollen allerdings nur unter dem Vorbehalt streiken, dass die Patientenversorgung aufrechterhalten bleibt und die Apotheken im Umkreis mitmachen. 58 Prozent der Umfrageteilnehmer würden sich zudem an Demonstrationen beteiligen.
Niedersachsen gegen Streik: Kammerpräsidentin Magdalene Linz und Verbandschef Heinz-Günter Wolf setzen auf Zusammenarbeit mit der Landesregierung.
Foto: PZ/Berg
Gleichzeitig laufen in vielen Bundesländern Abfragen zur Protestbereitschaft. Bei den Verbänden in Niedersachsen, Nordrhein und Bayern werden derzeit die Angaben der Mitglieder ausgewertet. Genaue Ergebnisse standen bei Redaktionsschluss noch nicht fest.
Bereits am vergangenen Freitag hatte der LAV Niedersachsen bei seinen Mitgliedsapotheken eine Protestabfrage gestartet. »Bei dieser Abfrage haben wir vor dem Hintergrund der Unterstützung durch unsere Landesregierung großen Wert darauf gelegt, nur Protestformen abzufragen, die keinen Streikcharakter haben«, erläutert Verbands-Chef Heinz-Günter Wolf. Die Abfrage bei den Mitgliedsapotheken lief bis Dienstag dieser Woche.
Wir sind MehrWert
In der vergangenen Woche hatte der Verband gemeinsam mit dem Landesapothekerverband Sachsen-Anhalt eine große Postkarten-Protestaktion unter dem Motto »Wir sind MehrWert! – Weniger als 3 Cent Anpassung pro Jahr sind ein schlechter Witz« gestartet. Alle Mitgliedsapotheken der genannten Verbände wurden aufgerufen, mit einer Postkarte Abgeordnete auf die Folgen der geringen Honoraranpassung hinzuweisen.
Die Apothekerkammer Niedersachsen sammelt in diesen Tagen Unterschriften für eine angemessene Honorierung. In einem Schreiben an alle niedersächsischen Apotheker fordert Kammerpräsidentin Magdalene Linz ihre Apothekenleiter und -mitarbeiter dazu auf, einen von der Kammer verfassten »Appell für eine angemessene Honorierung« zu unterschreiben. Am Monatsende will Linz die Unterschriften Ministerpräsident David McAllister übergeben. Parallel dazu werden weitere an Patienten gerichtete Aktionen für diesen Tag vorbereitet. Das genaue Datum wird rechtzeitig bekannt gegeben. Linz fordert die Apotheken auch dazu auf, an diesem Tag eigene Aktionen zu starten.
Auch nach sechs Jahren sind die Plakate von 2006 noch aktuell und könnten bei den regionalen Protesten erneut eingesetzt werden.
Foto: PZ/Wolf
Eine ähnliche Aktion läuft in dieser Woche in Nordrhein-Westfalen. Die Apothekerkammern und Apothekerverbände in Nordrhein-Westfalen sammeln Unterschriften für eine gerechte Honorierung. An der Aktion sollen sich möglichst viele der insgesamt 4600 Apotheken-Teams im bevölkerungsreichsten Bundesland beteiligen. Die Unterschriften sollen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Gesundheitsministerin Barbara Steffens überreicht werden. Man wisse, wie wichtig der NRW-Landesregierung eine quartiernahe Arzneimittelversorgung der Patienten sei.
»Wir erfüllen mit der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung einen gesetzlichen Auftrag, den wir auch weiterhin erfüllen möchten. Hierzu gehört eine angemessene politische Wertschätzung und angemessene finanzielle Honorierung«, heißt es in dem Aufruf an die Landesregierung. Unterzeichner sind die Verbandsvorsitzenden Dr. Klaus Michels und Thomas Preis sowie die Kammerpräsidenten Gabriele Regina Overwiening und Lutz Engelen.
Bei der ABDA will man die regionalen Aktionen der Landesorganisationen mit allen Kräften unterstützen. Nach einer ausführlichen Diskussion im ABDA-Gesamtvorstand am 5. September zeigte die Mehrheit der Kammerpräsidenten und Verbandsvorsitzenden viel Sympathie für regionale Aktionen. Die ABDA wird darüber hinaus den Apotheken ein Aktionspaket mit Plakaten zur Verfügung stellen. Auch wurde eine Unterschriftenaktion diskutiert, die ebenfalls regional stattfinden soll.
ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf hält Vielfalt für die richtige Strategie: »Wir setzen auf viele regionale Protestaktionen, weil auf diesem Weg mehr Apotheker die Möglichkeit haben, daran teilzunehmen, als an einer zentralen Veranstaltung«, so Wolf. Zudem seien die Apotheken in den Ländern sehr unterschiedlich betroffen. So gebe es bei der Zahl der Apothekenschließungen deutliche Unterschiede. Dies könne in regionalen Protesten besser berücksichtigt werden. Eine einzelne, große Demonstration wirke auch nicht so wie viele mittelgroße Aktionen.
Die größte mediale Aufmerksamkeit erwartet die ABDA für den Deutschen Apothekertag im Oktober in München. Dort soll die Gelegenheit genutzt werden, regionale und überregionale Medien über die unbefriedigende Honorarsituation informieren.
Gespräche gehen weiter
Parallel zu dem Protest will die ABDA den Dialog mit der Bundesregierung fortsetzen. Wolf: »Die Gespräche sind noch nicht beendet. In den nächsten Tagen werden wir uns noch einmal mit Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler treffen.« Über den Ausgang dieses Gesprächs könne man aber nur spekulieren. Wolf: »Wir sehen es als unsere Aufgabe an, die Gelegenheit zum Dialog zu nutzen. Wenn das Gespräch kein Ergebnis hat und die Verordnung in ihrer jetzigen Form kommt, werden auch wir wie unsere Kollegen aus der Ärzteschaft der Politik einen heißen Herbst bereiten.« Neun Jahre ohne Inflationsausgleich bei steigenden Löhnen könne keine Apotheke einfach verkraften. /