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Bayerischer Apothekertag

Klares Bekenntnis zur heilberuflich geführten Apotheke

02.05.2007  09:12 Uhr

Bayerischer Apothekertag

Klares Bekenntnis zur heilberuflich geführten Apotheke

Von Brigitte M. Gensthaler und Daniel Rücker, Bad Windsheim

 

Zwei Themen prägten den politischen Teil des bayerischen Apothekertags: die Übernahme von DocMorris durch den Gehe-Mutterkonzern Celesio und die Rabattverträge der Krankenkassen. Der Apothekertag fand dieses Mal im mittelfränkischen Bad Windsheim statt.

 

Schon bei der Eröffnung machte der Vorsitzende des Bayerischen Apothekerverbands (BAV), Gerhard Reichert, aus seiner Skepsis gegenüber der Einkaufspolitik von Celesio keinen Hehl. Er forderte die Apotheker auf, über die Motivation des Großhändlers nachzudenken. Empfehlungen, welche Schlüsse daraus zu ziehen seien, mochte er jedoch nicht abgeben. Reichert: »Jeder Apothekenleiter muss als selbstständiger Unternehmer selbst entscheiden, welche Konsequenzen er zieht.«

 

Betriebserlaubnis zurückgeben

 

Für eine endgültige Bewertung der Übernahme sei es noch zu früh, so Reichert. Gehe habe sich noch nicht deutlich geäußert, was das Unternehmen beabsichtige. In jedem Fall, so der BAV-Chef, müsse die Apotheke in Saarbrücken, die mit einer zu Unrecht erteilten Betriebserlaubnis arbeite, sofort geschlossen werden. Ansonsten werde überdeutlich, dass Gehe seine Kunden über Jahre getäuscht habe.

 

Die anwesenden Politiker waren unisono gegen die DocMorris-Übernahme, auch weil sie eindeutig gegen deutsches Recht verstößt. Viel Beifall erntete der CSU-Gesundheitspolitiker und Unionsfraktionsvize Wolfgang Zöller für sein klares Votum gegen Fremd- und Mehrbesitz bei Apotheken. Es würde sich nichts verbessern, wenn Kapitalgesellschaften öffentliche Apotheken betreiben dürften, sagte der Bundestagsabgeordnete. Dass die Wirtschaft den Verbrauchern dient und nicht umgekehrt, müsse sich auch die EU zu eigen machen, sagte er mit Blick auf das Vertragsverletzungsverfahren gegen einige europäische Staaten. Die Ausweitung von Versandapotheken und Apothekenketten würde eine geordnete, verlässliche und sichere Arzneimittelversorgung gefährden. »Die Arzneimittelsicherheit ist ein zu hohes Gut, als dass wir dies aufs Spiel setzen dürften.«

 

Das Beispiel anderer europäischer Staaten wie Großbritannien und Norwegen zeige, dass eine Kettenbildung weder den Wettbewerb stärkt noch sparen hilft. »Ketten werden den Wettbewerb verschlechtern und die Patienten werden die Rechnung bezahlen«, monierte der Unionspolitiker.

 

Bei der anschließenden Pressekonferenz legte er nach: »Apothekenketten sind nicht der richtige Weg.« Er hoffe, dass das aggressive Vorgehen von Celesio nun auch den Politikern die Augen öffne, die sich bislang für den Fremdbesitz ausgesprochen hätten. Zöller forderte das Bundesgesundheitsministerium auf, sich eindeutig zu der Übernahme zu äußern.

 

Auch die Vertreter von SPD und FDP stellten sich in einer Podiumsdiskussion gegen Apothekenketten. Der bayerische FDP-Bundestagsabgeordnete Martin Zeil machte deutlich, seine Partei setze darauf, dass der freie Heilberufler Apotheker auch in Zukunft für die Arzneimittelversorgung verantwortlich sei. Er warf der Regierung vor, sich nicht ausreichend für die Freien Berufe stark zu machen. Dies sei auch deshalb nötig, weil die EU-Kommission für diese Organisationsform kaum Verständnis habe.

