Arzneimittelreserve für Bayern |
18.07.2018 10:29 Uhr |
Von Stephanie Schersch / Die wohnortnahe Gesundheitsversorgung ist ein wichtiges Thema im Flächenstaat Bayern. Das macht auch ein Blick in die Parteiprogramme zur Landtagswahl am 14. Oktober deutlich. Die FDP möchte sogar eine bayerische Arzneimittelreserve einführen, um die Versorgung vor Ort zu sichern.
Die SPD möchte Apotheken ebenso wie Ärzte »auf dem Land erhalten«. Zu einer guten und flächendeckenden Gesundheitsversorgung gehören aus ihrer Sicht neben Haus- und Fachärzten auch »die Versorgung mit Arzneimitteln, eine wohnortnahe Geburtshilfe und eine verlässliche Hebammenversorgung«.
In Bayern gibt es viele ländliche Regionen. Dort ist es nicht immer leicht, eine flächendeckende Gesundheitsversorgung sicherzustellen.
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In der medizinischen Bedarfsplanung sollen regionale Faktoren daher künftig mehr Berücksichtigung finden.
Wie in Hamburg möchten die Sozialdemokraten Beamten in Bayern ermöglichen, zwischen Privater und Gesetzlicher Krankenversicherung zu wählen. Das soll über eine Neugestaltung der Beihilferegelung gelingen. Darüber hinaus fordern sie ein sogenanntes Gesamtkonzept integrierte Gesundheitsversorgung. Dabei soll es im Kern um die sektorübergreifende Zusammenarbeit und den Ausbau telemedizinischer Leistungen gehen.
Für alle stationären Einrichtungen möchte die SPD verbindliche Personalvorgaben verankern. »Damit begegnen wir der zunehmenden Arbeitsbelastung der Pflegekräfte und der Arbeitsverdichtung«, heißt es im Wahlprogramm. Die Apotheker könnte ein weiteres Versprechen der Partei aufhorchen lassen. »Wir wollen eine kostenfreie Ausbildung für alle Gesundheitsfachberufe«, schreibt sie. Zu diesen Berufsgruppen zählen auch pharmazeutisch-technische Assistenten, die bislang einen erheblichen Teil ihrer Ausbildung selbst zahlen müssen.
Im bayerischen Landtag sind derzeit auch die Freien Wähler vertreten. Sie stellen sich grundsätzlich hinter die Freien Berufe. Diese seien »eine wichtige Säule unserer Gesellschaft«, wie es im Wahlprogramm der Partei heißt.
Allerdings stelle die EU die Zugangsvoraussetzungen für Freiberufler immer wieder infrage. »Diesen Bestrebungen treten wir entschieden entgegen.« So will die Partei eine Entbürokratisierungsoffensive starten, die Unabhängigkeit der Freien Berufe sichern und das »Fremdkapitalverbot beibehalten«.
Auch die Freien Wähler wollen Apotheken ebenso wie Kliniken, Ärzte und Pflegeeinrichtungen wohnortnah sichern. Die Schließung und Privatisierung von Krankenhäusern lehnen sie ab. »Dazu müssen wir die Finanzierung der Einrichtungen und die Bedingungen für das Personal verbessern.« Um mehr junge Mediziner aufs Land zu locken, will die Partei das Landarztstipendium für Studierende deutlich aufstocken. Auch den Numerus Clausus im Medizinstudium will sie »grundlegend reformieren«. Zudem soll sich die Bezahlung der Ärzte stärker an der Leistung orientieren, Fallpauschalen sind aus Sicht der Freien Wähler der falsche Weg.
Auch die Grünen versprechen: »Wir schaffen das Schulgeld für alle Heilberufe ab und fordern eine ordentliche Ausbildungsvergütung.« Apotheken finden in ihrem Wahlprogramm nur ein einziges Mal Erwähnung, in einem Kapitel, das sich mit den Lebensverhältnissen in der Stadt und auf dem Land befasst. Darin fordert die Partei neben genügend Haus- und Fachärzten »ausreichend Apotheken, eine dezentrale Geburtshilfe sowie eine schnell erreichbare stationäre Grundversorgung«.
Mehr Gemeinschaftspraxen und Netzwerke sollen dabei zusammen mit Niederlassungsanreizen helfen, die Arbeitsbedingungen für junge Ärzte attraktiver und vor allem familienfreundlicher zu gestalten. Auch die Bedarfsplanung wollen die Grünen reformieren. In eine realistische und vorausschauende Planung müssten die tatsächlichen Praxisöffnungszeiten sowie das Alter der Ärzte einfließen, heißt es. Die Kommunen sollen dabei grundsätzlich mehr Einfluss auf das Gesundheitsangebot vor Ort nehmen können als bislang.
Für die Klinikversorgung plant die Partei »eine verbindliche Maximalentfernung der Krankenhäuser zu den Patienten«. Langfristig wollen die Grünen die Trennung zwischen stationärer und ambulanter Versorgung aufheben. In einem ersten Schritt schlägt die Partei vor, eine gemeinsame Planung für die Notfallversorgung in beiden Sektoren auf den Weg zu bringen.
