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Hypothyreose

Im Alter mit Bedacht behandeln

19.06.2012  17:02 Uhr

Von Maria Pues / Dass eine Überfunktion der Schilddrüse bei älteren Menschen ebenso wie bei jüngeren behandlungsbedürftig ist, gilt als unbestritten. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion älterer Patienten besteht dagegen zumindest in einem breiten Grenz­bereich weniger Einigkeit, wann ein Hormonmangel behoben werden sollte und welche Zielwerte es dabei anzustreben gilt.

Eine Hypothyreose zeigt sich im Laborbericht durch die Kombination aus erhöhtem Wert des Thyreoidea-stimulierenden Hormons (TSH) und Normwert des Schilddrüsenhormons freies T4. Bei Erwachsenen gilt ein TSH-Wert zwischen 0,27 und 4,2 mU/l als normal. Studien haben gezeigt, dass bei jüngeren Erwachsenen bereits eine latente Hypothyreose das kardiovaskuläre Risiko und die Gefahr für eine Hyperlipidämie, intravasale Thrombenbildung sowie für kognitive und neuromuskuläre Dysfunktionen erhöht. Die Betroffenen haben Mühe sich zu konzentrieren, vergessen Dinge, sie werden langsam und fühlen sich schnell müde.

 

Demenzrisiko steigt

 

Das sind Symptome, über die nicht selten auch ältere Menschen klagen. Gerade bei ihnen konnte in Studien jedoch kein Zusammenhang zwischen erhöhten TSH-Werten und den genannten Beschwerden festgestellt werden. Im Gegenteil: Nicht ein erhöhter, sondern vielmehr ein zu niedriger TSH-Wert gilt als unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung einer Demenz beziehungsweise einer Alzheimer-Erkrankung. Auch bei reversiblen behandelbaren Demenzphasen spielen manifeste Schilddrüsenfunktionsstörungen eine zentrale Rolle.

Insgesamt nimmt die Häufigkeit von Veränderungen des Schilddrüsen­gewebes mit dem Alter immer noch zu – trotz der Iodierung von Kochsalz. Studien haben gezeigt, dass je nach Definition 5 bis 20 Prozent der Frauen und 3 bis 8 Prozent der Männer über 50 Jahren an einer latenten Hypothyreose leiden. Typische Symptome wie Gewichtszunahme, Bradykardie, Müdigkeit, Kälteempfindlichkeit oder Obstipation treten im Alter allerdings seltener auf oder sind so unspezifisch, dass sie sich nur schwierig einer eindeutigen Ursache zuordnen lassen.

 

Von einer manifesten, also behandlungsbedürftigen Hypothyreose bei älteren Menschen sprechen Mediziner, wenn der TSH-Wert über 10 mU/l liegt. In diesem Fall sollte eine Substitution mit L-Thyroxin erfolgen. Die Dosis sollte dabei jedoch langsamer als bei jüngeren Erwachsenen eingeschlichen werden. Besondere Vorsicht ist bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit geboten. Bei ihnen sollte die Anfangsdosis um 30 Prozent reduziert werden, da sonst der steigende Sauerstoffbedarf des Herzens nicht zügig genug befriedigt werden kann. Die Dosis sollte langsam, nur alle zwei bis drei Wochen, erhöht werden.

 

Diffiziler gestaltet sich die Therapieentscheidung bei Patienten mit TSH-Werten zwischen 4,2 und 10 mU/l. Für Patienten mit einer latenten Hypothyreose gibt es keine Evidenz aus Studiendaten, dass eine Substitution mit L-Thyroxin das Befinden oder die Überlebenszeit verbessern. Hier müssen Mediziner im Einzelfall entscheiden. Eine herabgesetzte Syntheseleistung der Schilddrüse durch eine Autoimmunthyreoiditis, eine Operation, Bestrahlung oder Radioiodtherapie spielt dabei eine Rolle, aber auch das biologische Alter des Patienten. Auch Grunderkrankungen wie ein Diabetes mellitus sind zu berücksichtigen: Bei ihnen reduziert eine Hypothyreose den Insulinbedarf, steigert jedoch das Risiko für eine Hyperbetalipoproteinämie sowie möglicherweise auch für die Entstehung einer Retinopathie.

 

Schilddrüse im Schonbetrieb

 

Der Grenzwert von 10 mU/l stellt das Ergebnis einer Konsensfindung dar. Um eine Übersubstitution zu vermeiden, sollten sowohl bei der Behandlung der latenten wie der manifesten Hypothyreose im Alter Werte allenfalls im oberen Normbereich angestrebt werden.

 

Möglicherweise handelt es sich bei der Zunahme der TSH-Werte und damit der Abnahme der Schilddrüsenfunktion im Alter um eine physiologische Reaktion, um dem Organismus nicht mehr den hochtourigen Betrieb aus jüngeren Jahren zuzumuten und so auf eine organschonende Arbeitsweise umzustellen – zumindest in gewissem Ausmaß. Genau das »gewisse« macht es schwierig, zwischen noch normal und nicht mehr gesund zu unterscheiden. / 

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