 

Der Landtagsabgeordnete Joachim Wahnschaffe, der dem gesundheitspolitischen Ausschuss der SPD vorsteht, votierte ebenfalls für die flächendeckende Versorgung der Bürger, konstatierte mancherorts aber eine Überversorgung. Angesichts der jüngsten Entwicklungen hoffe er im Sinne der Patienten und Verbraucher, »dass diejenigen sich verspekuliert hätten, die DocMorris gekauft haben«. Den Apothekern wünschte er das »nötige Selbstvertrauen, um ihren Berufsstand zu verteidigen«.

 

Auf die Unterstützung des bayerischen Gesundheitsministerium darf Celesio auch nicht hoffen. Als Vertreter des Ministeriums stellte Maximilian Gassner fest, das Staatsministerium sehe die Arzneimittelversorgung bei heilberuflich geführten Apotheken in besseren Händen als bei Kapitalgesellschaften. Apothekenketten gefährdeten die betriebswirtschaftliche Basis der heilberuflichen Apotheken und seien somit eine Bedrohung für die flächendeckende Versorgung.

 

Besondere Sorge bereitet dem Ministerium offenbar, dass mit Celesio ein Großhändler eine Kette aufbauen wolle. Diese vertikale Konzentration diene mit Sicherheit nicht dem Wettbewerb. Für bedauerlich hält es Gassner, dass mit dem Europäischen Gerichtshof keine neutrale Instanz über das deutsche Fremd- und Mehrbesitzverbot entscheide, sondern eine Institution, die sich vor allem dem freien Warenverkehr innerhalb der Europäischen Union verpflichtet sehe.

 

Zuvor hatte bereits der bayerische Innenminister und mögliche zukünftige Ministerpräsident Günther Beckstein seine Abneigung gegen ein kommerzialisiertes und allein auf Profit ausgerichtetes Gesundheitswesen deutlich gemacht. Bayern und die Bundesrepublik allgemein seien mit dem freiberuflichen System immer gut gefahren. Die soziale Marktwirtschaft lebe von einzelnen, für ihr Tun verantwortlichen Unternehmern und nicht von großen Konzernen, sagte Beckstein und zitierte dabei Ludwig Erhard. Die Freiberufler seien ein wesentlicher Bestandteil einer freien Gesellschaft.

 

Ohne auf den neuen Besitzer Celesio einzugehen, machte Beckstein auch deutlich, dass er die Betriebserlaubnis für die Saarbrücker DocMorris-Apotheke für falsch hält, die Erteilung der Genehmigung sei »abenteuerlich rechtswidrig«, so der gelernte Jurist. Die Entscheidung verstoße klar gegen deutsches Apothekenrecht.

 

EuGH-Urteil offen

 

Beckstein, wie auch die anderen Politiker sehen die europäische Entscheidung um das Fremdbesitzverbot auch keineswegs so eindeutig, wie es Celesio und deren Chef, Dr. Fritz Oesterle, aktuell kommunizieren. Beckstein: »Die endgültige gerichtliche Entscheidung über die Beibehaltung oder die Abschaffung des deutschen Fremd- und Mehrbesitzverbotes bleibt abzuwarten.« Eine Prognose über den Ausgang des Verfahrens sei schwierig.

 

Beckstein strich in seiner Rede die flächendeckende Arzneimittelversorgung rund um die Uhr durch die heilberuflich geführten Apotheken heraus. Gerade in einem großen Bundesland wie Bayern sei dies ein zentrales Kriterium. Zudem biete die öffentliche Apotheke heute ein breites Arzneimittelsortiment und sorge mit Dokumentation und Prüfung für einen hohen Standard in der Arzneimittelsicherheit.

