Gemeinsamer Datensatz für Ärzte und Apotheker |
16.07.2014 09:48 Uhr |
Von Miriam Felberg*, Regina Hörsken und Niels Tampe / Die Wirkstoffverordnung im Rahmen des Modellprojekts ARMIN – Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen ist mit dem dritten Quartal 2014 angelaufen. Für Ärzte und Apotheker gilt es dabei, einige Besonderheiten zu beachten.
Die Verordnung von Arzneimitteln unter dem Wirkstoffnamen ist auch heute schon möglich und wird in unterschiedlichem Umfang von Ärzten genutzt. Gemäß Paragraf 2 der Arzneimittel-Verschreibungsverordnung muss eine Verordnung hierzu neben dem Namen des Wirkstoffs die Stärke, Darreichungsform und Menge enthalten.
Nicht alle Arzneimittel sind durch diese Angaben jedoch ausreichend genau definiert. Gegebenenfalls sind weitere Angaben erforderlich, beispielsweise zur Freisetzungskinetik retardierter Darreichungsformen oder zur Kompatibilität mit Applikationshilfen wie Pens oder Inhalern. Fehlen solche Angaben, ist die Verordnung möglicherweise nicht eindeutig und erfordert die Rücksprache der Apotheke mit dem Arzt und eine entsprechende Korrektur des Rezepts.
Bisher werden Ärzte, die Wirkstoffverordnungen umsetzen wollen, in sehr unterschiedlichem Ausmaß von ihrem Praxisverwaltungssystem unterstützt. Hinzu kommt, dass die Angaben zur Wirkstoffbezeichnung in den verschiedenen Arzneimitteldatenbanken unterschiedlich erfolgen, zum Beispiel als Salz oder Reinsubstanz oder in unterschiedlichen Schreibweisen. In der Folge könnte dies bei Wirkstoffverordnungen in der Apotheke zu Fehlern in der Interpretation oder zu vermehrten Rückfragen bei den verordnenden Ärzten führen.
Sechsstelliger Code
Aufgrund dieser Problematik entschieden sich die am Modellprojekt beteiligten Partner unter Beteiligung von ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und ABDATA Pharma-Daten-Service, einen gemeinsamen Datensatz für die Wirkstoffverordnung zu entwickeln. Hierzu wurde zunächst definiert, in welchen Fällen eine Wirkstoffverordnung überhaupt möglich ist, wie die entsprechende eindeutige Verordnungszeile auszusehen hat und welche Fertigarzneimittel auf Pharmazentralnummer(PZN)-Ebene ihr zugeordnet sind. In der Arztpraxis wird das ausgewählte Fertigarzneimittel automatisch in eine Wirkstoffverordnung über die zugehörende Verordnungszeile umgewandelt. In der Apotheke wird – über den der jeweiligen Verordnungszeile zugeordneten eindeutigen sechsstelligen Code – die Rückübersetzung in die entsprechenden Fertigarzneimittel vorgenommen.
Am Modellprojekt teilnehmenden Ärzten wird der Datensatz entweder direkt durch das Datenprodukt ABDAMED von ABDATA oder durch die ebenfalls am Modellprojekt beteiligte AOK plus über eine sogenannte S3C-Schnittstelle des jeweiligen Praxisverwaltungssystems bereitgestellt. Apotheken erhalten diesen Datensatz unabhängig von ihrer Teilnahme am Modellprojekt als Bestandteil des ABDA- Artikelstamms, da alle Apotheken in der Lage sein müssen, entsprechende Verordnungen zu beliefern. Das gilt auch für Apotheken außerhalb der Modellregion in Sachsen und Thüringen, da entsprechende Rezepte bundesweit eingelöst werden können.
