Entgleistes Abwehrsystem |
22.08.2011 07:29 Uhr |
Von Maria Trenkamp / Traditionell fand sich in der letzten Vorlesungswoche des Semesters wieder ein großes Fachpublikum an der Goethe-Universität, Frankfurt am Main, ein. Der Anlass war das Fertigarzneimittelseminar des Abschlusssemesters Pharmazie, bei dem sich dieses Mal alles um das Thema Autoimmunerkrankungen drehte.
Sollten die äußerst komplexen Abläufe und Funktionen der einzelnen Komponenten des Immunsystems den Pharmaziestudenten noch aus Vorlesungen der jüngeren Vergangenheit bekannt sein, so mögen dem ein oder anderen Praktiker oder unaufmerksamen Studenten einige Details im Laufe der Jahre verloren gegangen sein. Da aber gerade die Kenntnis der Details immens wichtig für das Verständnis von Autoimmunerkrankungen ist, hat sich die Gruppe um Julian Thinnes in ihrem Einführungsvortrag dieser Problematik angenommen. In einer anschaulichen Präsentation wurde das Immunsystem noch einmal von allen Seiten beleuchtet, sodass dem Einstieg in die eigentliche Thematik der Autoimmunerkrankungen nichts mehr im Wege stand.
Rund 60 Autoimmunerkrankungen kennt man bereits, darunter der Typ-1-Diabetes. Auch die US-Schauspielerin und Oscar-Preisträgerin Halle Berry ist daran erkrankt.
Foto: Imago/PicturePerfect
Mehr als 60 Krankheitsbilder sind bekannt, darunter berühmte Vertreter wie Typ-1-Diabetes oder die rheumatoide Arthritis, aber auch Unbekanntes wie der Morbus Wegener mit einer Inzidenz von nur fünf bis sieben Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner. Autoimmunerkrankungen können sowohl einzelne Organe als auch den ganzen Körper befallen. Die Pathogenese ist ein multifaktorielles Geschehen. Als Ursachen seien an dieser Stelle beispielhaft Infektionen, Verlust der Immuntoleranz, Medikamente sowie genetische Prädisposition genannt.
Trotz ihrer Vielfältigkeit weisen Autoimmunerkrankungen jedoch auch Gemeinsamkeiten auf: In jüngster Vergangenheit konnte ein Zusammenhang mit dem Auftreten von TH17-Zellen, einer Subpopulation der T-Zellen, beobachtet werden. Diskutiert werden ebenfalls Unterschiede in der Oberflächenstruktur von antigenpräsentierenden Zellen sowie der Beschaffenheit von IgG-Antikörpern, wusste Heidi Kotrba zu berichten.
Der offensichtlichste gemeinsame Nenner ist aber das durch eine permanent überschießende Immunantwort ausgelöste chronische Entzündungsgeschehen, das der Behandlung bedarf. Die Therapieansätze sind hierbei ebenso vielfältig wie die Erscheinungsformen: das Spektrum reicht von reiner Substitution fehlender Hormone (zum Beispiel Insulin), über die exotisch anmutende Gabe von Eiern des Schweinepeitschenwurms bis hin zum Einsatz der etablierten nicht-steroidalen Antiphlogistika und Immunsuppressiva. Den in den vergangenen Jahren vielfach diskutierten Biologicals sowie den Corticoiden wurden im weiteren Verlauf sogar eigene Vorträge gewidmet.
Das achte Semester Pharmazie der Uni Frankfurt hat anlässlich des Fertigarzneimittelseminars Vorträge rund um das Thema Autoimmunerkrankungen ausgearbeitet.
Foto: Pharmazie Uni Frankfurt
In der zweiten Hälfte der Veranstaltung standen ausgewählte Krankheitsbilder im Vordergrund. Marcus Unger präsentierte zum Beispiel einen Vortrag zur Multiplen Sklerose. In den vergangenen Jahren stand die Forschung an dieser Erkrankung und deren medikamentöser Therapie im Fokus vieler Pharmaunternehmen. So kam im ersten Quartal 2011 der Wirkstoff Fingolimod auf den Markt. Standen bisher nur parenteral applizierbare Wirkstoffe für die MS-Therapie zur Verfügung, kann dieser Wirkstoff nun oral appliziert werden. Auch zukünftig sind weitere Fortschritte in der Therapie zu er- warten.