 

Beckstein wandte sich nicht nur gegen Apothekenketten, der Innenminister hat auch starke Vorbehalte gegen den Versandhandel mit Arzneimitteln. Der Versand über das Internet sei mittlerweile das Haupteinfallstor für Arzneimittelfälschungen. Das Datennetz sei der Motor dafür, dass sich ein »weltumspannender Schwarzmarkt für gefälschte Arzneimittel entwickelt« habe. Dieser berge erhebliche Gesundheitsrisiken und verursache große finanzielle Schäden. Der illegale Versand sei aber kaum zu kontrollieren, da strafrechtliche Ermittlungen gegen die kriminellen Betreiber solcher Versandgeschäfte kaum möglich seien. Gleichzeitig stellte Beckstein auch fest, dass die bayerischen Ermittlungsbehörden trotz der Probleme mit maximalem Einsatz gegen dieses »illegale Treiben« vorgehen werden.

 

Da das Internet nur begrenzt zu kontrollieren sei und der legale Versandhandel die Kontrolle des illegalen erschwere, will der Freistaat die nordrhein-westfälische Initiative zum Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln unterstützen.

 

Keine Pharmazie à la Supermarkt

 

Die Apotheker müssen sowohl den Politikern als auch Kunden und Patienten ihren Mehrwert zeigen und beweisen. Sie dürfen nicht aufgeben, ihren Beruf zu verteidigen. Für seinen flammenden Appell erntete Dr. Ulrich Krötsch, der erstmals als Kammerpräsident bei einem Bayerischen Apothekertag sprach, stürmischen Beifall.

 

Doch zunächst sprach er das Chaos an, das seit Inkrafttreten der Krankenkassen-Rabattverträge in den Apotheken herrscht. Dadurch sei die Versorgung der Patienten derzeit »suboptimal«. Eine sinnvolle Lösung böten Zielpreisvereinbarungen. Aber Wettbewerb ist nicht alles. Für Krötsch ist der Apotheker »ein kaufmännischer Heilberuf mit der verantwortungsvollen ethischen Aufgabe, die Patienten mit der besonderen Ware Arzneimittel zu versorgen«.

 

Der BAV-Vorsitzende Reichert teilt Krötschs Kritik an den Rabattverträgen. Leidtragender sei in erster Linie der Patient, denn die Zeit, die die Apotheker benötigten, um die schlecht verfügbare rabattierte Ware aufzutreiben, fehle bei der Beratung der Patienten. Zudem sei es kaum zumutbar, dass die Patienten immer wieder andere Präparate erhielten, weil die eigentlich zwischen Krankenkassen und Generikaherstellern vertraglich vereinbarten Präparate nicht verfügbar seien.

 

Unterstützung erhielten Krötsch und Reichert von Zöller. Der hält es für völlig indiskutabel, dass die Apotheker auf den von der AOK geschaffenen Problemen sitzen blieben. Die Regierung habe die Kassen zwar zum Abschluss von Rabattverträgen per Gesetz verpflichtet, sie sei dabei aber davon ausgegangen, dass die Kassen natürlich nur Vereinbarungen mit Herstellern träfen, die auch lieferfähig seien. Er erwarte von den Kassen, dass sie erst dann Rabattverträge abschließen, wenn eine flächendeckende Versorgung der Patienten sichergestellt sei. Dieser Versorgungsgrad, hohe Arzneimittelsicherheit und Erhalt der Freiberuflichkeit seien hohe Ziele, für die er sich einsetzen werde, versprach Zöller in Bad Windsheim.

 

Teurer Internethandel

 

Krötsch ging im weiteren Verlauf seiner Rede auch auf den von Beckstein thematisierten Versandhandel ein. Die »besondere Ware« wird im »ungezügelten Internethandel« mit Füßen getreten. Oft sind die angebotenen verschreibungspflichtigen Produkte, zum Beispiel Lifestyle-Präparate, gefälscht und/oder teuer, zitierte Krötsch eine ZL-Untersuchung.