Die für das Modellprojekt definierten Standardverordnungszeilen sind immer wie in der abgebildeten Musterverordnung aufgebaut. Die Rauten dienen hierbei zur Kennzeichnung der Zeile als dem ARMIN-Datensatz zugehörig. Der vorangestellte sechsstellige Code, die sogenannte WG14-Nummer (Wirkstoffgruppe 2014), wird von ABDATA neben der eigentlichen Standardverordnungszeile zum Zweck der eindeutigen Identifizierung erstellt und besteht aus fünf Ziffern sowie einer Prüfziffer an der sechsten Stelle. Jeder Code entspricht genau einer bestimmten Standardverordnungszeile. Über Eingabe dieses Codes in die Apotheken-Software erhält man unmittelbar eine PZN-basierte Liste aller dazugehörigen Fertigarzneimittel. Innerhalb der Zeile folgen die Wirkstoffbezeichnung, Stärke, Darreichungsform, Mengenangabe sowie Normgröße N1, N2 oder N3 – sofern vorhanden.
ABDATA liefert diese Zeilen im gewohnten 14-tägigen Rhythmus aus. Es werden sämtliche Neuaufnahmen, Änderungen und Löschungen von PZN hierfür berücksichtigt, sodass bei den ausgewählten Wirkstoffen auch neue Codes laufend ergänzt werden. Nachgestellt folgt die Angabe, wie viele Originalpackungen jeweils verordnet sind. Das Zeilenende wird durch eine weitere Raute gekennzeichnet. Arzneimittel, die über diese Standardangaben hinaus weitere Angaben zu ihrer eindeutigen Beschreibung benötigen, wurden zunächst nicht für den Datensatz aufbereitet. Hierzu gehören beispielsweise Insuline, Inhalativa, Dermatika und transdermale Systeme.
Wirkstoffauswahl
Die Vorauswahl der Wirkstoffe für diesen Datensatz erfolgte zunächst aufgrund ihrer Relevanz in der ambulanten Versorgung. Die Vorauswahl umfasste eine Grundgesamtheit von 258 Wirkstoffen (Monosubstanzen und Zweierkombinationen), von denen 45 aufgrund erforderlicher weiterer Angaben oder offensichtlicher Risiken ausgeschlossen wurden. Für die verbleibenden 213 Wirkstoffe und Kombinationen wurden die Umsetzungsmöglichkeiten der erforderlichen Angaben in Standardverordnungszeilen überprüft. Voraussetzung war, dass in der Praxis etablierte Stärkenbezeichnungen erhalten bleiben sollten, auch wenn diese sich mitunter nicht auf die Reinsubstanz eines Wirkstoffes, sondern auf eine seiner Verbindungen beziehen.
Hierzu ein Beispiel: Der Wirkstoff Metformin befindet sich in den Stärken 500 mg, 850 mg und 1000 mg im Handel. Die angegebenen Stärken beziehen sich in den entsprechenden Präparaten nicht auf die Reinsubstanz, sondern auf das Salz, Metforminhydrochlorid. Daraus ergeben sich für die mittlere Stärke folgende korrekte Stärkenangaben: Metforminhydrochlorid 850 mg oder Metformin 662,88 mg. Für die Umsetzung dieses Beispiels im ARMIN-Datensatz zur Wirkstoffverordnung ergibt sich somit die Wirkstoffbezeichnung Metforminhydrochlorid, da die auf die Reinsubstanz bezogene Stärke im Widerspruch zur gewohnten Praxis und auch zu gängigen Fertigarzneimittelbezeichnungen stünde.
Im einfachsten Fall befindet sich ein Wirkstoff ausschließlich als Reinsubstanz im Handel, sodass die Stärkenangaben unmissverständlich sind. Es gibt aber deutlich komplexere Fälle, in denen Wirkstoffe in unterschiedlichen Verbindungen angeboten werden. Wenn diese Verbindungen auch noch die gleiche Stärke, aber unterschiedliche Mengen an Reinsubstanz ergeben, wird sowohl die korrekte Wirkstoffverordnung als auch die Belieferung der Verordnung fehleranfällig.
Unter Aspekten der Arzneimitteltherapiesicherheit wurden solche, teilweise sehr komplexen, Wirkstoffe zunächst zurückgestellt. Ebenso wurde auch mit Arzneimitteln mit mehr als zwei aktiven Wirkstoffen sowie Phytopharmaka und Homöopathika verfahren.
