Ein Kaufmann, ein Färber und eine Erfolgsgeschichte |
30.07.2013 14:43 Uhr |
Von Ulrike Abel-Wanek / Am 1. August 1863 gründeten der Kaufmann Friedrich Bayer und der Färber Johann Friedrich Weskott eine offene Handelsgesellschaft unter dem Namen: »Friedr. Bayer et comp. Was als kleine Produktionsstätte von Anilinfarbstoffen im heutigen Wuppertal-Barmen begann, wuchs im Laufe der Jahre zu einem Weltkonzern an mit über 110 000 Mitarbeitern.
Friedrich Bayer stammte aus einer Familie aus Färbern, Tuchhändlern, Webern und Seidenwirkern. Seine Lehre absolvierte er in einer Barmer Chemikalienhandlung, und so lag es nahe, dass er mit Naturfarbstoffen und Hilfsprodukten für die Färberei 1848 seinen eigenen Handel begann – und er hatte Erfolg. 1860 besaß Bayer bereits beträchtlichen Grundbesitz. Seine Geschäftsverbindungen reichten in viele Städte Deutschlands, aber auch nach Brüssel, Amsterdam, Bradford in England, und sogar nach New York und St. Petersburg.
Friedrich Weskott betrieb eine kleine BaumwoIIstrang-Färberei in Barmen. Seine Vorfahren hatten schon immer in der Gegend gelebt und gehörten zu den ältesten eingesessenen Familien. 1849, ein Jahr später als Bayer, machte er sich selbstständig.
Wunderpille auf Werbefahrt: Kaum ein anderes synthetisches Arzneimittel ist so bekannt und weit verbreitet wie Aspirin.
Friedrich Bayers chemische Kenntnisse waren begrenzt, aber seine Fantasie war groß genug, sich vorzustellen, dass die Anilinfarben, die durch den britischen Chemiker William Henry Perkins bekannt geworden waren, eine Zukunft versprachen. Schon hatten auch außerhalb Englands, in Frankreich und in der Schweiz, Firmen ihre Produktion aufgenommen. Bayer verschaffte sich Proben und ging damit zu seinen Kunden, die zunächst nur über den neumodischen Kram lachten.
Weskott, mit dem er an manchem Abend im Barmer »Hotel zur Pfalz« beim Wein zusammensaß, lachte nicht. Die beiden schmiedeten Pläne und versuchten, selbst künstliche Farbstoffe herzustellen. Ihre »Laboratorien« und »Produktionsstätten« waren die Familienküchen. Auf dem Herd, bei Bayer oder bei Weskott, rührten, kochten und schmolzen sie in Tontöpfen ihre Chemikalien. Nach einem halben Jahr hatten sie herausgefunden, wie man Fuchsin herstellt. Diesen Teerfarbstoff, benannt nach den blauroten Blüten der Fuchsie, hatte Emanuel Verguin produziert, nachdem zuvor schon Friedlieb Ferdinand Runge und August Wilhelm Hofmann seine Bildung beobachtet und beschrieben hatten.
Am 17. Juli 1863 beendete Bayer ein Schreiben an einen Geschäftsfreund in den Vereinigten Staaten: »Ihre nächste Nachricht an mich wollen Sie bitte an die Firma Friedr. Bayer & Co. richten.« Vierzehn Tage später war diese Firma offiziell gegründet. Stammhaus wurde das an das Wohnhaus anschließende Farbenlager Bayers in der Heckinghauser Straße in Barmen-Rittershausen.
Bayer produzierte zunächst synthetische Farbstoffe, bis 1888 mit dem fiebersenkenden Phenacetin auch das erste Pharmaprodukt auf den Markt kam und die zunehmend erfolgreiche Pharma-Sparte begründete. Elf Jahre später wird das Schmerzmittel Aspirin unter der Nummer 36433 in die Warenzeichenrolle des Kaiserlichen Patentamtes in Berlin aufgenommen. Kein anderes Produkt hat den Namen Bayer bis in den letzten Winkel der Welt so bekannt gemacht.
Nach dem Tod von Friedrich Bayer 1880 – dreieinhalb Jahre nach Friedrich Weskott, beide wurden nur 55 Jahre alt – wurde die Firma 1881 mit einem Grundkapital von 5,4 Millionen Mark in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Danach entwickelte sie sich zu einem international tätigen Chemieunternehmen, das seinen Hauptsitz im Zuge der Expansion 1912 nach Leverkusen verlegte.
Bilanz der ersten 50 Jahre: 1913 war Bayer das drittgrößte deutsche Chemieunternehmen – mit 10 600 Mitarbeitern, davon 7900 in Leverkusen. Die Firma hielt 8000 in- und ausländische Patente und verfügte über fünf Tochtergesellschaften im Ausland.
