BVKA fordert Blisterhonorar |
18.06.2014 10:45 Uhr |
Von Daniel Rücker / Senioren in Alten- und Pflegeheimen sind auf besonders intensive Betreuung angewiesen. Apotheker kümmern sich deshalb in den Heimen um die Medikation der Bewohner. Das Angebot nehmen die Einrichtungen gerne wahr, Geld für ihre Dienstleistung bekommen die Apotheker aber nur selten.
»Pflegeheime und deren Bewohner profitieren stark vom Medikationsmanagement«, sagt Detlef Steinweg, Apotheker in Castrop-Rauxel und stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes der klinik- und heimversorgenden Apotheker (BVKA). Das Heimpersonal werde entlastet, der versorgende Apotheker führe für jeden Patienten eine Medikationsdatei und habe so einen Überblick über die Medikation der Patienten und die Reichweite der Medikamente. Im Vergleich zu Heimen, in denen das Personal die Medikation stelle, reduziere ein Apotheker die Fehlerquote deutlich, so Steinweg. Auch bei einer möglichen Medikationsänderung gebe es weniger Fehler. Zur Klarstellung: Das Angebot der Heimversorger läuft zwar auch unter dem Namen Medikationsmanagement, es unterscheidet sich aber deutlich von dem Medikationsmanagement, wie es im ABDA-KBV-Modell vorgesehen ist.
Sichere Versorgung
Steinweg ist nicht nur ein Verfechter des Medikationsmanagements in Heimen, sondern auch der patientenindividuellen Verblisterung. Die mache die Versorgung noch sicherer, sagt er. Verblistern erschwere dem Pflegepersonal das eigenmächtige Handeln und reduziere so das Risiko von Medikationsfehlern. Fehle eine Tablette in einem Blister, müsse zwangsläufig der versorgende Apotheker eingeschaltet werden.
Bei gestellten Arzneimitteln komme es dagegen häufiger vor, dass eine fehlende Tablette oder Kapsel vom Personal aus dem Bestand im Heim ersetzt werde – mit der Gefahr, dass nicht das fehlende, sondern ein ähnlich aussehendes Medikament mit anderem Wirkstoff gegeben werde. »Werden die Medikamente verblistert, muss das Personal bei jeder Medikationsänderung mit dem Apotheker sprechen«, sagt Steinweg. Verblistern stärke somit die Kommunikation zwischen Heim und Apotheke.
Allerdings gibt es bei der blistergestützten Versorgung in Heimen ein Problem mit der Honorierung. Die Auftraggeber zahlen Apothekern für das Verblistern oder Stellen in der Regel nichts oder nur ein nicht kostendeckendes Honorar. In der ambulanten Pflege bezahlen die Kassen zwar das Pflegepersonal für das Stellen von Arzneimitteln. Apothekern muss dagegen die Spanne bei der Arzneimittelabgabe reichen. Viele Apotheker gehen darauf zähneknirschend ein, aus Sorge ein anderer Apotheker biete dem Heim die Dienstleistung kostenlos an und boote so den bisherigen Versorger aus.
Dabei ist diese Praxis umstritten. Der BVKA sieht im kostenlosen Stellen oder patientenindividuellen Verblistern eine Zugabe und damit einen Verstoß gegen Paragraf 7 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG). Deshalb forderte der Verband bereits im vergangenen Jahr den Gesetzgeber auf, kostenloses Verblistern zu verbieten. Versorgungsverträge mit Heimen dürften nur dann genehmigt werden, wenn die dort vereinbarten Dienstleistungen auch honoriert würden, wünscht sich der BVKA. Bei der blistergestützten Versorgung solle deshalb die Arzneimittelpreisverordnung geändert werden.
Der BVKA kann dies sicher nicht allein durchsetzen. Als kleiner Verband, der exklusiv eine überschaubare Gruppe von Apothekern vertritt, fehlt ihm dazu der Einfluss. Deshalb fordern die krankenhaus- und heimversorgenden Apotheker den Deutschen Apothekerverband (DAV) auf, sich für ihr Anliegen einzusetzen. Allerdings wissen Steinweg und BVKA-Beirat Christoph Bertram aus Neunkirchen, dass ihr Wunsch nicht von allen geteilt wird.
Große und kleine Apotheken
Auch der DAV ist zurückhaltend. Es sei nicht unüblich, dass Heime Leistungen von Dritten erbringen lassen. Zudem sei nicht abschließend juristisch geklärt, ob das kostenlose Verblistern ein Verstoß gegen das HWG sei, heißt es dort. Darüber hinaus profitierten vor allem große Apotheken vom Verblistern. Kleinere Apotheken, die nicht verblistern könnten, würden so aus der Heimversorgung gedrängt. Das ist nicht im Interesse der Berufsvertretungen, die sich gleichermaßen für alle Offizinapotheker einsetzen wollen.
Außerdem sieht man bei der ABDA auch Risiken für die Arzneimittelpreisverordnung. Wenn für das Verblistern Teilmengen aus Fertigarzneimittelverpackungen entnommen werden, werden die eingesetzten Medikamente nicht nach der Preisverordnung abgerechnet. Damit würde ein nicht unerheblicher Teil der Medikamente nicht mehr unter die Arzneimittelpreisverordnung fallen. Außerdem habe die patientenindividuelle Verblisterung keine Vorteile für die Versorgung der Patienten, widerspricht der DAV dem BVKA. Heimbewohner könnten auch ohne diese Dienstleistung ordentlich versorgt werden. Der BVKA steckt in einem Dilemma. »Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es ein sehr stabiles Bollwerk gibt, zu dem auch die ABDA, die Presse und die Krankenkassen gehören«, sagt Steinweg.
Verschiedene Perspektiven
Bleibt die Frage, warum sich die heimversorgenden Apotheker nicht vom Verblistern verabschieden? Hier scheint die Interessenlage im Verband nicht eindeutig. Während Steinweg das Verblistern als elementaren Bestandteil einer sicheren Versorgung ansieht, kann sich Bertram auch einen Verzicht auf die umstrittene Dienstleistung vorstellen. Verblistern sei für die Versorgung nicht zwingend notwendig. »Die Honorierung des Medikationsmanagements steht im Vordergrund«, sagt er. Doch auch er sieht dies nur als die zweitbeste Lösung. Wenn es gelinge, den Nutzen des Verblisterns zweifelsfrei zu dokumentieren, müsse es auch möglich sein, eine Vergütung dafür durchzusetzen. Ob der Verband damit auf das richtige Pferd setzt, muss die Zukunft zeigen. /