Eine gewisse Wurschtigkeit |
16.07.2007 14:18 Uhr |
Das DocMorris-Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Die Richter weisen die Berufung des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) zurück, der gegen die Zulässigkeit des Versandhandels von DocMorris aus den Niederlanden nach Deutschland geklagt hatte. Das Unbefriedigende am Richterspruch des OLG ist, dass er die entscheidende Frage nicht beantwortet: Gewährleistet das niederländische Recht den nach dem deutschen Arzneimittelgesetz erforderlichen Sicherheitsstandard für den Versandhandel von Arzneimitteln?
Das Gericht glaubte offensichtlich, die Frage nicht selbst beantworten zu müssen. Es beruft sich vielmehr auf eine zwei Jahre alte Bekanntmachung des Bundesgesundheitsministeriums, die auf Grundlage einer nicht näher beschriebenen europaweiten Erhebung feststellt, in den Niederlanden bestünden für Versandhandel und elektronischen Handel mit Arzneimitteln »dem deutschen Recht vergleichbare Sicherheitsstandards«. Damit begnügen sich die Frankfurter Richter und vernachlässigen ihre Aufgabe, die Exekutive zu kontrollieren. Dabei hätten sie möglicherweise erfahren, mit welchen Methoden da was genau »erhoben« wurde und wieso das Ministerium zu einer so auffallend gegensätzlichen Beurteilung gelangt ist wie das Berliner Kammergericht in seiner Entscheidung vom 9. November 2004. Das hielt nämlich die Sicherheitsstandards für den Versandhandel mit Arzneimitteln in den Niederlanden mit den deutschen Vorschriften für nicht vergleichbar.
Da drängt sich der Eindruck auf, das Frankfurter Oberlandesgericht habe sich in seinem nun veröffentlichten Urteil wenig Mühe gegeben. Es verlässt sich auf die Ministeriumsbekanntmachung nach der Devise, »die werden das schon ordentlich überprüft haben«. Mit ähnlicher Wurschtigkeit urteilt das OLG über die Präsenzapotheke von DocMorris. Dem Gericht ist sicher nicht verborgen geblieben, dass sie lediglich dem Zweck dient, die Vorgabe des Ministeriums für den Versandhandel mit Medikamenten aus den Niederlanden nach Deutschland zu erfüllen, mit einer deutschen öffentlichen Apotheke aber nicht vergleichbar ist. Vielleicht hat sich das OLG auch deshalb keine Mühe mit dem Urteil gegeben, weil die Richter wussten, dass sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Thematik auseinandersetzen muss, da DocMorris gegen das Berliner Kammergerichtsurteil aus dem Jahr 2004 Berufung eingelegt hat. Beim BGH wird auch das Urteil aus Frankfurt landen, wenn der DAV Berufung einlegt.
Für die Apotheker bieten sich andere Möglichkeiten, sich gegen die Systemveränderung zu wehren: mit ihrer Marktmacht. Und sie tun es: Nach der Übernahme von DocMorris durch Celesio kündigten sie reihenweise ihre Geschäftsbeziehungen zu der Celesio-Tochter Gehe. Das Handelsblatt schätzt den Verlust bislang auf 800 Millionen Euro.
Dr. Uta Grossmann
Ressortleitung Wirtschaft und Handel