Pharmazeutische Zeitung online

Es reicht!

23.08.2011  15:20 Uhr

Das Bundesgesundheitsministerium hat Recht, wenn es im Zusammenhang mit der Metoprololsuccinat-Posse verlauten lässt, Apotheker sollten sich an das Gesetz halten. Auch wenn Rabattarzneimittel abgegeben werden müssen, die nicht verfügbar sind, rechtfertigt das keine Verstöße. Viele Kolleginnen und Kollegen haben nachlässig agiert – mit schlechter Außenwirkung. Doch das ist nur ein kleiner Teil der Geschichte.

 

Wie kam es denn zu diesem Durcheinander? Man könnte versucht sein anzunehmen, die AOK habe die über die unsäglichen Rabattverträge verärgerten Apotheker einem ultimativen Eskalationstest unterziehen wollen, indem sie einen Rabattvertrag mit einem Anbieter über ein Produkt in Kraft setzte, das es gar nicht gibt.

 

In Zeiten, in denen noch keine Rabattverträge in Freimaurer-Manier ausgehandelt wurden und Pragmatismus noch kein Widerspruch zur Arzneiversorgung war, wäre es einfach gewesen: Die Patienten hätten ein wirkstoffgleiches Präparat eines anderen Herstellers erhalten. Heute jedoch sind Rabattverträge ein regulatorisches Korsett ohne Freiheitsgrade für Apotheker. Im pharmazeutischen Alltag wird aus der klar definierten fachgerechten Versorgung eines Patienten mit einem verordneten Medikament ein mit Bürokratie überladener Verwaltungsakt. Bei Metoprololsuccinat von Betapharm gilt das für jede Verordnung. Absurd!

 

Wäre es nach dieser Groteske nicht angebracht, sich an den eigentlichen Sinn des Systems zu erinnern: Die Versorgung der Menschen mit Arzneimitteln – schnell, kompetent und unkompliziert? Wäre es nicht gut, einen Neuanfang zu wagen und ideologiefrei über Möglichkeiten nachzudenken, die die Interessen aller bedienen – vor allem die der Patienten?

 

Das muss möglich sein! Ansonsten droht dem System der sicheren Patientenversorgung mit Arzneimitteln der Kollaps. Es ist heute schon ausgereizt. Die Folgen: Firmen fürchten »systematischen Betrug«, wenn sie Rabatte gewähren müssen für Arzneimittel, die sie vielleicht gar nicht verkauft haben. Der Großhandel als logistisches Fundament einer zeitnahen Arzneimittelversorgung wird durch Zwangsmaßnahmen an den Rand des Ruins getrieben. Die Apothekerschaft verkommt immer mehr zur Verwaltungsinstanz. Sie muss an verunsicherte Patienten kommunizieren, was Firmen und Kassen geheim aushandeln. Dabei müssen die Apotheker sogar damit rechnen, pauschal kriminalisiert zu werden, wenn sie selbst unter erschwerten Bedingungen wie bei Metoprololsuccinat eine professionelle Versorgung der Gesellschaft mit Arzneimitteln sicherstellen.

 

Professor Dr. Theo Dingermann

Mitglied der Chefredaktion

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