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ADKA-Präsident Frank Dörje

»Der Nachwuchs ist hoch motiviert«

29.05.2018  10:38 Uhr

Von Cornelia Dölger / Der Ruf nach flächendeckend eingesetzten Stationsapothekern wird immer lauter. Im Interview mit der PZ erläutert der neue Präsident des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA), Professor Frank Dörje, wie Apotheker auf Station zur Patienten- und Arzneimitteltherapie­sicherheit beitragen können und warum die Zeichen für die Krankenhauspharmazie günstig stehen.

PZ: Viele Offizinapotheker malen ihre Zukunft eher düster aus, seit der EuGH im Oktober 2016 ausländische Versender aus der deutschen Arzneimittelpreisbindung entlassen hat. Sie sehen sich in einer wirtschaftlichen Schieflage. Wie ist es um die berufliche Zukunft der Krankenhausapotheker bestellt?

 

Dörje: Die Zeichen für die Krankenhauspharmazie stehen aus unserer Sicht sehr günstig. Nicht zuletzt wegen der Bemühungen der Krankenhäuser, ihre Patienten-und Arzneimitteltherapiesicherheit deutlich zu verbessern, gibt es einen erhöhten und erkannten Bedarf, im Krankenhaus patientennah und interprofessionell besser zusammenzuarbeiten.

 

PZ: Was bedeutet das konkret?

 

Dörje: Die Fachexpertise von klinischen Pharmazeuten, von Apothekern auf Station, ist zunehmend gefragt. Die Krankenhäuser in Deutschland folgen damit einer Entwicklung, die in anderen europäischen Ländern bereits geübter Standard ist. Viele junge Kollegen streben einen klinisch-pharmazeutischen Berufsweg im Krankenhaus an, das freut uns.

 

PZ: Anders als die Offizinapotheker plagen Sie also keine Nachwuchs­sorgen?

 

Dörje: Doch, auch wir sehen im Krankenhaus ein drängendes Nachwuchsproblem, dies gilt insbesondere für die Führungskräfte. In den kommenden zwölf Jahren werden leitende Positionen in etwa einem Drittel der deutschen Krankenhausvollapotheken frei. Es ist jetzt schon erkennbar, dass wir deutlich mehr tun müssen, um hochqualifizierten Nachwuchs zu fördern.

 

PZ: Wie soll das geschehen?

 

Dörje: Zum Beispiel durch sogenannte »Young Potential«- und »Mentoring«-Programme. Außerdem gilt es, die Bedeutung der Aufgabe eines leitenden Krankenhausapothekers hervorzuheben, etwa indem angemessene und leistungsgerechte außertarifliche Vergütung zum Standard für diese Managementposition wird. Das Motto muss sein: Leistung muss sich auch lohnen. Insbesondere wollen wir auch junge Berufskolleginnen an Führungsaufgaben heranführen und Modelle entwickeln, Beruf und Familie besser zu vereinbaren.

 

PZ: Sie haben bei Ihrer Amtseinführung Anfang Mai angekündigt, dass die Patienten- und Arzneimitteltherapiesicherheit in Krankenhäusern Ihr Schwerpunktthema in den nächsten zwei Jahren sein soll. Was genau haben Sie vor?

 

Dörje: Unser Hauptziel ist es, bis 2021 das sogenannte »Closed Loop Medication Management« in deutschen Krankenhäusern möglichst flächendeckend umzusetzen. Dabei geht es um einen geschlossenen Medikationsprozess, dessen Kernelemente die elektronische Medikamentenverordnung durch den Arzt, das therapiebegleitende Medikationsmanagement durch den Apotheker auf Station sowie eine patientenindividuelle Arzneimittellogistik aus der Krankenhausapotheke darstellen. Auch das Pflegepersonal soll mit einbezogen und zum Beispiel vom sogenannten Tablettenstellen entlastet werden, etwa durch eine intelligente und automatisierte patientenbezogene Arzneimittel-Logistik.

 

PZ: Bereits seit Längerem fordert Ihr Verband, dass Stationsapotheker bundesweit in Krankenhäusern eingesetzt werden. Kritiker wehren sich vor allem gegen höhere Kosten und argumentieren, es stünden nicht genug qualifizierte Apotheker in den kommenden Jahren bereit. Haben sie Recht?

