Zeiten und Aufgaben ändern sich |
09.06.2015 14:47 Uhr |
Von Herstellung über Distribution bis hin zur Patientenbetreuung: Im Laufe der Geschichte hat sich das pharmazeutische Berufsbild mehrfach gewandelt. Der Begriff Klinische Pharmazie taucht erstmals im Jahr 1944 auf. Eine Vorreiterrolle übernahmen vor allem angelsächsische Länder. Dort dürfen Apotheker heute oft mehr als Kollegen in Deutschland.
Wie Professor Dr. Axel Helmstädter, Pharmaziehistoriker an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, deutlich machte, zeigt sich der Wandel im Berufsbild in vielerlei Hinsicht, zum Beispiel in der Einrichtung der Apotheken.
Als der Apotheker noch Handwerker war: Holzschnitt aus dem 16. Jahrhundert von Jost Amman.
Foto: Picture Alliance/ Everett Collection
Helmstädter präsentierte die Abbildung einer Apotheke aus dem 18. Jahrhundert, in der Apotheker und Gehilfen am Rezepturtisch Arzneimittel herstellen. Kunden mussten draußen warten. Um 1900 sind die Türen zur Offizin auch für Patienten geöffnet. Noch dominieren in den zu Ladengeschäften umgewandelten Apotheken Standgefäße und Rohstoffe, obwohl Fertigarzneimittel immer mehr Einzug halten. Spätestens seit Mitte des 20. Jahrhunderts rückt die Rezeptur in den Hintergrund und die Einrichtung vieler Apotheken ist von Schubladensäulen geprägt. »Heutzutage sind dagegen in vielen Apotheken besondere Möglichkeiten zur vertraulichen Beratung, etwa Beratungsecken oder -zimmer geschaffen«, fasste Helmstädter den Status quo zusammen.
Auch anhand von Umsatzstatistiken ist dem Pharmaziehistoriker zufolge nachzuweisen, dass die Herstellung von Arzneimitteln in den Apotheken zurückgeht. »Fielen um 1830 noch 80 Prozent des Apothekenumsatzes auf Rezepturarzneimittel, so waren es 100 Jahre später nur noch 8 Prozent«, informierte Helmstädter.
Fokus verschiebt sich
Die Verschiebung des beruflichen Fokus vom Produkt hin zum Patienten begann in den 1960er-Jahren in den USA. »Anders als der Name es vermuten lässt, hat die Klinische Pharmazie deutliche Wurzeln in der Offizinapotheke«, betonte Helmstädter. Als Beispiel dafür führte er das sogenannte Office-based Pharmacy Concept des US-amerikanischen Apothekers Eugene White an. Dieser forderte therapeutische Verantwortung und legte für jeden Patienten eine Medikationsdatei an. Zudem baute er seine Apotheke komplett um – vom Drugstore zum steril anmutenden Bürostil ohne sichtbare Produkte.
Helmstädter informierte, dass man sich in den USA und Großbritannien bereits in den 1970er- beziehungsweise den 1980er-Jahren Gedanken über eine Umorganisation der pharmazeutischen Ausbildung machte. Die staatliche Millis-Kommission in den USA machte 1972 den Anfang. Nach ihren Vorschlägen wurden Laborpraktika nahezu vollständig abgeschafft. Die entstandenen Freiräume wurden mit Anatomie, Physiologie und therapeutischen Fächern gefüllt. Circa zehn Jahre später erarbeitete in Großbritannien die sogenannte Nuffield-Kommission Kriterien für eine bedarfsgerechte Apothekerausbildung. Sowohl in Großbritannien als auch in den USA holte man erfahrene Apotheker an die Universitäten, um möglichst schnell eine praxisnahe Ausbildung gewährleisten zu können.
»In Deutschland ist die Geschichte der Klinischen Pharmazie eng mit dem Engagement motivierter Krankenhausapotheker verknüpft«, sagte Helmstädter. Mit der politisch und berufsständisch gewollten Ausbildungsreform und den geänderten Praxisanforderungen der Apothekerausbildung wurde schließlich auch ein neues Hochschulfach geschaffen. Durch die Änderung der Approbationsordnung für Apotheker im Jahr 2001 kam die Klinische Pharmazie als Prüfungsfach im Zweiten Staatsexamen hinzu. 1999 wurde an der Universität Bonn die erste deutsche Hochschulprofessur für Klinische Pharmazie besetzt. Deutschlandweit folgten bislang 12 weitere, an 9 von 22 Pharmaziestandorten gibt es aber bis dato keine Professur in diesem Fach.
»Angesichts der Tatsache, dass angelsächsische Länder schon bei der Entwicklung der Klinischen Pharmazie Deutschland um einige Jahre voraus waren, könnte ein Blick auf diese Staaten auch lohnen, wenn man sich die Frage stellt, wohin sich der Beruf entwickeln wird«, sagte Helmstädter. Impfungen in der Apotheke oder begrenzte Verschreibungsbefugnisse für Apotheker sind dort jedenfalls schon Realität geworden.