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Arzneimittelfälschungen

Individueller Code für jede Packung

07.06.2011  12:06 Uhr

Von Werner Kurzlechner, Berlin / Mit einem Internetsiegel sowie einer Art Barcode für Medikamente macht die Europäische Union mobil gegen Arzneimittelfälschung. Die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände unterstützt diesen Kampf, ihr Urteil über die Neuerungen fällt aber zwiespältig aus.

»Lukrativer als Kokain« sei der Handel mit Viagra-Plagiaten. Mit diesem Slogan und einer grafischen Aufbereitung der Profitmargen im illegalen Rauschgifthandel schärfte die ABDA vor einiger Zeit die Sensibilität für das Problem der Arzneimittelfälschung.

Während einer Diskussionsrunde bei Bayer Healthcare vorige Woche in Berlin erinnerte Thomas Bellartz, Leiter der Kommunikationsabteilung der ABDA, an diese und andere schrille Kampagnen. Plakate und Postkarten mit Motiven wie einem Penismännchen mit Herzattacke beim Geschlechtsverkehr hätten nicht immer den Geschmack der Apotheker­schaft getroffen und seien mithin in den eigenen Kreisen scharf kritisiert worden, so Bellartz.

 

Schwarze Schafe im Internet

 

Aber aus Sicht des Verbandes seien sie angesichts des Problemdrucks notwen­dig gewesen. »Mit der Liberalisierung der Vertriebswege zum 1. Januar 2004 wurde die Büchse der Pandora geöffnet«, sagte Bellartz. Die ABDA kämpfe kein Schattengefecht gegen seriöse Versandapotheken, sondern gegen die Schwierigkeit für Patienten, im Internet weiße und schwarze Schafe zu unterscheiden. »Es geht uns nicht darum, ein Geschäft für die Apotheken zu sichern«, stellte Bellartz klar. »Wichtig ist allerdings, dass der Schutzzaun nicht weiter perforiert wird – denn Medikamente sind besondere Güter.« Diesen Appell an die verantwortlichen Politiker wollte Bellartz insbesondere als präventive Maßnahme angesichts der hohen kriminellen Energie der Arzneimittelfälscher weltweit aufgefasst wissen.

 

In den vergangenen zehn Jahren seien in bundesdeutschen Apotheken acht Millionen Arzneimittelpackungen stichprobenartig auf ihre Echtheit kontrolliert worden. »Auf dem legalen Vertriebsweg haben wir in diesem Zeitraum weniger als 40 Fälschungen festgestellt«, so Bellartz. »Heute haben wir ein sicheres System.« Aber es bedürfe einiger Anstrengungen, damit dies so bleibt.

 

Auch Dr. Stephan Schwarze, bei Bayer Healthcare mit dem Schutz vor Arzneimittelfälschungen betraut, warnte eindringlich vor der zunehmenden Gefahr. Schwarze verwies auf eine internationale Studie, die 2002 weltweit noch 196 Fälle unechter Medikamente zählte, 2005 dann 1123 und im vergangenen Jahr 2054 – 327 davon in Europa. Angesichts der naturgemäß hohen Dunkelziffer in einem Schwarzmarkt könnten diese Zahlen irreführend sein, so Schwarze: »Aber die Steigerungsrate macht uns große Sorge – jeder Fall ist ein Fall zu viel.«

 

Man müsse sich darüber im Klaren sein, dass Kriminelle weltweit jede Gelegenheit zum Geldscheffeln nutzten und die Gewinnmargen im Arzneimittelbereich für sie enorm profitabel seien. Bevorzugt würden Verbrecher gefälschte Medikamente gleich palettenweise in den Handel schleusen. Aber auch den Versand einzelner gefälschter Packungen gebe es nach wie vor. Zudem existierten Fälschungen längst nicht mehr nur im Segment von Lifestyle-Präparaten wie Potenzmitteln, sondern auch im Bereich rezeptpflichtiger Medikamente.

 

Schwarze erläuterte ferner die konkreten Maßnahmen, mit denen Bayer Healthcare als Hersteller das Problem bekämpft. Am Beispiel des Hämophilie-Präparats Kogenate verdeutlichte er, dass die Packungen mittlerweile wie Geldscheine mit Echtheitsmerkmalen ausgestattet sind: vom geprägten Bayer-Kreuz über UV-Licht-Kennzeichen bis hin zu Mikroschrift mit Farbbalken. »Ein Bluter würde ohne ein echtes Medikament die kommenden Tage nicht überleben«, so Schwarze. Durchaus im Austausch mit anderen von Produktpiraterie geplagten Branchen habe Bayer Healthcare eine Fünf-Säulen-Strategie entwickelt, die seit Jahren umgesetzt werde: Man suche die Zusammenarbeit mit Behörden weltweit, unterstütze Ermittler, leite notwendige rechtliche Schritte ein, setze auf technische Maßnahmen wie die fälschungssicheren Merkmale auf den Packungen und ziele ähnlich wie die ABDA auf öffentliche Bewusstseinsbildung. »Denn erst die Nachfrage sorgt für das Angebot«, so Schwarze.

 

Die kürzlich verabschiedete EU-Direktive gegen Arzneimittelfälschung, die nun in bundesdeutsches Recht gegossen werden muss, begrüßten in ihrem Kern sowohl Bellartz als auch Schwarze. Künftig soll jede einzelne Medikamentenpackung mit einem individuellen Code und eindeutiger Seriennummer ausgestattet werden. Vor der Abgabe an die Patienten erfolgt ein Scan in der Apotheke.

 

Scan in der Apotheke

 

Der Apotheker prüft in einer Datenbank, ob das Medikament tatsächlich echt, noch nicht abgegeben und haltbar ist. Allerdings stimmten Bellartz und Schwarze darin überein, dass dieses Instrument die legalen Vertriebswege zwar weiter sichere, aber nicht unbedingt dubiose Internethändler unschädlich mache. Das ebenfalls von der EU-Kommission auf den Weg gebrachte Internetsiegel, das die Verbraucher auf eine Liste des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) mit allen autorisierten Versendern führen soll, beurteilt Bellartz hingegen skeptisch. Kriminelle, die Arzneimittel fälschten, scheuten vermutlich auch nicht davor zurück, ein Siegel im Internet zu faken. /

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