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Alles noch offen

12.05.2006  15:57 Uhr

Alles noch offen

Wer gehofft hatte, dass auf dem Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) letzte Woche in Berlin die Politiker etwas über die zukünftige Gestaltung des deutschen Gesundheitswesens sagen würden, wurde enttäuscht. Beide Vertreter der Koalitionsparteien, die im Infotainment auftraten, sind nicht in den Arbeitskreisen, die über die Eckpunkte der großen Reform beraten. Die Türen der Arbeitskreise scheinen in der Tat geschlossen zu sein, so dass keine Beratungsinhalte an die Öffentlichkeit gelangen. Entsprechend waren die Äußerungen der Koalitionspolitiker sehr vage. Es darf also weiter spekuliert werden. Das wurde auch in Berlin fleißig gemacht.

 

Trotzdem konnten die anwesenden Apothekerinnen und Apotheker einiges mitbekommen von der Atmosphäre in der großen Koalition. Insbesondere bei der Finanzierung des Systems scheinen die Koalitionäre noch weit auseinander. Im abschließenden Gastvortrag wurde Staatssekretär Dr. Klaus-Theo Schröder etwas konkreter. Die Regierung will danach zuerst die Struktur der Ausgabenseite, also der Leistungserbringer, unter die Lupe nehmen. So soll geklärt werden, ob über eine Rationalisierung Kosten gesenkt werden können. Erst dann werde die Finanzierung diskutiert.

 

Dieses Vorgehen scheint auf den ersten Blick logisch, andererseits ist es nicht zukunftsweisend. Offensichtlich will man zunächst Einsparungen realisieren, um die beitragsfinanzierten Ausgaben möglichst niedrig zu halten. Aus meiner Sicht führt dieses Vorgehen nicht zu einer nachhaltigen Finanzierung des Gesundheitssystems. Sinnvoller wäre, zunächst zu analysieren, wie viel benötigt das System, um eine qualitätsgesicherte Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung der demographischen Entwicklung und des medizinischen Fortschrittes zu garantieren. Wenn das Volumen berechnet ist, sollte umgehend über die Finanzierung diskutiert werden.

 

Die Koalition hat sich offensichtlich anders entschieden und will erst weitere Einsparungen realisieren. In diesem Zusammenhang ist es für die Politik und auch für die Apotheker hoffentlich hilfreich, dass Professor Dr. Eberhard Wille eine sachliche und nicht von Interessen gelenkte Analyse über die möglichen Kosteneinsparungen durch industrielle Verblisterung der Arzneimittel vorlegte. Diese macht deutlich, dass die Krankenkassen für industriell verblisterte Arzneimittel nicht weniger, sondern deutlich mehr Geld ausgeben müssten. Hoffentlich wird die Analyse auch von den Politikern gelesen, die sich von Versprechungen einiger weniger haben blenden lassen.

 

Wenn auch noch alles offen ist bezüglich der großen Gesundheitsreform, konnten die Apothekerinnen und Apotheker in einem Punkt beruhigt nach Hause fahren. Die Arzneimittelpreisverordnung wird nicht geändert. Die Apothekervergütung von 8,10 Euro bleibt bestehen. Das haben die Politiker beider Koalitionsparteien bestätigt. Auch haben sich beide Koalitionspartner für die Stärkung der mittelständischen Apotheke ausgesprochen.

 

Es bleibt also spannend, welche Eckpunkte in den Arbeitskreisen gefunden werden und wie weit die Leistungserbringer auch durch die große Gesundheitsreform, die eigentlich in erster Linie die Finanzierung des Systems nachhaltig sichern sollte, wieder in die Pflicht genommen werden. Im Juni werden wir hoffentlich mehr wissen.

 

Professor Dr. Hartmut Morck

Chefredakteur

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