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Fit im Fußball

16.05.2006  11:41 Uhr

Fit im Fußball

von Gudrun Heyn, Berlin

 

Der Preis einer Fußballerkarriere ist hoch. Fast alle deutschen Spieler der Weltmeistermannschaft von 1974 leiden heute unter Gelenkbeschwerden und Arthrose. Inzwischen ist der Fußball noch härter, die Verletzungsgefahr noch größer geworden. Durch gezieltes Training lassen sich aber viele Blessuren und ihre Spätfolgen vermeiden.

 

»Der internationale Leistungsfußball hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich gewandelt«, sagte der Vorsitzende der medizinischen Kommission des deutschen Fußballbundes, Professor Dr. Heinrich Heß, auf dem 123. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie in Berlin. Viel mehr Athletik, Tempo, körperlicher Einsatz und Kraft kennzeichnen heute den Fußball. Im Gegensatz zu 1974 haben die Spieler kaum noch Platz, um den Ball auf größeren Strecken zu halten und wie damals Franz Beckenbauer elegante Pässe zu schlagen. Vor allem ein schneller Antritt wird von den Sportlern gefordert. Dabei beträgt die Sprintstrecke, die ein Bundesligaspieler in jedem Spiel bis zu 160 Mal zurücklegt, nur 5 bis 15 Meter. Neben dem Tempo hat auch die Wettkampfhäufigkeit zugenommen. So spielen Profis von Spitzenvereinen wie Bayern München oder Schalke 04 bis zu 80 Mal pro Saison. Entsprechend kurz fallen die Erholungsphasen aus. Klima- und Zeitwechsel machen den Spielern zusätzlich zu schaffen.

 

In der Folge ist die Verletzungsrate und Verletzungsschwere enorm gestiegen. Allein die Zahl der Kreuzbandverletzungen nahm in Deutschland von 2001 auf 2002 bei den Profifußballern um 20 Prozent zu. In der englischen Fußballliga wird inzwischen mit bis zu drei Verletzungen auf 1000 Trainingsstunden sowie mit 35 Verletzungen auf 1000 Spiele gerechnet. Dringend etwas ändern muss sich auch im Jugendbereich«, sagte Heß. Heute übertrifft die Verletzungsrate der 18-Jährigen sogar die der erwachsenen Profispieler. Schon in einem Alter von 14 Jahren muss mit 16 Verletzungen auf 1000 Fußballstunden gerechnet werden. Nur die Kleinen bleiben noch weitgehend verschont, bei den 6-Jährigen treten kaum ernsthafte Blessuren auf.

 

Etwa die Hälfte aller Verletzungen geht auf Fouls zurück. Außerdem spielen Risikofaktoren, wie mangelndes Aufwärmen, ungenügende Vorbereitung, psychische Probleme und Vorverletzungen eine Rolle. Möglichst schnell wollen Profis und Amateure heute wieder einsatzbereit sein. Wer zu früh auf den Rasen zurückkehrt, dem fehlt häufig die körperliche Kontrolle, etwa dann, wenn das Kreuzband gerissen ist und die Nerven dem Gehirn nicht mehr die aktuelle Beinstellung melden können. Falsche Reaktionen sind die Folge. Doch auch Unfallchirurgen und Orthopäden können keine Wunder vollbringen und so lassen sich in vielen Fällen fehlende Nervenverbindungen nicht wieder herstellen. Das Wiederverletzungsrisiko bei Vorverletzungen ist daher etwa doppelt so hoch.

 

Viele Fußballer tragen durch ihr Verhalten noch zusätzlich zu einem höheren Risiko bei. Vor allem Schienbeinschützer werden von den Spielern gehasst, weshalb so mancher Fußballer nur die kleinste Kindergröße trägt. Auch Fußballschuhe mögen die Sportler möglichst dünn. Eine Schutzfunktion können sie daher kaum noch erfüllen. So kommt es, dass der Fußball in Deutschland mit 57 Prozent den ersten Tabellenplatz der berufsgenossenschaftlich gemeldeten Verletzungen einnimmt. Knapp die Hälfte aller Verletzungen betrifft dabei die Knie, wobei vor allem Meniskus-, Knorpel- und Kreuzbandschäden beobachtet werden.

 

Bei einer Verletzung ist schnelle Hilfe gefragt. »Was in den ersten Stunden versäumt wird, muss später mühsam in Tagen und Wochen nachgeholt werden«, sagte Hess. Wenn möglich sollten Spieler daher schon auf dem Platz notfallmäßig versorgt werden. Bei Profis sind auch die Rehabilitationsprogramme sehr umfangreich: Pro Tag werden sechs bis acht Stunden Reha-Maßnahmen durchgeführt.

 

Die beste Therapie ist jedoch eine gute Prophylaxe. Allein bei den Jugendlichen können durch Präventionsprogramme bis zu 40 Prozent aller Fußballverletzungen vermieden werden, bei den Frauen sind es sogar 80 Prozent, hieß es in Berlin. »Die 11« heißen beispielsweise die speziellen Übungen der FIFA, mit denen man Verletzungen vorbeugen kann. Moderne Trainingsprogramme, wie das der FIFA verbessern die Sensomotorik, die Beweglichkeit und die Koordination. Bis zu 15 Minuten sollten bei jedem Training geopfert werden, um etwa die Bauch- und Beinmuskulatur zu stärken.

 

Von Seiten des DFB ist dabei noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. So werden die neuen Trainingseinheiten, die Jürgen Klinsmann in der Nationalmannschaft eingeführt hat, vielfach noch belächelt. Doch die Übungen, bei denen etwa Gummibänder um die Füße getragen werden, entsprechen modernsten sportwissenschaftlichen Erkenntnissen. Dies sollten nicht nur die Profis wissen, sondern auch die Amateure und die Eltern fußballbegeisterter Jugendlicher.

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