Zeugnisübergabe an Mainzer Pharmazeuten |
07.05.2007 10:17 Uhr |
Zeugnisübergabe an Mainzer Pharmazeuten
Von Sven Siebenand, Mainz
Viele Studenten erhalten ihr Zeugnis des Zweiten Staatsexamens auf dem Postweg. Nicht so die Absolventen an der Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz. Traditionell nahmen die frischgebackenen Pharmazeutinnen und Pharmazeuten ihre Zeugnisse im Rahmen einer festlichen Examensfeier entgegen.
»Sie haben etwas geschafft, worauf Sie stolz sein können«, beglückwünschte Professor Dr. Gerd Dannhardt, Geschäftsführender Leiter des Instituts für Pharmazie, die Absolventinnen und Absolventen zum bestandenen Zweiten Staatsexamen.
In seinem Grußwort ging Dannhardt auf das Thema »Naturwissenschaftliche Ausbildung in Deutschland« ein. Nach den deprimierenden Ergebnissen der PISA-Studie sei es in den vergangenen Jahren zwar gelungen, die wissenschaftliche Grundbildung bereits im Kindergarten zu etablieren, die Umsetzung an den Schulen fehle aber in der Breite. Nicht nur die kindliche Frühbildung, sondern auch die schulische und universitäre Ausbildung müsse weiter gepflegt werden, so Dannhardt. Er plädierte dafür, rund 1500 Professuren wieder zu besetzen, um das Verhältnis von Studierenden zu Lehrenden, das momentan bei 60 zu 1 liegt, zu verbessern. Kritisch äußerte sich Dannhardt zu den sogenannten Lehrprofessuren. Gemäß dem Humboldtschen Prinzip müssten Lehre und Forschung weiterhin eine Einheit bilden an den Universitäten. »Bleiben Sie lebenslang interessiert an den Entwicklungen in den Naturwissenschaften und nehmen Sie Fortbildungsangebote an«, gab er den Absolventen mit auf den Weg ins Praktische Jahr. Das sei wichtig, um den Apotheker als unabdingbaren Heilberufler zu erhalten.
Ethik statt Monetik
»Dem Apotheker obliegt es, die Patienten optimal zu beraten. Dazu gehört es manchmal auch, zum Wohle des Patienten von der Medikamenteneinnahme abzuraten«, knüpfte der nächste Gratulant, Pharmazierat Peter Stahl, Vizepräsident der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz, an Dannhardts Appell an. Dem Spagat zwischen freiem Heilberuf und Kaufmann seien die Apotheker schon seit Langem ausgesetzt, unglücklicherweise werde er aber zunehmend größer. Die heilberufliche Tätigkeit sollte immer im Vordergrund stehen, so Stahl. Eine Möglichkeit, gegenüber Ärzten, Krankenkassen sowie Patienten Flagge zu zeigen, sei zum Beispiel das Anfertigen individueller Rezepturen in der Apotheke. Dadurch lasse sich der Wert der pharmazeutischen Leistung in der öffentlichen Apotheke erkennbar machen. Das Argument, die Herstellung individueller Rezepturen rechne sich nicht, ließ der Pharmazierat daher nicht gelten.
Berufsaussichten hervorragend
Heike Schückes, Leiterin des Landesprüfungsamtes für Studierende der Medizin und Pharmazie in Rheinland-Pfalz, schloss sich in ihrem Grußwort den Glückwünschen der Vorredner an. Sie räumte ein, dass das Pharmaziestudium verschulter sei als andere Studiengänge. Das müsse aber kein Nachteil sein, sondern ermögliche ein sehr schnelles Studium. Die Ergebnisse der Pharmaziestudenten im Ersten Staatsexamen seien in Rheinland-Pfalz sehr gut. Für den Start ins Berufsleben bescheinigte Schückes den Apothekern in spe hervorragende Berufschancen, weil der Gesundheitsmarkt Zukunft habe. Ein Grund dafür sei der demografische Wandel. Die Lebenserwartung in Deutschland sei in den vergangenen zehn Jahren um 10 Prozent gestiegen. Das führe dazu, dass die pharmazeutische Industrie weiterhin ein Beschäftigungsmotor ist. Zwischen 2000 und 2005 seien die Arbeitsplätze in der Pharmaindustrie, entgegen dem allgemeinen Trend, um mehr als 14 Prozent gestiegen.
