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Patienteninteresse

19.06.2006  14:46 Uhr

Patienteninteresse

Im Gesundheitswesen ist es üblich, die Interessen der Patienten zumindest verbal in den Vordergrund zu stellen. Manchmal geschieht dies zu Recht, in anderen Fällen sollen auf diese Weise Partikularinteressen kaschiert werden. Die zweite Variante ist womöglich die häufigere. Zurzeit gibt es aber auch einige Ansätze, in denen es tatsächlich um den konkreten Nutzen für den Patienten geht.

 

Es dürfte viele überraschen, dass ausgerechnet das wenig geliebte AVWG sich anschickt, die Patienten finanziell zu entlasten. Die von den Betriebskrankenkassen angeregte und von der Bundesregierung übernommene Möglichkeit der Zuzahlungsbefreiung für besonders preiswerte Arzneimittel wird ab Juli tatsächlich Realität. Zahlreiche Generikahersteller haben ihre Preise so weit gesenkt, dass die Kranken demnächst für mehr als 1000 Arzneimittel aus 79 Festbetragsgruppen keine Zuzahlung mehr bezahlen müssen. Zudem besteht die Chance, dass die Zahl in Zukunft weiter wächst. Apothekern und Ärzten kommt die Aufgabe zu, ihre Patienten über diese Möglichkeit angemessen zu informieren.

 

Ebenfalls im Patienteninteresse sind zwei Untersuchungen der Apothekerschaft: Gemeinsam mit den Apothekerkammern hat das Zentrum für Arzneimittelinformation und Pharmazeutische Praxis der ABDA (ZAPP) gezeigt, welche Rolle die Apotheker bei der Vermeidung arzneimittelbezogener Probleme spielen. Als Arzneimittelfachmann reduzieren sie mit ihrer Beratung die arzneimittelbezogene Probleme erheblich. Die Beratung der Apotheker nützt hier übrigens nicht nur den Patienten, sondern auch den Ärzten, deren Therapie so noch sicherer wird, und den Krankenkassen.

 

Eine zweite Untersuchung belegt, dass die Apotheker ihre Aufgabe als Berater auch in schwierigen Fällen, wie bei depressiven Patienten, angenommen haben und sich selbst auch kompetent fühlen. Auch wenn die Selbsteinschätzung natürlich kein objektives Maß für die tatsächliche Kompentenz ist, stellt sie doch einen entscheidenden Faktor dar. Nur wer sich seiner Fähigkeiten bewusst ist, kann offensiv und überzeugend beraten.

 

Weniger im Patienteninteresse ist dagegen die aktuelle Kontroverse um die GKV-Finanzierung. Hier kommen SPD und Union offensichtlich nicht wirklich voran. Nachdem der Kompromiss zwischen Kopfpauschale und Bürgerversicherung mit dem Gesundheitsfonds gefunden zu sein schien, drängt nun der ursprüngliche Konflikt über die Frage, ob und wie die Private Krankenversicherung einbezogen werden soll, zurück ans Licht. Natürlich wird auch hier von allen Seiten der Patient oder der Versicherte bemüht, in dessen Interesse, je nach persönlicher Überzeugung, die eine oder die andere Variante sein soll. In Wahrheit geht es darum aber wohl nicht. Union und SPD können von ihren Ideologien einfach nicht lassen. Sie fühlen sich der Partei-Basis und ihren Wahlprogrammen verpflichtet. Mit der bewussten Polarisierung dieser Frage im Bundestagswahlkampf haben sie anscheinend die Hürde für einen Kompromiss so hoch gelegt, dass nun niemand mehr darüber springen kann. Es fehlt ganz offensichtlich einer, dem es gelingt, den Streithähnen wieder den Blick auf den Wunsch aller Versicherten, nämlich eine solide und nachhaltige GKV-Finanzierung zu öffnen. Hier bleibt zurzeit allein die Hoffnung auf den Optimismus der Regierung, noch eine Lösung zu finden.

 

Daniel Rücker

Stellvertretender Chefredakteur

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