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Pharmaziestudium

Zeit zum Entrümpeln

19.05.2015  11:08 Uhr

Von Christina Hohmann-Jeddi, Tübingen / Das im Perspektivpapier definierte Berufsbild des Apothekers macht einen Umbau des Pharmaziestudiums erforderlich. Darüber waren sich die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion auf der Tagung des Bundesverbands der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) in Tübingen einig. Doch in welche Richtung die Reise gehen soll und wann sie enden könnte, blieb unklar. Eines war aber eindeutig: Es ist Zeit zu entrümpeln.

Zu Beginn der Diskussion wurde der Status quo aufgezeigt und Kritik am bestehenden System laut. Vor allem der Zeitdruck wurde kritisiert. So erklärte BPhD-Präsidentin Franziska Möllers, dass im Studium das Kochen von Analysen im Vordergrund stehe, die aus Zeitmangel nicht hinterfragt würden. Es gehe mehr um Auswendiglernen, als um selbstständiges Erarbeiten von Inhalten und das Verstehen von Zusammenhängen. Auch Professor Dr. Eugen Verspohl, Pharmakologe von der Universität Münster, sieht das Pharmaziestudium kritisch: »Eigentlich ist es gar kein Studium«, fasste er überspitzt zusammen. Und seit seiner Studienzeit hätte sich das Studium kaum verändert.

 

Einer der Kernpunkte des Perspektivpapiers »Apotheke 2030« ist die verstärkte Orien­tierung am Patienten, erklärte Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbands. Um die jungen Pharma­zeuten auf die neuen Aufgaben wie Medi­ka­ti­ons­analyse und Medikations­ma­na­ge­ment vorzubereiten, sei es auch nötig die Studien­ordnung zu ändern. »Dies ist eines der sieben Strategiefelder, die die ABDA sofort angehen wird«, sagte Hubmann. Man müsse aber zu­nächst eine ordentliche Diagnose vor­nehmen, bevor man mit der Therapie beginnen könne. Derzeit befinde man sich noch in der Ana­ly­se­phase. Der ordnung­po­li­ti­sche Rahmen werde geprüft und das neue Berufsbild des Apo­the­kers daraufhin angeschaut, welche neuen Inhalte ins Studium aufgenommen werden müssten.

 

Allerdings machte Hubmann deutlich, dass darauf geachtet werden müsse, dass der wissenschaftliche Anspruch nicht verloren gehe. »Das Pharmaziestudium muss ein naturwissenschaftliches Studium bleiben, das durch weitere medizinische und pharmakologische Inhalte ergänzt wird«, so Hubmann. Mit dem Ruf nach mehr Praxis im Studium bestehe die Gefahr, dass das Studium an die Fachhochschule verlagert werde.

 

Orientierung an der Praxis

 

Verspohls Ansicht nach müsse bei der Überarbeitung der Studienordnung Praxis und Wissenschaft zusammengeführt werden: »Wir sollten nur noch das lehren, was später im Beruf benötigt wird – und das in Perfektion.« Er würde die Grundstruktur mit den fünf etablierten Fächern beibehalten und in jedem einzelnen Fach die Inhalte »entrümpeln«. »Wir können nicht den gesamten Stoff beibehalten.« Insgesamt sollten die Bereiche Pharmakologie und klinische Pharmazie mehr Gewicht erhalten. Eventuell könnten auch neue Inhalte wie Kommunikation, Psychologie und BWL ins Studium mit aufgenommen werden. Dagegen sprach sich Patrick Schäfer von der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg aus: Statt zu überlegen, was ins Studium hineingepackt werden könnte, solle man lieber entrümpeln. Für Themen wie BWL sei explizit der dritte Studienabschluss, der häufig vergessen werde, vorgesehen.

 

Neben dem Entrümpeln besteht auch die Möglichkeit, das Studium um ein oder zwei Semester zu verlängern, um neue Inhalte unterzubringen. Diese Verlängerung des Studiums, wie vom BPhD gefordert, wird vermutlich nicht realisierbar sein, erklärte Hubmann in der Diskussion. Das Pharmaziestudium sei ein betreuungsintensives und damit teures Studium. Die Politik werde eine Verlängerung daher nicht begrüßen.

 

Wunsch nach Spezialisierung

 

Ein häufig zitierter Kritikpunkt ist, dass das Pharmaziestudium stark verschult sei und es kaum Wahlmöglichkeiten gebe. Möllers sprach sich in der Diskussion für mehr Spezialisierungsmöglichkeiten aus. Auch Hubmann erklärte, dass im Hauptstudium mehr Wahlmöglichkeiten vorgesehen sein sollten, die aber den einheitlichen Abschluss nicht gefährden dürften. Sonst verbaue man sich spätere Berufsoptionen.

 

Hubmann erklärte, dass eine Änderung der Approbationsordnung laut Perspektivpapier vorgesehen ist. Derzeit präzisiere man die Anforderungen an das Studium und werde dann mit den aufgestellten Anforderungen an die Hochschullehrer herantreten. Ein Zeitfenster konnte Hubmann allerdings nicht nennen. In diesen Prozess sollten die Studenten stärker eingebunden werden, forderte Möllers. Schäfer gab zu bedenken, dass bereits die derzeitige Approbationsordnung viel Luft biete, Inhalte aktuell und zeitgemäß zu vermitteln. Das funktioniere aber nicht an allen Standorten gleich gut.

 

Jobben in der Apotheke

 

Einen Tipp hatte Hubmann für die Pharmaziestudierenden, um den Einstieg in die Praxis leichter zu gestalten: »Suchen Sie sich schon während des Studiums eine Apotheke, in der Sie in der vorlesungsfreien Zeit jobben können. Das erleichtert einiges.« Außerdem sei es enorm wichtig, die richtige Ausbildungsapotheke für das praktische Jahr zu finden. Einige Apotheker wirkten eher demotivierend auf den Nachwuchs, das sei bekannt, sagte Hubmann. Er riet dazu, entsprechende Listen des BPhD oder der Landesapothekerkammern mit geeigneten Betrieben zu nutzen.

 

So habe es sich die Kammer Baden-Württemberg zur Aufgabe gemacht, ausbildungswillige Apotheken zu qualifizieren, berichtete Schäfer. Wer sich »Akademische Ausbildungs­apo­theke« nennen möchte, muss einige Qualitätskriterien erfüllen und einen Einführungskurs der Kammer besuchen. Die Liste der qualifizierten Apotheken ist auf der Website der LAK Baden-Württemberg zu finden. /

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