Den Angestellten in der öffentlichen Apotheke stehen bewegte Zeiten bevor und der Wandel wird immer rasanter, so Schückes. Daher komme es darauf an, sich lebenslang an die Notwendigkeiten anzupassen. Zudem empfahl sie den Absolventinnen und Absolventen, sich verstärkt auf dem Gebiet der Prävention zu engagieren. Als Beispiel führte sie Aufklärungskampagnen zum Thema Diabetes an, die bereits erfolgreich in den öffentlichen Apotheke durchgeführt werden.
Die Pflanze als Apotheke für Insekten
Höhepunkt der Examensfeier war der Festvortrag »Die Pflanze als Apotheke für Schmetterlinge« von Professor Dr. Thomas Hartmann, Braunschweig. Hartmann informierte, dass der pflanzliche Primärstoffwechsel unentbehrlich für Wachstum und Entwicklung der Pflanze ist. Der Sekundärstoffwechsel diene unter anderem Aufgaben wie Abwehr, Stressbekämpfung sowie Anlockung und Stimulierung. Mehr als 200.000 Strukturen des Sekundärstoffwechsels seien bereits bekannt. Zu ihren typischen Eigenschaften zählen Giftigkeit, auffällige Farbe, reizende Wirkung sowie besonderer Geruch und Geschmack. Die Pflanzen nutzen die Produkte des Sekundärstoffwechsels unter anderem zur Verteidigung gegen herbivore Insekten oder Pathogene. Dabei können drei Abwehrstrategien unterschieden werden. Bei der konstitutiven Abwehr liegt der Giftstoff bereits in seiner aktiven Form vor, während er bei der induktivem Abwehr noch gebildet werden muss. Die dritte Abwehrstrategie besteht darin, dass eine inaktive Vorstufe des Giftstoffes bereits vorliegt, die bei Verletzung des Gewebes enzymatisch in die aktive Form überführt wird. Als Beispiel führte Hartmann den Waldmeister an. Die frische Pflanze enthält geruchloses Cumaringlykosid. Erst angewelkt oder getrocknet entfaltet sie ihren charakteristischen Geruch, für den der Inhaltsstoff Cumarin verantwortlich ist.
»Pflanzen haben also einige Maßnahmen parat, herbivore Insekten abzuwehren«, fasste der Biologe zusammen. Einige dieser Insekten haben ihrerseits Mechanismen entwickelt, um die pflanzlichen Toxine zu entgiften beziehungsweise sie unbeschadet zu ihrer eigenen Verteidigung gegen Insektenfresser im Körper zu akkumulieren. »So wie sich Menschen vor einer Tropenreise ein Antimalariamittel zur Prophylaxe in der Apotheke besorgen, holen sich Insekten ihren Schutz aus der Pflanze«, erklärte Hartmann. Die Pflanze diene damit quasi als Apotheke für Insekten.
Als Beispiel führte Hartmann die Gruppe der Pyrrolizidin-Alkaloide (PA) an. Wegen ihrer Toxizität meiden die meisten herbivoren Insekten Pflanzen mit PAs. Einige Insekten haben sich allerdings im Laufe der Evolution an PA-Pflanzen angepasst. Sie können die Pflanzen nicht nur fressen, ohne Schaden zu erleiden, sondern nehmen die PAs auf, integrieren sie in ihren Stoffwechsel und setzen sie zur Abwehr gegen eigene Feinde ein. Diese spezifische Anpassung, die sich zum Beispiel Bärenspinner-Raupen zu eigen gemacht haben, wäre nutzlos, wenn die Raupen PA-haltige Pflanzen nicht orten könnten. Hartmann informierte, dass die Raupen über hoch spezifische Sinnesorgane verfügen, mit denen sie PAs erkennen. Die Erregung dieser Sensillen induziert Fressen. Bärenspinnerraupen besitzen ein Enzym, das PAs entgiftet, indem das untoxische N-Oxid gebildet wird. Im Verdauungstrakt von potenziellen Feinden entsteht daraus wieder die giftige Form der Alkaloide, die freie Base.