Insgesamt konnten nach eingehender Prüfung zunächst 188 Wirkstoffe (darunter 16 Zweierkombinationen) ganz oder teilweise in die Wirkstoffverordnung des Modellprojekts einbezogen werden. Diesen sind circa 25 000 Fertigarzneimittel zugeordnet. Hiermit wird in etwa die Hälfte der zu Lasten der AOK plus abgegebenen Arzneimittel in Sachsen und Thüringen abgedeckt.
Austauschregeln und Abrechnung
Bei der Entwicklung des gemeinsamen Datensatzes wurden vorrangig Wirkstoffe berücksichtigt, für die die AOK plus im Jahr 2012 mindestens einen Rabattvertrag abgeschlossen hatte. Je nach Wirkstoff decken diese Verträge jedoch einen unterschiedlich großen Anteil aller Fertigarzneimittel des betreffenden Wirkstoffs am Markt ab, sodass zum Beispiel je nach gewählter Stärke oder auch Darreichungsform ein Rabattvertrag vorliegen kann oder auch nicht.
Wichtig ist hierbei zu wissen, dass auch bei einer Wirkstoffverordnung im Rahmen des ARMIN-Modellversuchs prinzipiell sämtliche Abgaberegeln erhalten bleiben, etwa im Hinblick auf die durch den Gemeinsamen Bundesausschuss definierten Austauschbarkeiten von Darreichungsformen oder Vorgaben der Packungsgrößenverordnung. Dies ist durch eine entsprechende Datenverknüpfung im ABDA-Artikelstamm berücksichtigt. Entsprechend würden aber bei Nichtvorliegen eines Rabattvertrags auch die Abgaberegeln des Rahmenvertrags zur Arzneimittelversorgung greifen. Danach müsste bei Wirkstoffverordnungen, bei denen kein Rabattvertrag vorliegt, immer eines der drei preisgünstigsten Arzneimittel ausgewählt werden. Preisänderungen könnten hierbei bei wiederholter Verordnung derselben Standardverordnungszeile zu immer wieder neu erforderlichen Präparatewechseln führen.
Da dies nicht im Sinne einer verbesserten Arzneimittelversorgung sein kann, wurden im Rahmen der ARMIN-Vertragsverhandlungen für Vertragsteilnehmer abweichende Abgaberegeln vereinbart. Sie sehen vor, dass im Falle einer (ARMIN-)Wirkstoffverordnung bei Nichtvorliegen eines Rabattvertrags beziehungsweise Nichtverfügbarkeit eines Rabattarzneimittels oder bei pharmazeutischen Bedenken nicht nur eines der drei günstigsten Arzneimittel, sondern jedes Arzneimittel bis zum Festbetrag abgegeben werden kann. Das pharmazeutische Personal kann somit bei der Abgabe der Präparate die individuellen Gegebenheiten des Patienten viel besser berücksichtigen.
Am Vertrag teilnehmende Apotheken erhalten für die Belieferung von ARMIN-Wirkstoffverordnungen eine zeilenbezogene Aufwandsentschädigung. Entsprechend betroffene Rezepte werden mit einer Sonder-PZN bedruckt, bei der, ähnlich wie beim Nichtverfügbarkeitskennzeichen, der Zeilenbezug über das Faktorfeld hergestellt wird. Die erste Stelle des Faktorfelds verweist dabei auf die erste Verordnungszeile, die zweite Stelle auf die zweite Verordnungszeile und so weiter. Die Ziffer 1 steht für »keine Wirkstoffverordnung oder leere Verordnungszeile« und die Ziffer 2 für »Wirkstoffverordnung«.
Die praktischen Erfahrungen mit der Wirkstoffverordnung im Verlaufe des Modellvorhabens werden in eine Fortentwicklung des Datensatzes einfließen, um eine Ausweitung auf weitere Wirkstoffe zu ermöglichen. /
Anschrift der Verfasser
*Für das ARMIN-Projektteam
Miriam Felberg MPH
ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände
Geschäftsbereich Arzneimittel
Jägerstraße 49/50
10117 Berlin, E-Mail: arzneimittel(at)abda.aponet.de