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Apothekerberufe

17.05.2016  16:29 Uhr

Von Christina Müller, Berlin / Bei der Bundeswehr arbeiten aktuell 231 Apotheker. Drudea Lüssow ist eine von ihnen. Mit der PZ spricht die Leiterin der Bundeswehrkrankenhausapotheke in Berlin über Auslandseinsätze und Kameradschaft und erklärt, was die Wehrpharmazie so besonders macht.

PZ: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich bei der Bundeswehr zu bewerben?

 

Lüssow: Nach meiner PTA-Ausbildung habe ich in einer krankenhausversorgenden Apotheke in Kiel gearbeitet. Im Anschluss habe ich in Kiel Pharmazie studiert und als Approbierte in verschiedenen Apotheken in Schleswig-Holstein Chefvertretungen gemacht. 

 

Die in erster Linie kaufmännische Ausrichtung des Berufs in den Offizinen hat mich aber nicht zufriedengestellt. Ende der 1990-er Jahre habe ich nach einer neuen Herausforderung gesucht. Durch eine Freundin wurde ich damals auf eine Stellenanzeige der Bundeswehr für Sanitätsoffiziere Apotheker aufmerksam und habe ich mich beworben. Nach dem Einstellungsgespräch, der medizinischen Untersuchung und Begutachtung habe ich meine Grundausbildung in München an der Sanitätsakademie gemacht.

 

PZ: Sie haben also nicht bei der Bundeswehr studiert?

 

Lüssow: Nein, obwohl das natürlich auch möglich gewesen wäre. Wer sich für diesen Weg entscheidet, muss nach dem Pharmaziestudium noch Lebensmittelchemie anhängen und sich für 17 Jahre Dienstzeit in der Bundeswehr verpflichten.

 

PZ: Wozu der zweite Studiengang?

 

Lüssow: Damit die Absolventen das volle Spektrum der Wehrpharmazie bewerkstelligen können und letztlich in allen Fachbereichen einsetzbar sind. Dazu müssen sie auch Trinkwasser und Lebensmittel analysieren können – sowohl im Inlands- als auch im Auslandseinsatz.

 

PZ: Gibt es noch weitere Besonderheiten?

Lüssow: Ja, wir achten sehr darauf, dass die Studierenden kein Semester verplempern. Die Anwärter müssen regelmäßig ihren Studienverlauf melden und einen Bericht abgeben. Wer zwei Semester wiederholen muss, wird in der Regel noch einmal überprüft, ob er oder sie wirklich für den Soldatenberuf geeignet ist. Man muss sich schon ein wenig anstrengen, aber die meisten schaffen das. Zudem gibt es nicht nur die reine Berichtspflicht. Die Studierenden können sich auch an ihren betreuenden Offizier – also zum Beispiel an mich – wenden, wenn sie Fragen oder Probleme haben.

 

PZ: Wonach werden die Anwärter ausgewählt?

 

Lüssow: Alle Bewerber müssen sich in Köln einem Test unterziehen. Dabei werden etwa Intelligenz, Stressbewältigung, Reaktionsfähigkeit, mathematische Fähigkeiten und körperliche Eignung überprüft. Danach können wir realistisch einschätzen, ob der oder die Getestete wirklich für das Studium und den Dienst bei der Bundeswehr geeignet ist. Ausgeschlossen wird etwa, wer zu schlechte Augen oder Zähne hat, an Gelenkerkrankungen oder chronischen Krankheiten wie Diabetes mellitus leidet. Körpergröße und Geschlecht spielen dabei keine Rolle.

 

PZ: Müssen die Anwärter im praktischen Jahr zwangsläufig zu Ihnen in die Bundeswehrapotheke?

 

Lüssow: Nein, das ist nicht vorgeschrieben, aber wir sehen es natürlich gerne. Viele absolvieren schon während der Semesterferien Praktika bei uns. Das ist von Vorteil, wenn sie sich später entscheiden müssen, in welcher Fachrichtung sie am liebsten arbeiten möchten. Diese Möglichkeit nutzen übrigens auch viele Pharmaziestudenten, die sich nicht verpflichtet haben. Wer unsere Arbeitsweise richtig kennenlernen möchte, dem würde ich aber empfehlen, im praktischen Jahr zu uns zu kommen. Die Praktikanten werden bei uns in alle Bereiche eingewiesen: Therapeutisches Drug Monitoring, Arzneimitteltherapiesicherheit sowie logistische Aufgaben. Sie lernen zudem das Antibiotic Stewardship kennen, ein Programm, um die Qualität des Einsatzes von Antiinfektiva zu verbessern.

 

PZ: Welche Voraussetzungen sollten die Anwärter mitbringen?

