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Generika

Sparen bei HIV- und HBV-Therapie

01.08.2017  15:40 Uhr

Von Hannelore Gießen, München / Nukleotid- und Nukleosid­analoga bilden die Grundlage der HIV- und Hepatitis-B (HBV)- Therapie. Jetzt ist der Wirkstoff Tenofovirdisoproxil (TDF) sowohl als Monosubstanz als auch in der Fixkombi mit Emtricitabin (FTC) generisch verfügbar. Das kann bei Hochpreisern Kosten sparen.

Auf das enorme Potenzial, über Generika bei hochpreisigen Medikamenten Kosten zu sparen, wies Johann Fischaleck von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) bei einer von Hexal organisierten Pressekonferenz in München hin. Das belegen auch neue Daten von Pro Generika: Generika und Bio­similars tragen 77 Prozent zum Gesamtvolumen aller verordneten Arzneimittel bei (bezogen auf durchschnittliche Tages­dosen), verursachen aber netto weniger als 10 Prozent der Arzneimittelausgaben in der Gesetzlichen Krankenversicherung.

 

Neue Quoten

 

Der Apotheker erläuterte, die KVB steuere die Verordnungen über drei flexible Instrumente: Generika, Leitsubstanzen und Rabattverträge. Dabei werden ­Generika- und Leitsubstanzquoten vereinbart und neue Quoten eingeführt, wenn Generika für Indikationen zur Verfügung stehen, die bisher der Steuerung nicht unterlagen. Aktuelle Beispiele: der Tyrosinkinaseinhibitor Ima­tinib in der Onkologie und die Wirkstoffe TDF und FTC in der Behandlung von HIV und HBV. Um Innovationen zu ermöglichen und das Gesundheitssystem bezahlbar zu halten, sei es notwendig, das Sparpotenzial über ­Generika auszuschöpfen, so Fischaleck.

 

Eine fixe Kombination aus Tenfovirdisoproxil mit Emtricitabin werde in 86 Prozent aller Erstlinientherapien bei HIV angewandt, informierte Professor Johannes Bogner von der Sektion Klinische Infektiologie des Klinikums der Ludwigs-Maximilian-Universität in München. Seit Kurzem ist mit Tenofovir­alafenamid (TAF) auch ein anderes Salz von Tenofovir auf dem Markt, das das Risiko unerwünschter Wirkungen auf die Nierenfunktion und die Knochendichte vermindern soll. Bogner zeigte jedoch anhand von Patienten­beispielen, dass die meisten Betroffenen mit dem nun generisch verfügbaren TDF gut versorgt sind und keine renalen Neben­wirkungen oder eine verminderte Knochendichte entwickelten. Andererseits seien unter TAF neue unerwünschte Wirkungen auf­getreten. Bogner rät zur Therapie mit dem bewährten TDF bei Patienten ohne erhöhtes Risiko für ­renale Komplikationen, bei Frauen im gebärfähigen Alter oder bei einer bereits bestehenden Schwangerschaft sowie bei kardiovaskulärem Risiko.

Umsatzstark

PZ / Die Behandlung von HIV-Infizierten ist ein Milliardengeschäft. Zuletzt wurde der weltweite Umsatz mit HIV-Medikamenten auf 20 Milliarden US-Dollar geschätzt (17 Milliarden Euro), von denen 12,8 Milliarden an Marktführer ­Gilead flossen (10,9 Milliarden Euro), berichtete kürzlich die französische Finanzzeitung »Les Echos«. Allein mit seinem Blockbuster-Präparat ­Viread® (Tenofovirdisoproxil) machte Gilead demnach 2016 rund eine halbe Milliarde US-Dollar Umsatz (425 Millionen Euro). /

Gleich gut wirksam

 

Eine Hepatitis-B-Infektion verläuft lange ohne Symptome. »Unbehandelt führt eine sie jedoch oft zu einer Leberzirrhose oder einem hepatozellulären Karzinom«, sagte Professor Heiner ­Wedemeyer von der Medizinischen Hochschule Hannover.

 

Eine chronische Hepatitis B spreche sehr gut auf Nukleotid- oder Nukleosidanaloga an. Bei nicht vorbehandelnden Patienten seien Entecavir und TDF sowie das seit April verfügbare TAF gleich gut wirksam, führte der Virologe weiter aus. Damit könne eine Leberentzündung oft verhindert und eine Leberzirrhose im Frühstadium sogar geheilt werden. Die europäische Lebergesellschaft EASL empfiehlt TDF für alle ­Patienten als Standardtherapie. Ausnahmen sind ältere Personen sowie ­Patienten mit Osteoporose oder Niereninsuffizienz. /

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