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Hauptsache billig

31.08.2016  09:35 Uhr

Wer sich im Internet beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut umsieht, der könnte vermuten, er befinde sich auf der Website der Arzneimittelbehörde eines Schwellen­landes. Die beachtliche Auflistung von nicht verfügbaren Arzneimitteln und Impfstoffen lässt nicht zwingend auf ein Land mit einer gut funk­tionierenden Arzneimittelversorgung schließen. Dabei sind die von den Behörden ins Netz gestellten Listen mit Lieferausfällen nicht einmal vollständig. Einige Hersteller lassen sich Zeit, Defekte zu melden. Bemerkenswert ist dabei, dass dies nur wenige Gesundheitspolitiker stört. Solange Arzneimittel billig bleiben, ist alles andere egal. Lediglich Die Linke hat das Thema auf ihrer Tagesordnung (lesen Sie dazu auch Gesundheitspolitik: Dauerbrenner Lieferengpässe). Der Rest zuckt nur kurz und geht dann wieder zum Tagesgeschäft über.

 

Dabei drohen auch von anderer Seite Probleme. Andreas ­Biermann von der Dekra sieht Schwachstellen in der Arzneimittellogistik. Viele Medika­mente werden heute zum Dumpingpreis in Asien, Osteuropa oder Südamerika hergestellt. Die Konsequenz sind weite Transportwege, häu­figeres Umladen, mehr Zollkontrollen. Je mehr Personen am Prozess beteiligt sind, desto größer ist das Risiko, dass temperatursensible Produkte verderben oder Kriminelle auf langen Transportwegen Fälschungen einschmuggeln (lesen Sie dazu auch Arzneimittellogistik: Eine Reise voller Risiken). Dass diese Risiken in der Arzneimittel­versorgung die Politik beeindrucken, ist zweifelhaft.

 

Die ABDA setzt sich seit Jahren ebenso vehement wie erfolglos dafür ein, dass Rabattverträge nicht exklusiv an einen Lieferanten vergeben werden dürfen. Exklusivverträge sind zwar finanziell attraktiv, bergen aber die Gefahr von Lieferengpässen, wenn der Lieferant ausfällt. Vielen Ortskrankenkassen scheint dies egal zu sein. Da spielt es auch keine Rolle, wenn es sich, wie in einer aktuellen Ausschreibung, um so sensible Medikamente wie Zytostatika handelt – Hauptsache, sie sind billig.

 

Wenn sich heute selbst die Deutsche Kranken­hausgesellschaft darüber beklagt, dass dringend benötigte Medikamente ohne Therapiealternative nicht verfügbar sind, dann endet hier die Fantasie, was noch passieren muss, damit wir zugunsten einer stabileren Versorgung vom Dogma der Preisminimierung abrücken.

 

Daniel Rücker

Chefredakteur

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