 

Dörje: Nein, denn es ist sicherlich möglich, den erhöhten Bedarf an Stationsapothekern zu decken. Der Berufsnachwuchs ist hoch motiviert, sich dieser Herausforderung zu stellen.

 

PZ: Wie viel mehr Personal bräuchte es denn dafür?

 

Dörje: Wir gehen davon aus, dass wir zur umfassenden Präsenz von Stationsapothekern in den Krankenhäusern innerhalb der nächsten vier Jahre einen zusätzlichen Bedarf von etwa 1500 Krankenhausapothekern haben werden. Diesen Bedarf müssten wir decken können – auch mit den derzeitigen Absolventenzahlen in der pharmazeutisch-universitären Ausbildung. Gleichzeitig unterstützen wir als Verband die vom Deutschen Apothekertag 2017 in Düsseldorf formulierte Forderung, die pharmazeutischen Ausbildungskapazitäten an deutschen Unis auszubauen.

 

PZ: Was sind Ihre wichtigsten Argumente für eine flächendeckende Etablierung von Stationsapothekern?

 

Dörje: Es ist mehrfach erwiesen, dass die Integration von Apothekern auf Station in das therapeutische Team zu einem erheblichen Zusatznutzen für die Patienten führt. Dies gilt sowohl aus qualitativer als auch aus wirtschaftlicher Sicht. Stationsapotheker stiften diesen Nutzen einerseits auf einer Mikroebene, also für die patientenindividuelle Therapie, andererseits auf einer Makroebene, etwa durch die Mitarbeit an lokal adaptierten Therapieempfehlungen, wie es zum Beispiel in der antiinfektiven Therapie im örtlichen Krankenhaus geboten ist. Dem Kostenargument der Kritiker steht also ganz klar das Qualitätsargument entgegen.

 

PZ: Hat die in Niedersachsen geplante Einführung von Stationsapothekern Vorbildcharakter?

 

Dörje: Ja, das darf man so sagen. Vor allem die sinnstiftende und wirksame Arbeit von Apothekern auf Station ist dabei das überzeugende Argument.

 

PZ: Was erwarten Sie von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder im kommenden Juni in Düsseldorf?

Dörje: Wir unterstützen alle Bemühungen, die konsequent darauf zielen, die Patienten- und Arzneimitteltherapiesicherheit zu erhöhen. Dazu gehört auch die unmittelbare Initiative der Gesundheitsministerkonferenz zur bundesweiten Förderung der Beratungstätigkeit von Apothekern auf Station. Wir begrüßen das sehr und rechnen uns gute Chancen für eine bundesweite Umsetzung aus!

 

PZ: Aktuell wurden die Regelungen zum Entlassmanagement nachjustiert. Sind Sie zufrieden damit?

 

Dörje: Das verpflichtende Entlassmanagement, das im Rahmen des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes eingeführt wurde, trägt erheblich dazu bei, die Patientenbetreuung zu verbessern – vor allem an den Schnittstellen, also bei der Aufnahme und bei der Entlassung. Wir als Krankenhausapotheker sind von dem Konzept überzeugt – aber zugleich mahnen wir deutlich bessere, pragmatische Handhabungen und eine Entbüro­kratisierung des Entlassprozesses an.

 

PZ: In der Vergangenheit waren Krankenhaus- und krankenhausversorgende Apotheker nicht immer einer Meinung. Wie ist das Verhältnis heute?

 

Dörje: Meiner Einschätzung nach hat es sich spürbar verbessert. Es gibt einige Beispiele für eine Annäherung. Etwa das gemeinsame und erfolgreiche Einwirken auf den Gesetzgeber, die Ausschreibung der ambulanten onkologischen Patientenversorgung auf der Ebene der öffentlichen Apotheke durch die Krankenkassen aufzuheben. Oder nehmen Sie das 1:1-Zusammenwirken bei der Umsetzung der Anti-Fälschungsrichtlinie »Falsified Medicines Directive« der EU im deutschen Krankenhauswesen. Und nicht zuletzt eint uns unser gemeinsames Bestreben, eine klinisch-pharmazeutische Präsenz durch Apotheker auf der Station in deutschen Krankenhäusern deutlich auszuweiten. /

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