Heilberufler auf neuen Wegen |
29.04.2008 16:57 Uhr |
Heilberufler auf neuen Wegen
Von Uta Grossmann
Apotheker verstehen sich zunehmend als Teil eines Gesundheitsnetzwerks. Zwei Beispiele zeigen, wie Heilberufler sich in der Betreuung chronisch Kranker und in der Prävention engagieren können.
Mit dem Projekt Balance bewegter Genuss hat Dr. Chalid Ashry im März 2006 ein Projeket gestartet, das Menschen hilft, die am Metabolischen Syndrom leiden. Es handelt sich um ein einjähriges Sport- und Ernährungsprogramm für Typ-2-Diabetiker. In einem Rahmenvertrag mit dem Landesverband der Betriebskrankenkassen (BKK) in Hessen ist Balance als Rehabilitations-Programm für Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 definiert.
Ashry will mit dem Programm unter Beweis stellen, dass öffentliche Apotheken für das Gesundheitsmanagement der Zukunft unverzichtbar sind. Insgesamt haben zwölf Betriebskrankenkassen unterschrieben, darunter bundesweit die Daimler BKK. Mit Techniker Krankenkasse und Barmer steht Ashry in Verhandlung, mit letzterer über ein Präventionsprojekt.
Wer als Patient teilnehmen will, muss in das Disease-Management-Programm (DMP) für Diabetes eingeschrieben sein. Gesetzliche Grundlage der DMP ist die Risikostrukturausgleich-Verordnung im Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 10. Dezember 2001.
Die Teilnehmer absolvieren ein Jahr lang zweimal pro Woche ein durch einen qualifizierten Trainer geleitetes Kraft-Ausdauer-Sportprogramm. Vorher und nachher messen sie sich Blutdruck, Puls und Blutzucker und protokollieren die Werte in einem Tagebuch.
Parallel wird das Tagebuch durch den Teilnehmer oder seine betreuende Apotheke online geführt. Der Patient übernimmt zehn Prozent der Gesamtkosten von 1149 Euro, den Rest zahlt die Kasse. Härtefälle werden von der Zuzahlung befreit.
Der theoretische Teil umfasst insgesamt acht Stunden Apothekenunterricht zum Thema Diabetes, acht Stunden Ernährungsberatung bei einer entsprechend ausgebildeten Fachkraft und drei Stunden Therapiemotivation durch einen Allgemeinmediziner oder Internisten.
Die Apotheke ist das Kernelement des Programms, sagt Ashry, Balance-Erfinder und Inhaber der Storchen-Apotheke in Reinhardshagen und zweier weiterer Apotheken. In der Stammapotheke des Teilnehmers wird ein Netzwerk aus Beteiligten koordiniert: Teilnehmer, Krankenkassen, Ärzte und Therapiezentren. Der Apotheker muss die Honorare für den Ernährungsberater und den Arzt übernehmen und gegebenenfalls einen Seminarraum für den Apothekenunterricht mieten. Für seinen Betreuungsaufwand bekommt er ein Verwaltungshonorar von 80 Euro.
Ashry sucht unermüdlich nach Projektpartnern und hat bereits diverse Firmen, aber auch Ärztenetzwerke wie die Doxs Ärztenossenschaft gewonnen, ebenso die Deutsche Diabetes Stiftung, die Deutsche Diabetes Gesellschaft und das Nationale Aktionsforum Diabetes mellitus.
Apotheke als Schaltstelle
FitFactory ist eine Idee von Dr. Christian Gerninghaus, der in Schlitz die Sonnen-Apotheke betreibt. In dem Modell wird die Apotheke zu einer Schaltstelle in der Prävention. Es handelt sich um ein Angebot von Apotheken an Firmen. Der Apotheker geht in die jeweilige Firma und klärt die Mitarbeiter über Gesundheitsrisiken auf und weist ihnen Wege zu einem gesünderen Verhalten.
Der Apotheker ermittelt Blutfette, Zucker, Blutdruck und Body-Mass-Index (BMI) beziehungsweise misst den Bauchumfang der einzelnen Mitarbeiter. Mit Hilfe der Ergebnisse wird das individuelle Gesundheitsrisiko jedes Teilnehmers errechnet. Der Apotheker hat für jeden Mitarbeiter 15 Minuten Zeit und kann konkrete Tipps zur Risikominimierung geben, etwa zur Gewichtsnormalisierung, zum Nikotinverzicht und zu mehr Bewegung. Der Apotheker bekommt 25 Euro pro Mitarbeiter und Messung. Gerninghaus' plante ursprünglich, dass die Gebühr paritätisch von Mitarbeiter und Firma gezahlt wird. Doch seit dem Start des Programms im Oktober 2007 hat sich bereits gezeigt, dass den Firmen die Gesundheit ihrer Mitarbeiter so viel wert ist, dass sie die Gebühr komplett übernehmen.
Momentan machen zehn hessische Firmen mit insgesamt 400 Mitarbeitern mit. Zehn Apotheker haben die Lizenz für FitFactory erworben. Wer als Apotheker FitFactory nutzen möchte, muss sich zunächst vor allem in den Gebieten Diabetes und Koronare Herzkrankheit qualifizieren (dafür stellt Gerninghaus Material zur Verfügung), an Ringversuchen des Zentrallaboratoriums deutscher Apotheker (ZL) teilnehmen und die Leitlinien der Bundesapothekerkammer zur Bestimmung physiologischer Werte befolgen.
In Hessen läuft ein Pilotmodell der Barmer Ersatzkasse mit Stadtverwaltungen, Produktionsstätten von Solaranlagen, einem Möbelhaus, einer Catering Firma und einem Radiosender. Ziel ist eine Vereinbarung zwischen Barmer und Hessischem Apothekerverband zur Übernahme der Kosten durch die Kasse.
Die Teilnehmer des FitFactory-Programms sind übrigens in der Mehrzahl weiblich, obwohl in den Firmen überwiegend Männer arbeiten. Das entspricht dem Trend: Frauen nutzen Präventionsangebote häufiger als Männer, die lieber ihr Auto zum TÜV bringen als selbst regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen zu gehen.
Gerninghaus möchte den Apothekern ein Instrument anbieten, mit dem sie sich als Heilberufler profilieren können. Nicht zuletzt, sagt der Apotheker, sei es eine Möglichkeit um neue Märkte zu erschließen. Denn die Kontakte zu Firmen, die durch FitFactory entstehen, lassen sich auch für andere Angebote und Dienstleistungen nutzen.