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Ein hartnäckiges Frauenleiden |
27.04.2007 15:22 Uhr |
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Ein hartnäckiges Frauenleiden
Von Elke Wolf
Eine Erkrankung, bei der Zellen nicht nur dort wachsen, wo sie hingehören, sondern quer durch den weiblichen Unterleib wuchern, gibt der Medizin nach wie vor Rätsel auf. Unterm Strich sind das Wissen über die Endometriose und die therapeutischen Möglichkeiten ziemlich dürftig. Heilen lässt sich die rezidivfreudige Erkrankung kaum. Eine Bestandsaufnahme.
Die Endometriose gleicht einem Schwelbrand, der immer wieder aufflammen kann. Ohne Schadensbegrenzung, sprich Therapie, ist der Übergang zum Flächenbrand nicht weit: Die Endometrioseherde weiten sich aus, und das sowohl in die Breite als auch in die Tiefe. Nach Phasen trügerischer Ruhe bricht das Feuer belastender Symptome meist erneut aus. Erst die Menopause sorgt für Stillstand.
Der Name der weitverbreiteten Frauenkrankheit leitet sich vom medizinischen Fachbegriff für die Gebärmutterschleimhaut, dem Endometrium, ab. Inseln von Endometrium-ähnlichem Gewebe wachsen und wuchern außerhalb der Schleimhautauskleidung der Gebärmutterhöhle.
Rund zehn Prozent der Frauen wissen, wovon die Rede ist. Damit ist die Endometriose eine der häufigsten gynäkologischen Erkrankungen. Sie kann sich in jedem Alter nach der ersten Regelblutung bis zu den Wechseljahren bilden. Doch nur bei der Hälfte der Betroffenen hat sie echten Krankheitswert. Dann sind die Herde aktiv, verursachen Beschwerden, breiten sich aus und zerstören Organe und Organfunktionen. In den anderen Fällen ist die Endometriose nur ein Zufallsbefund: Die Herde wurde vom körpereigenen Abwehrsystem inaktiviert. Was den Organismus dazu befähigt, ist unbekannt.
Prinzipiell kann das versprengte Gebärmuttergewebe an allen Körperstellen wachsen. Häufig findet es sich in den tieferen Wandschichten der Gebärmutter (Myometrium) oder an den Eileitern (Tuben) und hat somit noch direkte Verbindung zur Gebärmutterschleimhaut. Fachleute sprechen von einer Endometriosis genitalis interna. Heften sich die Gewebestücke im Genitalbereich, aber außerhalb des Endo- und Myometriums an, zum Beispiel an den Eierstöcken, der Scheide oder am Bauchfell (Peritoneum), das den gesamten Bauchraum auskleidet und alle Bauchorgane überzieht, spricht man von einer Endometriosis genitalis externa. Weitaus am häufigsten siedelt sich das Gewebe am Bauchfell und an den Eierstöcken an (Peritoneal- und Ovarialendometriose).
Das versprengte Schleimhautgewebe sorgt für unterschiedlich starke, langsam zunehmende und zeitweise unerträgliche Menstruationsbeschwerden sowie zyklische oder permanente Schmerzen im Becken.
Gutartig, aber gemein
In die Herde eingewachsene sensorische Nerven übermitteln den Schmerz an das zentrale Nervensystem. Zumindest konnten amerikanische Neurobiologen in Endometriosezysten von Ratten derartige Nervenverbindungen nachweisen (9). Verwachsungen und Narben lösen zyklusunabhängige Beschwerden aus. So stehen Schmerzen beim Geschlechtsverkehr weit oben auf der Beeinträchtigungsliste. Auch zur Unfruchtbarkeit kann die Endometriose beitragen. Bei etwa 20 Prozent aller Patientinnen, die ungewollt kinderlos sind, ist die Endometriose als alleiniger Sterilitätsfaktor anzusehen. Ausdehnung der Erkrankung und Intensität der Beschwerden korrelieren nicht miteinander.
Daneben leiden die Frauen an unspezifischen Symptomen, die sie zum Teil erheblich beeinträchtigen. Allgemeines Unwohlsein, diffuse Bauchbeschwerden, Völlegefühl, Stimmungsschwankungen und Antriebsarmut sind viel häufiger mit Endometriose assoziiert als aus der medizinischen Literatur hervorgeht. Dies konnten amerikanische Selbsthilfegruppen anhand großer Datenerhebungen dokumentieren (Tabelle).
