Ich ist ein anderer |
19.06.2006 14:46 Uhr |
Ich ist ein anderer
von Ulrike Abel-Wanek, Ingelheim
Die Welt zu Gast in Ingelheim: Auch in diesem Jahr schafften es die Internationalen Tage, einen ganz Großen der Kunstszene in die kleine Stadt am Rhein zu holen. Noch bis zum 9. Juli ist eine umfassende Werkschau des Künstlers Andy Warhol im Alten Rathaus von Ingelheim zu sehen.
Warhols Werke kennen auch Menschen, die sich sonst nicht für Kunst interessieren. Er ist der berühmteste Vertreter der Pop-Art und eigentlich ist über ihn bereits alles gesagt und geschrieben worden, gibt die Kuratorin Dr. Patricia Rochard zu bedenken. Offensichtlich eine Herausforderung für die Ausstellungsmacherin, denn sie mischte die scheinbar bekannten Karten neu und konzipierte eine wirklich sehenswerte Ausstellung: »Für die Fachwelt wird sie keine neuen Erkenntnisse bringen, für eine breite Öffentlichkeit dagegen eine differenzierte Sicht auf einen Künstler, der sozusagen als ›kenne-ich‹ abgehakt wird.«
140 Werke des Mannes, der Suppendosen zur Kunst erhob, der die Banalität des Alltags bis zum Überdruss inszenierte und dessen Siebdrucke in den berühmtesten Museen der Welt hängen, sind zu sehen. Darunter die bunten Porträts der Monroe, von Mao, Beuys und Beckenbauer, aber auch Selbstbildnisse des Künstlers - informativ aufbereitet mit begleitenden biografischen Texten. Der programmatische Untertitel der Schau »Me, myself and I« deutet auf die vielen Facetten eines Menschen hin, dessen bestgehütetes Geheimnis er selbst war.
Der gelernte Grafiker Warhol liebte die Künstlichkeit, das Spiel mit Sein und Schein und erfand sich selbst als unverwechselbare Marke. Dennoch bleibt seine Person seltsam dunkel hinter seinem Image zurück. »Ich möchte ein Geheimnis bleiben. Ich gebe mein Inneres nicht preis, ich schildere es sowieso jedes Mal anders, wenn man mich danach fragt«, sagte er über sich selbst.
Die Ausstellung, gegliedert in sieben verschiedene Themenbereiche, stellt Arbeiten vor, die in ihrer Vielfalt und Gegensätzlichkeit das Chamäleonhafte von Warhol hervorheben. Er war scheu und wortkarg hinter der schillernden Fassade des Popstars mit Silberperücke, jedoch nicht ohne Humor und Melancholie: »Ich verstecke meine guten Seiten und betone die schlechten. Ich sehe furchtbar aus, ich trage die falschen Hosen und die falschen Schuhe und komme zur falschen Zeit mit den falschen Freunden an, und ich sage das Falsche und rede mit den Falschen, und dann interessiert sich trotzdem immer noch jemand für mich, und dann raste ich aus und frage mich: Was habe ich falsch gemacht?«
Noch in den 1950er-Jahren lebte der 1928 geborene Warhol von der Hand in den Mund, 1956 stellte er bereits im Museum of Modern Art in New York aus. Er war der Dandy der Sixties, hofierte den Jetset und wurde zum begehrten Vermarktungsobjekt. Künstlerisch fixierte er sich auf triviale Sujets wie Hollywoodstars, Comic- und Cartoon-Motive, die er mittels Siebdruck anfertigte und endlos vervielfältigte. Gleichzeitig litt er unter der maßlosen Reproduktion seiner Werke, ein Paradox angesichts der Tatsache, dass ihr Erfolg nicht zuletzt in der ständigen Wiederholbarkeit begründet lag.
Warhol war ein Künstler, der die Oberfläche und Abgründe seiner Zeit beobachtete und protokollierte. Er zeigte, was er sah, nicht mehr, aber auch nicht weniger. »Andy Warhol hat schon in den sechziger Jahren an die Wand gemalt, was wir heute haben: Konsumgesellschaft, Wegwerfgesellschaft, Pappteller, Fastfood, Oberflächlichkeit, Schnelllebigkeit, Auflösung der Werte, totale Werbung, totale Vermarktung.« (Eva Windmöller, Ausstellungskatalog)
Seit 1959 ermöglichen die Internationalen Tage einen Einblick in verschiedene Weltkulturen und Kunstbewegungen. Sie werden vom Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim gemeinsam mit der Stadt Ingelheim veranstaltet.
Andy Warhol - Me, myself and I
Noch bis 9. Juli 2006 geöffnet.
Altes Rathaus
Francois-Lachenal-Platz 1
55218 Ingelheim am Rhein
Telefon (06132) 40460
Der schön gestaltete und informative Katalog kostet 22 Euro.