 

Lüssow: Sie müssen sich darüber klar werden, ob sie bereit sind, eine Waffe in die Hand zu nehmen und diese auch zu benutzen und ob ein Auslandseinsatz für sie infrage kommt. Auslandseinsätze bedeuten immer Einschränkungen, etwa bei der Hygiene, der Ernährung, dem persönlichen Freiraum oder dem Wunsch nach Nähe zu Freunden und Familie. Vielleicht gehört auch ein bisschen Abenteuerlust dazu. Darüber hinaus sollten sie ein Händchen im Umgang mit Menschen haben. Als Apotheker kommen sie als Offizier zur Bundeswehr und übernehmen somit Führungsverantwortung.

 

PZ: Auslandseinsätze sind also die Regel. Wo sind Sie persönlich denn schon überall gewesen?

 

Lüssow: Ich war zum Beispiel im Kosovo. Dort bin ich als Verbindungsoffizier nach Kriegsende die verschiedenen medizinischen Stationen abgefahren und habe geprüft, welche Ausbildung die Mitarbeiter haben, unter welchen Bedingungen sie arbeiten müssen und mit welchem Material aus humanitären Hilfslieferungen ich sie unterstützen kann. Insgesamt war ich acht Monate vor Ort und habe Land und Leute sehr intensiv kennengelernt. In den Jahren 2002 und 2003 bin ich auf einem großen Einsatzgruppenversorger der Marine stationiert gewesen und 2007 war ich das erste Mal in Afghanistan. Dorthin bin ich 2012 noch einmal zurückgekehrt, habe dann aber nicht die Apotheke geführt, sondern eine Kompanie von 90 Soldaten.

 

PZ: Gab es einen Einsatz, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

 

Lüssow: 2009 habe ich an Karfreitag in der Nacht einen Anruf bekommen, ob ich bereit wäre, auf einen Einsatzgruppenversorger zu steigen und in der sogenannten Operation Atalanta zu versuchen, bei der Befreiung der Geiseln auf der Hansa Stavanger mitzuwirken. Somalische Piraten hatten das Containerschiff in ihre Gewalt gebracht. Ich habe zugesagt und am Ostermontag ging es los. Leider ist der Einsatz abgebrochen worden, aber es war eine sehr interessante Erfahrung, mit den Spezialkräften vor Ort zusammenzuarbeiten.

 

PZ: Was ist das Besondere an Ihrer Arbeit?

 

Lüssow: Zunächst einmal die starke interdisziplinäre Vernetzung im Krankenhaus, die ausgeprägte Kameradschaft in der Bundeswehr und die Möglichkeit, bei Auslandseinsätzen in eine völlig andere Welt einzutauchen. Aber der Beruf hat auch seine Schattenseiten: Im Auslandseinsatz ständig eine Waffe bei sich zu tragen, den Umgang mit Gewalt lernen zu müssen und zu sehen, wie Kameraden sterben, das prägt einen.

 

PZ: Wie sieht heute Ihr beruflicher Alltag aus?

 

Lüssow: Als ich 2012 in Afghanistan war, habe ich einen Anruf bekommen, ob ich die Krankenhausapotheke in Berlin leiten möchte. Da habe ich sofort zugesagt. Jetzt koordiniere ich hier die Versorgung des Krankenhauses sowie unserer Sonderkunden. Dazu gehört etwa das Auswärtige Amt mit seinen Botschaften auf der ganzen Welt, militärische Beratergruppen sowie die Berliner Oberbehörden.

 

PZ: Was ist anders als in einer zivilen Krankenhausapotheke?

 

Lüssow: Viele meiner Kollegen sind–genau wie ich–Soldaten. Das bedeutet, dass wir jederzeit kurzfristig in den Einsatz einberufen werden könnten. Das hat in der Bundeswehr absolute Priorität, sprich, wenn es keine Alternative gibt, muss ich meine Leute gehen lassen. Dafür müssen wir uns auch ständig bereithalten. Wir gehen also regelmäßig schießen und marschieren und halten uns fit.

 

PZ: Muss man sich bei der Bundeswehr als Frau in besonderem Maße durchsetzen?

 

Lüssow: Nein, das ist nicht nötig. Von den aktuell 231 Apothekern in der Bundeswehr sind 76 weiblich. Natürlich entspricht das nicht den Relationen, die insgesamt unter den Pharmazeuten zu finden sind, da ist der Frauenanteil deutlich höher. Dazu muss man ehrlicherweise sagen, dass die Arbeit bei der Bundeswehr nicht so familienfreundlich ist wie etwa ein Job in der Offizin. Sie können versetzt werden oder ins Ausland abberufen werden, das ist ein Manko, wenn man eine Familie gründen möchte.

 

PZ: Haben Sie sich speziell fort- oder weitergebildet?

 

Lüssow: Ich bin Fachapothekerin für klinische Pharmazie und bilde hier auch alle anderen Apotheker zu Fachapothekern aus. Derzeit absolviere ich zudem noch die Weiterbildung zur Fachapothekerin für Arzneimittelinformation. Ich bin in der Ausbildung zur Expertin für Antibiotic Stewardship, Palliativ- und Suchtpharmazeutin und möchte mich darüber hinaus noch im Bereich Onkologie fortbilden. /

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