Kein Grund zur Panik |
12.05.2006 15:57 Uhr |
<typohead type="3">Gesundheitsreform: Kein Grund zur Panik
AVWG, Telematik und anstehende Gesundheitsreform: Die vergangenen zwölf Monate haben den Apothekern zahlreiche Änderungen in den Rahmenbedingungen gebracht. In der nächsten Zeit dürfte dies weitergehen. Dennoch zog der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands, Hermann S. Keller, eine leicht positive Bilanz: »Die Zahlen des letzten Jahres zeigen, dass es für die deutschen Apotheken im Großen und Ganzen ein erträgliches Jahr war.«
Angesichts des leichten Zuwachs bei Umsatz und Ertrag sei es nicht nachvollziehbar, wenn nun Kolleginnen und Kollegen das bevorstehende Ende der Apotheke ankündigten. Noch weniger Verständnis hat Keller für Apothekenleiter, die ihre Angestellten motivierten, die Sorge um den Arbeitsplatz in Briefen an Ministerien und Abgeordnete zu formulieren.
Kompromiss war wichtig
Anlass, die Zukunft und Vergangenheit rosarot zu zeichnen, hatte Keller freilich auch nicht. Mussten die Apotheker doch aus politischen Gründen im vergangenen Frühjahr auf die ihnen vom Gesetz her zustehende deutlich Senkung des Kassenrabatts weitgehend verzichten. Immerhin habe man im Gegenzug einige Streitfragen mit den Krankenkassen im Sinne der Apothekerschaft klären können, stellte der DAV-Vorsitzende fest und machte klar, dass der damalige Kompromiss auch aus heutiger Sicht die richtige Entscheidung gewesen sei.
Kritik übte Keller auch an Teilen des Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetzes. Das Gesetz belaste erneut die Apotheken. Zudem gingen die gesetzgeberischen Maßnahmen über das Notwendige hinaus. Schließlich seien die Arzneimittelausgaben im Jahr 2005 gegenüber dem Vorjahr zwar deutlich gestiegen. Betrachte man jedoch den Zeitraum ab 2002, falle der Anstieg mit durchschnittlich 2 Prozent jährlich sehr moderat aus.
Beim in der Apothekerschaft heftig diskutierten Verbot der Naturalrabatte riet Keller zur Mäßigung. Es stimme nicht, dass die meisten öffentlichen Apotheken sich maßgeblich über Naturalrabatte und andere hohe Einkaufsvorteile finanzierten. Diese Behauptung sei deshalb auch in Innen- und Außendarstellung wenig hilfreich.
Weniger gravierend sind die Auswirkungen des AVWG auch wegen der vor zwei Jahren erfolgten Umstellung der Arzneimittelpreisverordnung. Sie verschone die Apotheker weitgehend vor den Konsequenzen der geplanten Absenkung der Festbeträge. Einem möglichen Lagerwertverlust könnten die Apotheker zudem über eine vorausschauende Lagerhaltung entgehen.
Ein weiterer Vorteil der pauschalen Apothekervergütung kommt mit dem AVWG nun auch zum Tragen. Weitgehend unabhängig vom Arzneimittelpreis können sich die Apotheker als pharmakoökonomische Berater der Ärzte positionieren und sich für sinkende Kosten bei gleichbleibender Qualität einsetzen.
Kritk am Verblistern
Beim Blick in die Zukunft sieht Keller einige wenig erfreuliche Entwicklungen. Die geplante Mehrwertsteuererhöhung auch für Arzneimittel ist aus seiner Sicht ein falscher Weg. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Bundesregierung dem Gesundheitssystem weiteres Geld entziehe, anstatt es zumindest von den Kosten versicherungsfremder Leistungen zu befreien. Im Gegenteil: Der Bundeszuschuss für solche eigentlich nicht von der GKV zu finanzierenden Aufgaben werde sogar noch gekürzt. In der Summe müsse nun die Krankenversicherung sogar zur Konsolidierung des Bundeshaushalts beitragen. Erwartungsgemäß heftig kritisierte Keller einzelne Entwicklungen im Markt. Vor allem die Pläne des Arzneimittelimporteurs Kohl zum Aufbau einer industriellen Verblisterung kommen bei der Apothekerschaft nicht gut an. Keller sieht in diesem Konzept einen deutlichen Rückschritt im Vergleich zur aktuellen Versorgungssituation: »Ich kann nicht erkennen, wie eine industrielle Logik geeignet sein kann, Kranke bei ihrer individuellen Arzneimitteltherapie zu unterstützen.«
Stattdessen biete die Apotheke ihren Patienten individuelle Versorgungskonzepte. Das Stellen von Arzneimitteln gehöre auch dazu. Kohls System gaukle dagegen bestenfalls eine patientenindividuelle Versorgung vor. In Wirklichkeit presse es »die Menschen in eine Versorgungsscha\-blone«. Dies sei kein pharmazeutischer Weg.
Ebenfalls nicht erfreut ist der DAV-Vorsitzende von den Versuchen einiger Hersteller, den vollsortierten Großhandel zum reinen Logistiker zu degradieren. Wer dies tue, gemeint ist damit vor allem die Firma Pfizer, gefährde die flächendeckende Versorgung der Menschen auch mit selten verordneten Arzneimitteln.
Keller endete mit einem Appell an die Politik. Eine sichere, schnelle und hochwertige Arzneimittelversorgung benötige verlässliche Rahmenbedingungen und Planungssicherheit. Der permanente Wechsel sei deshalb schädlich und erschüttere zudem das Vertrauen der Menschen in eine solide Versorgung. Der Deutsche Apothekerverband werde sich deshalb mit aller Kraft bei der Politik für mehr pharmapolitische Kontinuität einsetzen.