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Praxisärzte

800 Millionen Euro mehr

03.09.2014  09:49 Uhr

Von Stephanie Schersch / Im kommenden Jahr steigt das Honorar für niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten um rund 800 Millionen Euro. Darauf haben sich Mediziner und Krankenkassen vergangene Woche geeinigt. Nicht alle Ärzte sind mit diesem Ergebnis einverstanden.

Am Ende ging es überraschend schnell. Nur wenige Stunden nachdem Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband die zweite Runde ihrer Honorarverhandlungen eingeläutet hatten, konnten beide Seiten eine Einigung verkünden.

 

Dabei hatte es nach dem Auftakt der Gespräche Mitte August zunächst so ausgesehen, als müssten Ärzte und Krankenkassen noch lange um einen Kompromiss ringen, zu weit lagen die Forderungen beider Seiten auseinander. So hatte KBV-Chef Andreas Gassen stolze 5 Milliarden Euro Fehlbetrag bei niedergelassenen Ärzten ausgemacht. Die Kassen waren hingegen der Ansicht gewesen, bereits heute würden Mediziner recht ordentlich verdienen.

 

Mehr Geld für Hausbesuche

 

Nun erhalten die Ärzte im kommenden Jahr 800 Millionen Euro mehr Geld. 132 Millionen Euro werden dabei gezielt in die fachärztliche Versorgung fließen. Die Pauschalen für diese Leistungen sollen entsprechend steigen. Eine besondere Förderung gibt es zudem für Hausärzte. Sie erhalten 132 Millionen Euro für die Anstellung sogenannter qualifizierter nichtärztlicher Praxisassistenten und für Hausbesuche. Die restlichen 536 Millionen Euro verteilen sich auf alle niedergelassenen Ärzte. Dafür steigt der sogenannte Orientierungswert zum 1. Januar um 1,4 Prozent auf dann 10,27 Cent.

 

Die Vergütung der Mediziner erfolgt in Deutschland über einen recht komplizierten Schlüssel. Alle Leistungen werden im sogenannten Einheitlichen Bewertungsmaßstab – kurz EBM – mit einer Punktzahl versehen. Die Werte bestimmen das Verhältnis der Leistungen untereinander. Für eine Behandlung mit 100 Punkten etwa erhält der Arzt doppelt so viel Geld wie für eine mit 50 Punkten bewertete Leistung. Wie hoch die Vergütung für eine Behandlung letztlich ausfällt, hängt vom Orientierungswert ab. Mit ihm werden die entsprechenden Punktwerte multipliziert.

 

Die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, nannte das Verhandlungsergebnis »gerade noch vertretbar« für die Krankenkassen. »Besonders freue ich mich darüber, dass es neben der allgemeinen Honorarerhöhung eine Förderung der für viele kranke Menschen so wichtigen Hausbesuche gibt«, so Pfeiffer. Auch KBV-Chef Gassen lobte die Einigung. Die gezielte Unterstützung für Fach- und Hausärzte bezeichnete er als »Einstieg in feste Preise«.

 

So viel Positives kann der NAV-Nirchow-Bund dem Kompromiss nicht abringen. Die Anhebung des Orientierungswerts gleiche nicht einmal die Inflationsrate aus, sagte der Verbandsvorsitzende Dirk Heinrich. »Keines der von der KBV gesteckten Ziele ist erreicht worden.« Die Verhandlungen reichten offenbar nicht aus, um die Forderungen der Ärzteschaft durchzusetzen. Daher müsse man nun den Widerstand der Praxisverbände organisieren, »um grundlegende Veränderungen in der Honorarpolitik zu erzwingen«, so Heinrich.

 

Regionale Gespräche

 

Das auf Bundesebene vereinbarte Vergütungsplus bildet nun die Grundlage für die konkreten Honorarverhandlungen in den einzelnen Regionen. Dort müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen ran und mit den Krankenkassen vor Ort bis Ende Oktober das Honorar der Ärzte in den jeweiligen Ländern aushandeln. Die Bundesvorgaben gelten dabei als Richtschnur, darüber hi­naus sollen aber auch regionale Besonderheiten wie die Altersstruktur der Bevölkerung berücksichtigt werden. /

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