Die FDP sorgt sich offenbar um die flächendeckende Arzneimittelversorgung in Bayern. Aus ihrer Sicht ist der Aufbau einer bayerischen Arzneimittelreserve erforderlich, um die »Versorgung und Beratung vor Ort« zu sichern, wie es heißt. Zudem benötige Bayern »Notfallkonzepte für die Medikamentenversorgung außerhalb der Geschäftszeiten«.
Dabei verweisen die Liberalen auf Lieferengpässe und Vorhalteprobleme, die die Gesundheit der Patienten in Gefahr bringen könnten. »Die zeit- und ortsnahe Versorgung mit Medikamenten muss in professioneller Form gewährleistet sein«, heißt es weiter. Wie es scheint, hat sie dabei auch die Versandapotheken im Sinn, denn gleich im nächsten Satz schreibt die Partei: »Wir setzten uns für Rahmenbedingungen ein, die Patientenschutz und einen fairen Wettbewerb zwischen Vor-Ort-Apotheken und dem Versandhandel ermöglichen.«
In der medizinischen Versorgung möchte die FDP Bedarfsplanung und Budgetierung auf den Prüfstand stellen, »denn zentrale Regelungen zur Versorgung scheitern in Bayern häufig aufgrund regionaler Strukturbesonderheiten«. Zudem soll es eine Landesförderung für ärztliche Niederlassungen in Gemeinden geben, in denen medizinische Versorgungslücken drohen. Für den stationären Bereich schlägt die Partei vor, sanierungsbedürftige Häuser in Schwerpunkt-Kliniken umzuwandeln, die jedoch weiterhin eine Notfallversorgung garantieren sollen.
Mit Blick auf die Arzneimittelversorgung bleibt die Linke in Bayern recht vage. Man setze sich unter anderem für eine flächendeckende Versorgung mit Psycho- und Physiotherapeuten, Hebammen und eben Apotheken ein, heißt es recht pauschal im Wahlprogramm. Ein bayerischer Haftpflichtfonds soll in der Entbindungspflege das Problem der steigenden Versicherungsprämien lösen.
In einigen Regionen sieht die Partei zudem einen eklatanten Ärztemangel. Nirgendwo seien niedergelassene Ärzte so ungleich verteilt wie in Bayern, schreibt sie. Helfen sollen unter anderem kommunale Ärztehäuser. »Städte und Gemeinden sollen für den Eigenbetrieb finanziell und organisatorisch ertüchtigt werden.« Zudem plant die Linke für die Kommunen eine Landarztförderung in Höhe von 200 Millionen Euro. All das soll die Arbeit auf dem Land für junge Mediziner attraktiver machen.
Darüber hinaus will die Partei ihre Idee vorantreiben, gesetzliche und private Krankenversicherung zusammenzuführen. So möchte sie einen Antrag im bayerischen Landtag stellen, um eine Bundesratsinitiative für ihre solidarische Gesundheitsversicherung auf den Weg zu bringen. Außerdem fordert sie ein bayerisches Präventionsgesetz. »Damit garantieren wir, dass niemand in Bayern aufgrund des sozialen Status von medizinischen Leistungen ausgeschlossen wird.«
Die AFD hat sich zum Ziel gesetzt, »die Gesundheitspolitik ideologisch zu entschlacken«, wie sie selbst schreibt, ohne dies jedoch weiter auszuführen. Mit Anreizen und Bürokratieabbau soll die Hausarztpraxis auf dem Land an Attraktivität gewinnen. Können Kassenärztliche Vereinigungen die medizinische Versorgung in einer Region nicht mehr garantieren, sollen Kommunen oder Landkreise den Sicherstellungsauftrag übernehmen.
Auch in der Pflege möchte die Partei die Arbeitsbedingungen recht pauschal mit »aufwandgerechten Personalschlüsseln, Aufstiegsmöglichkeiten und Vergütungen attraktiver gestalten«. Eine gute Alternative zur schulmedizinischen Behandlung bietet aus Sicht der AFD der Heilpraktiker. Die Krankenkassen sollten die Kosten entsprechender Therapien daher künftig anteilig übernehmen können, heißt es.
Darüber hinaus möchte die Partei die Palliativmedizin in Kliniken, Hospizen und der häuslichen Pflege ausbauen. »Dazu bedarf es einer flächendeckenden palliativmedizinischen Versorgung mit Vernetzung und einem ganzheitlichen Konzept.« Zudem spricht sie sich grundsätzlich für mehr staatliche Gesundheitsforschung in allen Bereichen aus.
Die CSU hat bislang noch kein Programm zur Landtagswahl vorgelegt. Aus Apothekersicht bleibt damit die Frage spannend, wie sich die Partei in Sachen Arzneimittelversorgung positioniert.
Im vergangenen Herbst hatten die Christsozialen im Bundestagswahlkampf für ein Rx-Versandhandelsverbot plädiert und sich in diesem Punkt damit so deutlich auf die Seite der Apotheker gestellt wie keine andere Partei. Ob das Thema auch im ihrem Landtagswahlkamp eine Rolle spielt, bleibt abzuwarten. Die CSU werde das Wahlprogramm in Kürze verabschieden, erklärte eine Sprecherin auf Nachfrage der PZ. Einen genauen Termin wollte sie nicht nennen. /