Der Erste Weltkrieg beendete zunächst das Wachstum. Eine Industrie, die den größten Teil ihrer Produkte ins Ausland schickte, darunter mehr als 50 Prozent ins sogenannte feindliche Ausland, verlor ihre Exportmärkte. Bayer wurde in die Kriegswirtschaft integriert und produzierte unter anderem Substanzen für Giftgas und Sprengstoff. Der Anteil der Kriegslieferung am Gesamtumsatz stieg von 0,29 Prozent 1914 auf 73,5 Prozent 1916.
Siegeszug der Sulfonamide
Nach dem Ersten Weltkrieg ging es mit der chemischen Industrie langsam wieder aufwärts, auch in der Arzneimittelforschung. Medikamente wie das 1923 zugelassene »Germanin« besiegten die Schlafkrankheit in den Tropen, mit dem späteren Medizin-Nobelpreisträger (1939) Professor Gerhard Domagk begann der Siegeszug der Sulfonamide.
Bereits 1925 war der Konzern in der I.G. Farbenindustrie AG aufgegangen. Die Branche war während des Zweiten Weltkriegs unter den Nazis wiederum Zulieferer für Rüstungsindustrie und chemische Kampfstoffe. Mit Blick auf die Produktionsziele wurden Tausende Zwangsarbeiter vepflichtet. 4300 waren es im Herbst 1944 im I.G.-Werk Leverkusen.
Leiser Riese: Ein Luftschiff fliegt als Jubiläums-Botschafter rund um den Globus.
Als »Farbenfabriken Bayer AG« wird der Konzern 1951 neu gegründet und die Pharmaforschung weiter ausgebaut. Mit Canesten kommt 1973 erstmals ein Pilzmittel mit breitem Wirkspektrum auf den Markt, Adalat eröffnet der Herz-Kreislauf-Medizin 1975 neue Möglichkeiten. Meilensteine in der Antibiotika-Therapie wurden 1977 die Acylureido-Penicilline und 1987 das vollsynthetische Ciprofloxacin. Das Tempo der Veränderungen nimmt nach dem »halbrunden« 125. Jubiläum im Jahr 1988 noch einmal deutlich zu. Bayer konzentriert sich auf seine Kernaktivitäten und trennt sich 1999 zunächst von seiner Tochter Agfa und 2005 von wesentlichen Teilen des klassischen Chemiegeschäfts. Parallel werden die sogenannten Life-Science-Bereiche Gesundheit und Agrarwirtschaft ausgebaut, vor allem mit der Akquisition von Aventis CropScience (2001) und Schering (2006). Heute liegen die Forschungsschwerpunkte im Pharmageschäft von Bayer HealthCare in den Gebieten Kardiologie und Hämatologie, Onkologie, Frauengesundheit und diagnostische Bildgebung. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ist das Agrargeschäft. Bayer-Produkte stecken aber auch in vielen Bereichen des Alltags: Schaumstoffe in Matratzen und Polstermöbeln werden von dem Chemie-Riesen ebenso produziert wie Autolacke, der für CDs und DVDs verwendete Kunststoff Makrolon oder die Oberflächenbeschichtung von Fußbällen.
Jubiläumsfest der Superlative
Um den Namen Bayer weltweit noch bekannter zu machen, hat sich das Unternehmen zum Jubiläum einiges einfallen lassen. Beispielsweise geht der Konzern in die Luft: mit einem 41 Meter langen blau-grünen Luftschiff, das als Markenbotschafter um den Globus fliegt. Luftfahrtfans können die Weltreise auf der Internetseite www.150.bayer.de und auf dem Bayer Facebook Account verfolgen. Um die Welt tourt auch eine interaktive Wissenschaftsausstellung, die die Leistungen des Unternehmens dokumentiert. Während es bei vielen Ausstellungen »Bitte nicht berühren« heißt, gilt hier das Gegenteil: Objekte wie ein Mikroskop oder eine Wärmebildkamera sowie digitale Spiele laden zum Anfassen und Ausprobieren ein. Das Ausstellungskonzept verknüpft spielerische und informative Elemente, um eine interaktive Auseinandersetzung mit den Exponaten zu ermöglichen. Die Schau befindet sich seit März auf Weltreise durch Europa, Nord- und Südamerika, Asien, Afrika und Australien. In Deutschland ist sie an großen Bayer-Standorten wie Leverkusen, Krefeld-Uerdingen, Monheim, Bitterfeld sowie in Berlin und Köln zu sehen. Außerdem wird Anfang September auf der größten Wissenschaftsveranstaltung der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) eine ganze Vortragsreihe der Innovationskraft von Bayer gewidmet sein. /
Andere lachten über den sogenannten neumodischen Kram wie Anilinfarben, Friedrich Bayer (1825-1880, links) und Friedrich Weskott (1821-1876) nicht: Sie legten 1863 mit der Prduktion von synthetischen Farbstoffen den Grundstein für den Weltkonzern Bayer.
Fotos: Bayer AG