Symptomatik | Häufigkeit (in Prozent) |
---|---|
Menstruationsschmerzen | über 90 |
Unterbauchschmerzen, Übelkeit, Darmsymptome | 80 |
Blutungsstörungen der Gebärmutter | über 60 |
Schmerzen während des Geschlechtsverkehrs | 50 |
Kopfschmerzen, Schwindel, Magenbeschwerden | 50 |
Kinderlosigkeit | 30 bis 40 |
häufige Infektionen | 40 |
subfebrile Temperatur | 30 |
Nach einer Auswertung der Endometriosis Association Registry von mehr als 3000 Fällen; nach (9).
Bei der selten vorkommenden Endometriosis extragenitalis ummantelt die Schleimhaut Darm- und Blasenwand sowie Harnleiter. Entsprechend sind die Symptome: Während der Menstruation krampft sich die Blase zusammen, gelegentlich tritt sogar Blut beim Urinieren aus. Im Extremfall kommt es zum Harnstau. Ist der Darm in Mitleidenschaft gezogen, können Schleim und Blut die Faeces durchziehen.
Die Vielschichtigkeit der Symptome macht die Diagnose nicht leicht. Durchschnittlich vergehen sieben bis neun Jahre von den ersten Symptomen bis zum definitiven Befund. Was die Diagnose zusätzlich erschwert oder verzögert: Die Frauen halten ihre Beschwerden oft für normale Regelschmerzen. Die Untersuchungen beim Gynäkologen und mittels Ultraschall können den Verdacht auf eine Endometriose zwar erhärten, für den definitiven Nachweis ist aber eine Bauchspiegelung mit Gewebeentnahme notwendig. Die histologische Sicherung der Diagnose ist immer notwendig und wird auch von den gesetzlichen Krankenkassen gefordert.
Sich als Gebärmutter gebärden
Die Endometrioseherde machen alle Zyklusschwankungen mit, die sich bei gesunden Frauen nur in der Gebärmutter abspielen. Estrogene stimulieren ihre Proliferation, Progesteron antagonisiert den Estrogeneffekt.
Doch obwohl die Zellen in den Endometrioseläsionen auf das ovarielle Hormongeschehen reagieren, sind sie nicht unbedingt identisch mit den Zellen der Gebärmutterschleimhaut. Endometriosezellen unterscheiden sich vom »Muttergewebe« in der mikroskopischen Struktur, im Ausprägungs- und Entwicklungsgrad sowie im Gehalt an Hormonrezeptoren. Manche sind der normalen Gebärmutterschleimhaut sehr ähnlich und unterliegen dem Hormonzyklus, andere erinnern nur noch entfernt an das Ausgangsgewebe und wachsen autonom. Wieder andere zeigen sich von Hormonen völlig unbeeindruckt.
Bevorzugt siedeln die Läsionen am Bauchfell und an den Eierstöcken. Sie variieren in Farbe und Form. Die Herde sind meist dunkelrot bis dunkelbraun gefärbt. Aber auch hellbraune bis gelbe Absiedlungen, die sich nur gering über das Niveau des Bauchfellüberzugs der Beckenorgane erheben, sind charakteristisch. Manche Auflagerungen sind nur stecknadelkopfgroß, andere wachsen polypenartig vom Bauchfell ausgehend in die Bauchhöhle vor oder dringen zerstörerisch unter das Peritoneum in das umgebende Bindegewebe ein. Sie bilden Zysten, in deren Umgebung sich unterschiedlich ausgeprägte bindegewebige narbige Strukturen und entzündliche Reaktionen bilden. Zysten können spontan platzen. Es ist fraglich, ob dadurch neue Herde entstehen.
Speziell die Ovarialendometriose entwickelt große Zysten, die einen schokoladenbreiartigen Inhalt als Reste wiederholter Einblutungen aufweisen. Besonders die Farbe spiegelt unterschiedliche Endometriosephasen wider. Rote Herde scheinen die aktivsten zu sein.
Lange Zeit vertraten Mediziner die Meinung, dass die verstreuten Herde während der Menstruation, ähnlich wie die Schleimhaut, zu bluten beginnen. Nicht abfließendes Blut machte man für die Beschwerden verantwortlich. Die Molekularendokrinologie führte mittlerweile zu einer differenzierteren Sicht der Dinge. Es wird postuliert, dass im Bauchraum, an Darm oder Blase gar kein Menstruationsblut entsteht.
