Lebensmotor aus dem Takt |
12.06.2007 14:52 Uhr |
<typohead type="3">Lebensmotor aus dem Takt
Herzrhythmusstörungen können in den Vorhöfen oder den Kammern entstehen. Doch während Vorhofflattern und -flimmern meist gut behandelbar sind, kann Kammerflimmern innerhalb von Minuten tödlich enden. Nur die rasche Defibrillation rettet das Leben.
Das Herz ist enorm leistungsfähig: 60 bis 80 Mal pro Minute oder 100.000 Mal am Tag zieht es sich zusammen und pumpt Blut. Jeder Herzschlag wird ausgelöst von einem elektrischen Impuls, der vom Sinusknoten ausgeht, sich in den beiden Vorhöfen ausbreitet, den atrioventrikulären (AV-)Knoten überwindet und die beiden Herzkammern anregt. Schlägt das Herz weniger als 60 Mal pro Minute, spricht man definitionsgemäß von einer Bradykardie, bei mehr als 100 Schlägen pro Minute von einer Tachykardie.
Bradykarde Rhythmusstörungen können zwar kurzzeitige Ohnmachtsanfälle (Synkopen) auslösen, führen aber nur selten zum plötzlichen Herztod, erklärte Professor Dr. Dietrich Andresen, Berlin. Therapie der Wahl ist die Implantation eines Herzschrittmachers; Arzneimittel werden nicht eingesetzt.
Tachykardien unterscheidet man zunächst nach dem Ort der Entstehung. Wird ein Extraschlag aus dem Vorhof induziert, spricht man von einer supraventrikulären oder Vorhof-Extrasystole. Der Patient bemerkt dies als Herzstolpern oder Herzrasen. Entstehen viele elektrische Erregungen außerhalb des Sinusknotens im Vorhof, kommt es zum Vorhofflimmern.
Extrasystolen können auch auf ventrikulärer Ebene entstehen; diese erfordern keine Therapie, da sie harmlos sind, erklärte der Kardiologe. Die gefährlichste Form der Arrhythmie ist das Kammerflimmern: Hier fibrilliert die ganze Herzkammer. Dieser Prozess stoppt spontan nicht mehr und kann innerhalb weniger Minuten zum plötzlichen Herztod führen.
Etwa 80.000 Menschen pro Jahr erleiden in Deutschland ein Kammerflimmern, aber nur 6 Prozent werden wiederbelebt. Hier kommt es auf jede Minute an, machte der Arzt deutlich. Könnten zu Beginn des Kammerflimmerns praktisch alle Patienten gerettet werden, gibt es schon nach zehn Minuten keine Chance mehr. Daher muss die Rettungskette so schnell wie möglich in Gang gesetzt werden. Wenn ein Patient bewusstlos ist und nicht mehr reagiert, gilt es sofort um Hilfe zu rufen und den Notruf zu alarmieren. Nach Freilegung der Atemwege sollte der Ersthelfer die Atmung prüfen und bei fehlender Atmung sofort mit der Reanimation beginnen. Pro Minute kommen auf 30 Thoraxkompressionen zwei Beatmungen, so lang, bis professionelle Hilfe kommt.
Das Kammerflimmern selbst kann nur die Defibrillation unterbrechen, die möglichst früh erfolgen sollte. Die modernen halbautomatischen Defibrillatoren, die heute an vielen öffentlichen Plätzen angebracht sind, können auch Laien bedienen, betonte der Kardiologe. Da die Geräte den Schock nur bei festgestelltem Kammerflimmern auslösen, kann man nichts falsch machen, aber Leben retten. Überlebt der Patient die Herzattacke, wird ihm ein Defibrillator implantiert, der ein beginnendes Kammerflimmern sofort mit einem Schock unterbricht.
Eine Domäne der Pharmakotherapie ist die Prävention des plötzlichen Herztods infolge Kammerflimmerns bei herzkranken Patienten. So zeigten Studien, dass Betablocker die Mortalität nach einem Herzinfarkt deutlich reduzieren. Gleiches gilt bei Herzinsuffizienz, während Amiodaron nicht wirksamer als Placebo war. Patienten mit bestehenden Herzkrankheiten sollten lipophile Betablocker, zum Beispiel Metoprolol oder Bisoprolol, bekommen, empfahl Andresen.
Tachykardien auf Vorhofebene lassen sich im Zeitalter der Herzkathetertechnik invasiv gut behandeln, zeigte der Arzt auf. So kann man supraventrikuläre Reentry-Tachykardien, bei denen kreisende elektrische Erregungen in den Vorhöfen toben und plötzliches Herzrasen auslösen, durch Verödung der zusätzlichen akzessorischen Bahn beseitigen. Bildlich gesprochen: Ist die Leitungsbahn, zum Beispiel durch Laser, »verschmort«, kann sich der kreisende Impuls nicht mehr fortpflanzen. Diese Arrhythmieform betrifft vor allem jüngere Menschen, die nach der Verödung geheilt sind. Auch Vorhofflattern wird invasiv behandelt.
Vorhofflimmern entsteht durch chaotische Erregungen in den Vorhöfen. Arzneistoffe wie Verapamil, Betablocker und Digitalis verlangsamen die Überleitung der Reize in die Ventrikel. Auf Antiarrhythmika sprechen nicht alle Patienten dauerhaft an. So litt die Hälfte der Patienten unter Flecainid und Propafenon nach einem Jahr wieder an Vorhofflimmern. Amiodaron wirkte besser: Nach einem Jahr waren immer noch 80 Prozent im Sinusrhythmus.
Eine Alternative eröffnet die Hybridtechnik: Unter Antiarrhythmika wandelt sich das Vorhofflimmern bei einem Teil der Patienten zum Flattern um, das dann verödet werden kann. Nach Andresens Angaben ist dieses Verfahren bei etwa zehn Prozent der Patienten einsetzbar. Die invasive Pulmonalvenenisolation verhindert das Vorhofflimmern bei 80 bis 85 Prozent der Patienten.