Weitere Vorträge beschäftigten sich mit den Themen rheumatoide Arthritis, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sowie den Schilddrüsenleiden. Auch das Thema Lupus Erythematodes stand auf dem Programm. Rouzbeh Chagizi analysierte systemischen, kutanen und medikamenten-induzierten Lupus. Hervorzuheben ist, dass es sich beim medikamenten-induzierten Lupus um den einzigen reversiblen Autoimmunprozess handelt.
Lupus kann weiterhin Auslöser einer Glomerulonephritis sein. Doch sind die Ursachen für dieses die Nieren betreffendes Krankheitsbild bei Weitem nicht nur auf den Lupus zu reduzieren, sondern zum Beispiel auf den eingangs erwähnten Morbus Wegener, referierte Anna Schübler und bildete damit den Abschluss des Vortragsprogrammes.
Auch im Wintersemester 2011/12 wird wieder ein von der Kammer mit acht Fortbildungspunkten anerkanntes Fertigarzneimittelseminar stattfinden. Mit dem 8. Februar 2012 steht bereits ein Termin fest, das Thema ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen, kann aber ab November 2011 auf der Homepage www.fertigarzneimittelseminar.com eingesehen werden. /
Was würde eine Tageskarte für das Fertigarzneimittelseminar kosten, versuchte man investierte Zeit, Arbeit, Kraft, Schweiß und Herzblut in Geld umzurechnen? Eine konkrete Zahl kann man hier wohl nicht nennen, aber eines mit Sicherheit sagen: Billig wäre sie nicht!
Die von den Apothekern in spe über weite Strecken mit professioneller Leichtigkeit vorgetragenen Beiträge mögen den Eindruck erweckt haben, dass der Tag für die Studenten eine ihrer leichtesten Übungen darstellt – aber weit gefehlt.
Für die zwölf Kleingruppen standen bereits Monate im Voraus wöchentlich mehrere Treffen innerhalb der Gruppe sowie mit dem Betreuer auf dem Programm, die sehr eng bemessene Abgabefrist für die Texte dabei ständig im Nacken. Nach dem Überwinden dieser ersten Hürde gab es nur eine kurze Verschnaufpause. Auch die Präsentationen mussten erstellt und vorbereitet werden.
Wie vielseitig eine vermeintlich einheitliche Formatvorlage interpretiert werden kann und wie lange es dauert, solche Interpretationen zu einem runden Gesamtwerk zusammenzufügen, zeigte sich erst nach Abgabe der Einzeltexte. Doch das war nur eine der vielen Sorgen mit denen sich das Organisationsteam plagte. Wie bezahlen wir das alles? Wo finden wir geeignete Unterstützer? Hauptsponsor war Phoenix Pharmagroßhandel aus Hanau. Unterstützt wurde die Veranstaltung auch von der Immundiagnostik AG mit ihrer Tochtergesellschaft Preventis GmbH.
Unter den geschilderten Bedingungen lagen die Nerven aller Beteiligten blank, Reibereien innerhalb der Gruppe waren keine Seltenheit und auch die eine oder andere Träne ist geflossen. Umso schöner war es, in der heißen Phase festzustellen, dass doch alle an einem Strang ziehen. Betreuer, Kleingruppen und Organisationsteam haben zusammen Schwächen, die sich in den Proben zeigten, ausgemerzt, sodass wir rückblickend mit Stolz sagen können: das Gesamtprodukt konnte sich sehen lassen.
Über den fiktiven monetären Wert einer Tageskarte für das Fertigarzneimittelseminar wurde bereits eingangs sinniert. Wie verhält es sich nun aber mit dem Lehr- und Erfahrungswert für die teilnehmenden Studenten? Unbezahlbar!