Eine wesentliche Funktion der Uterusschleimhaut besteht in ihren immunologischen Leistungen, die möglicherweise etwas mit der Einnistung des Embryos, aber auch mit der Abwehr von Infektionen zu tun haben. So wandern beispielsweise in der zweiten Zyklushälfte Leukozyten in die oberste Schicht der Schleimhaut und werden mit der Menstruation abgestoßen. Auch die Endometriosezellen zeigen diese immunologischen Vorgänge. Allerdings ist eine Abstoßung während der Menstruation nicht möglich. Das Gewebe entzündet sich und schmerzt in der Folge.
Verschleppt oder verwandelt?
Seit der Mediziner Carl Freiherr von Rokitansky 1860 in der Zeitschrift der Gesellschaft der Ärzte zu Wien erstmals den Fall einer Endometriose vorstellte, gab es viele Erklärungsversuche zur Herkunft des versprengten Gebärmuttergewebes. Bis heute existiert jedoch kein befriedigendes Konzept.
Die populärste Theorie ist das Konzept der »retrograden Menstruation«. John A. Sampson postulierte 1921, dass es sich um Fragmente handelt, die sich im Verlauf der Monatsblutung ablösen und statt nach außen über die Scheide rückwärts über die Eileiter in das kleine Becken gelangen und sich dort als Transplantat festsetzen. Dieses Konzept erklärt freilich nicht das Vorkommen von Endometrioseherden außerhalb des Bauchraums. Diese werden vereinzelt auch in Extremitäten, Lunge und Herz gefunden. Einzelfallberichte über Endometriose bei Frauen, bei denen durch eine Entwicklungsstörung gar keine Gebärmutter angelegt ist, sind ebenfalls nicht mit der Sampsonschen Theorie zu erklären. Genauso gibt es Männer, die wegen eines Prostatakarzinoms hohe Estrogendosen erhielten und während dieser Behandlung Endometrioseherde entwickelten.
Die zweite Theorie postuliert eine ektope metaplastische Entstehung von Endometriumgewebe. Danach wird fetal angelegtes Gewebe im Erwachsenenalter in Endometriumgewebe umgewandelt, die Endometriose also als Folge von Veränderungen in der embryonalen Gewebeausbildung angesehen. Warum es zu dieser Metaplasie kommt, ist im Detail noch nicht erforscht.
Auch die Kombination beider Modelle erscheint für viele Forscher plausibel: Danach treffen verschleppte Endometriumzellen auf unreife Zellen und lösen die Umwandlung in endometriales Gewebe aus. Die beiden letzteren Erklärungsversuche sind zumindest dann plausibel, wenn eine retrograde Menstruation nicht der Urheber sein kann.
Einer Arbeitsgruppe um Professor Dr. Gerhard Leyendecker am Klinikum Darmstadt ist es gelungen, einige Nebel um die Entstehungsgeschichte zu lichten. Ihre Erkenntnisse lassen vermuten, wie der retrograde Transport ablaufen könnte. Normalerweise wird während der Regelblutung nur die obere Schicht der Schleimhaut, die sogenannte Funktionalis abgestoßen (10). Anders bei Frauen mit Endometriose: Bei ihnen gelangen auch Zellen aus der untersten Basalisschicht ins Menstruationsblut und können damit verschleppt werden. Überdies haben die Forscher nachgewiesen, dass der Druck innerhalb der Gebärmutter überdurchschnittlich hoch ist. Junge Frauen mit Endometriose haben eine im Schnitt um 100 Prozent gesteigerte Kontraktionsaktivität (12). Dadurch ist es möglich, dass die unterste Basalisschicht teilweise aufgerissen wird. Die Autotraumatisierung der Gebärmutter beginnt bereits früh, meist unmittelbar nach Beginn der Periodenblutung, und weist der Endometriose ihren Weg.
Grund für die uterine Hyperperistaltik ist die Tatsache, dass in der Schleimhaut der Gebärmutter vermehrt Estrogene gebildet werden, wie Leyendecker und Kollegen nachweisen konnten (12). Hierfür nennen sie mehrere Beweise: Im Menstrualblut von Frauen mit Endometriose ist der Estrogenspiegel höher als bei gesunden Frauen, während die peripheren Hormonspiegel sich nicht unterscheiden. Die Basalisschicht, die die Estrogene produziert, ist bei den Betroffenen doppelt so dick wie bei gesunden Frauen. Und in der Schleimhaut von Endometriose-Patientinnen wurde überdies ein Gen namens Cyr 61 identifiziert, das 40-fach gegenüber der Norm hoch reguliert ist. Dies erfolgt durch Estrogene (1).