 

Den Versand rezeptpflichtiger Arzneimittel auf ärztliche Verordnung habe die Bundesregierung ohne triftige Gründe in vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem EuGH erlaubt. Dieser jedoch bewertete ein Verbot dieses Handelswegs als gerechtfertigt. »Wir sollten dies als Auftrag sehen, die frühere Rechtslage wiederherzustellen.« Die Initiative zum Verbot des Versandhandels soll über den Bundesrat von Nordrhein-Westfalen kommen; einige große Bundesländer, so auch Bayern, haben bereits Unterstützung signalisiert, berichtete der Präsident.

 

Natürlich ging auch Krötsch auf die aktuelle Marktentwicklung ein. Massive Gefahr drohe dem bewährten Apothekensystem von mehreren Seiten. Branchenfremde wollten an diesem Markt teilnehmen, ohne heilberufliche Verantwortung übernehmen zu wollen und zu können. Doch ganz bewusst sei der Arzneimittelmarkt zugunsten der Patienten ein geschlossener, vom Staat geschützter Bereich. Im Gegenzug zu bestimmten Rechten müssten die Apotheker viele Gemeinwohlpflichten erfüllen, erinnerte Krötsch. Für große Kapitalgesellschaften sei der heilberufliche Charakter aber absolut nachrangig.

 

Für den Kammerpräsidenten ist klar: »Unsere Chance und Berechtigung ist die pharmazeutische Kompetenz. Deren Reduzierung schadet uns und geht zulasten der Patienten und Verbraucher.« Die Apotheker wollten keine anonyme Abgabe von Arzneimitteln im Fließbandbetrieb und keine »Pharmazeutische Betreuung à la Supermarkt«. Verlierer im Systemwandel wären die Patienten, die laut Umfragen die inhabergeführte Apotheke überwiegend sehr schätzen und für sehr vertrauenswürdig halten. Doch die Wahrnehmung von Verbrauchern und Politikern variiere stark, bedauerte der Kammerchef. Die Hauptkunden der Apotheke, Rentner und junge Mütter, hätten politisch eben wenig zu entscheiden.

 

Hoch gefährlich für die deutsche Apotheke ist das Vertragsverletzungsverfahren, das die EU gegen Österreich, Italien, Spanien und Frankreich angestrengt hat. Obgleich es kein explizites EU-Recht im Apothekenbereich gibt, werden die Länder aufgefordert, das Fremd- und Mehrbesitzverbot von Apotheken aufzuheben. Doch die deutsche Bundesregierung unternehme nichts, um das geltende deutsche Recht zu verteidigen, rügte der Präsident: »Das ist ein Skandal.«

 

Noch einmal rief Krötsch die Kollegen auf, den Mehrwert der Apotheke deutlich herauszustellen. Dazu gehöre auch die vertrauliche Beratung bei der Abgabe von Arzneimitteln in der Offizin. Nur durch ihre Individualität und Glaubwürdigkeit sowie den Mehrwert, den nur Apotheker bieten, könnten diese gegenüber Kapitalgesellschaften bestehen. »Machen Sie mit!«

 

Ketten kontra Wettbewerb

 

Das GKV-WSG spielte auf dem bayerischen Apothekertag natürlich auch abseits der Rabattverträge eine Rolle. Sowohl in ihren Grußreden als auch in der Podiumsdiskussion gingen die drei Grußredner auf das Thema ein, natürlich mit unterschiedlicher Wertung. Während Zöller die Reform für »wesentlich besser« hält, als sie in der Öffentlichkeit dargestellt wird, bezeichnete Zeil sie als Schritt in die Staatsmedizin. Freiberuflichkeit und Therapiefreiheit blieben auf der Strecke, der Gesundheitsfonds löse keine Probleme und die freien Berufe im Gesundheitswesen würden zurückgedrängt, rügte der FDP-Politiker.

 

Die nächste »Jahrhundertreform« werde schon bald kommen. Wahnschaffe setzte dagegen auf die Karte »Landespolitiker« und sprach sich von dem Gesetzeswerk frei, allerdings ohne sich ausdrücklich zu distanzieren.

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