Basaliszellen sind äußerst teilungsfreudig, dienen sie doch dem monatlichen Nachschub an neuer Schleimhaut. Sie nisten sich an unterschiedlichen Stellen ein und beginnen zu wuchern. Offenbar sind sie bestrebt, wieder eine Gebärmutter wachsen zu lassen. In manchen Endometrioseherden findet man jedenfalls nicht nur Schleimhaut (Endometrium), sondern auch Muskelzellen (Myometrium). Dazu passt, dass bereits die Schleimhaut in der Gebärmutter bei den betroffenen Frauen ungewöhnliche Veränderungen aufweist, die sich gleichfalls in den verschleppten Herden finden, beispielsweise eine erhöhte Entzündungsbereitschaft.
Veränderte Immunreaktion
In dieses Konzept fügen sich auch jene Befunde ein, die für das Wachstum von Endometrioseherden eine von der Norm abweichende Immunantwort oder eine lokale Veränderung von Wachstumsfaktoren, etwa des Vaskulären Endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF), verantwortlich machen.
Apropos Immunantwort: Bei der peritonealen Endometriose scheint die Irritation des Peritoneums einen relevanten Stellenwert zu haben. Sicher ist, dass an den Orten peritonealer Läsionen eine vermehrte Metalloproteinasen-Aktivität sowie eine verstärkte Expression von Adhäsionsproteinen zu beobachten ist. Beides ist Voraussetzung für die Angiogenese (8, 13).
Die anschließende Reaktion des umliegenden Gewebes erklärt die unterschiedlichen Phänotypen der einzelnen Herde. Die rote Endometriose scheint die aktivste Form der Läsionen zu sein, die zur ovariellen Fluktuation tatsächlich eine Abhängigkeit zeigt und bei der histologischen Untersuchung auch endometriale Zellen bietet. Diese Herde sind angiogen hoch aktiv, was die starke Durchblutung und die damit einhergehende Symptomatik erklärt.
Dass die Läsionen im Peritoneum von der gesunden Umgebung nicht unbeantwortet bleiben, liegt auf der Hand. Vor allem Makrophagen, aber auch andere immunkompetente Zellen kumulieren um die Endometrioseherde und setzen eine Reihe von Zytokinen frei, die das Ziel haben, den chronischen Inflammationsherd einzugrenzen und zu fibrosieren. Die Umwandlung der roten Endometriose (über die schwarze) in weiße Herde scheint mit dieser molekularbiologischen Reaktion überein zu stimmen. Der Übergang von der schwarzen zur weißen Form ist der Versuch der lokal wirksamen, immunkompetenten Zellen, den entzündungsähnlichen Prozess einzugrenzen und stillzulegen (8). Jedoch: Es ist unbekannt, ob dieser inflammatorische Zustand Ursprung oder Ergebnis der Erkrankung ist.
Samentransport gestört
Bei Frauen mit Endometriose können sich die ohnehin schon gesteigerten und ungeordneten Kontraktionen der Gebärmutter in der Zyklusmitte noch steigern. Das ist vermutlich der Hauptgrund für den unerfüllten Kinderwunsch. Wie das? Die Gebärmutter transportiert durch peristaltische Kontraktionen aktiv die Samenfäden in den Eileiter, auf dessen Seite der Eisprung stattfinden wird. Ist nun die Kontraktionsfähigkeit verstärkt oder gestört, leidet auch der Samentransport (12). Die Samenfäden gelangen nicht zum Ort ihrer Bestimmung, sodass eine Befruchtung der Eizelle gar nicht möglich ist.
Zudem wuchert bei der Endometriose in der Gebärmutter die Schleimhaut in die darunter liegende Muskelschicht und zerstört diese für den Samentransport zuständige Schicht. Gleichzeitig besiedeln Makrophagen in erheblichem Umfang die Gebärmutterschleimhaut, um die nicht in die Eileiter transportierten Samenfäden zu töten. Beide Faktoren, gestörte Kontraktilität und Makrophagen-Ansturm, machen den Spermien das Leben extrem schwer.
Therapie stößt an Grenzen
Estradiol ist der wesentliche Proliferationsfaktor in der Entstehung und Unterhaltung einer Endometriose. Die Therapie stützt sich daher darauf, entweder medikamentös den Wachstumsreiz der Estrogene auf die Gebärmutterschleimhaut zu unterbinden oder das versprengte Gewebe chirurgisch zu entfernen.
Jedoch sprechen längst nicht alle Herde, zum Beispiel jene an den Eierstöcken, auf eine Hormontherapie an. Überdies weiß man, dass es nach Absetzen der Medikation genauso wie nach operativen Eingriffen gerne zu Rückfällen kommt. Solange funktionsfähige Eierstöcke oder Reste davon mit zyklischer Produktion von Estrogenen vorhanden sind, beträgt das Rezidivrisiko rund 30 Prozent innerhalb von fünf Jahren.
Egal, wie man die Patientinnen behandelt: Zu lange warten sollte man nicht. Bei fortgeschrittener Erkrankung klettern die Rezidivraten auf bis zu achtzig Prozent innerhalb von drei bis fünf Jahren.
Nur ein permanenter Entzug der stimulierend wirkenden Estrogene gewährleistet auf Dauer Beschwerdefreiheit und die Rückbildung der Erkrankung. So ist der Spuk meist erst in der Menopause vorbei. Insofern ist die beidseitige Entfernung der Eierstöcke mit oder ohne Entfernung der Gebärmutter das einzige Therapieprinzip, das vor Rezidiven bewahrt. Nur ist dieser radikale Eingriff wenig praxisnah, denn zwei Drittel der Patientinnen sind jünger als 35 und 10 Prozent sogar jünger als 20 Jahre!
OP, Arznei oder gar nichts?
Wie wird eine Patientin mit Endometriose idealerweise behandelt? Chirurgisch, medikamentös oder besser gar nicht? Eine pauschale Empfehlung gibt es nicht. Klar ist: Die stereotype Standardbehandlung gehört der Vergangenheit an. Die Therapie muss sich nach der Differenzialdiagnose richten. Neben den klassischen Kriterien wie Intensität der Beschwerden, Kinderwunsch und Ausdehnung der Endometriose muss auch berücksichtigt werden, ob die Herde aktiv sind. Eine Endometriose, die asymptomatisch und nicht progredient ist, muss nicht behandelt werden.
Dass eine Frau den Tapetenwechsel im Uterus spürt, ist normal. Doch regelmäßige unerträgliche Schmerzen sind ein Indiz für Ungereimtheiten. Bei leichten bis mittleren Beschwerden kann sich die Patientin mit Wärmflasche oder einem Entspannungsbad behelfen. Zusätze von Melisse, Rosmarin oder Schafgarbe unterstützen den krampflösenden Effekt der physikalischen Maßnahmen. Ein Tee aus Schafgarben- oder Gänsefingerkraut entspannt zusätzlich.
Rein symptomatisch wirken Spasmolytika wie N-Butylscopolamin (zum Beispiel Buscopan®) oder nicht steroidale Antirheumatika. Da bei Frauen mit Dysmenorrhö deutlich mehr Prostaglandin F2α in der Uterusschleimhaut gebildet wird und auch Endometriosegewebe reich an diesem Schmerzvermittler ist, gelingt es oft, die Pein durch Hemmung der Prostaglandinsynthese zu beseitigen. Als besonders effektiv haben sich Ibuprofen (zum Beispiel Aktren®) und Diclofenac (zum Beispiel Voltaren®) erwiesen.
Selektive Cyclooxygenase-2-Hemmer wie Celecoxib (zum Beispiel Celebrex®) haben bei Kurzzeiteinnahme einerseits zwar weniger unerwünschte gastrointestinale Wirkungen und das Blutungsrisiko ist wegen fehlender thrombozytenaggregationshemmender Wirkung reduziert. Andererseits ist bekannt, dass sie die Inzidenz kardiovaskulärer Komplikationen erhöhen können, bei Risikopatientinnen bereits nach kurzfristiger Einnahme.
Doch aus einem anderen Grund könnten die selektiven COX-2-Hemmer künftig in der Therapie eine wesentliche Rolle spielen. Im Endometrium wird COX-2 exprimiert und in Endometrioseläsionen überexprimiert, haben italienische Wissenschaftler herausgefunden (5).
Nebenwirkungen entscheidend
Sind die Beschwerden allzu heftig, kommen Gestagene, orale Kontrazeptiva, Danazol und GnRH-Analoga (Gonadorelin-Analoga) zum Einsatz. Da sich die Wirkstoffe in Bezug auf Effektivität und Rezidivrate nach Absetzen der Medikation kaum unterscheiden, sollte sich die Wahl des Medikaments am Nebenwirkungsspektrum orientieren.
Zu den Klassikern der Therapie gehört die kontinuierliche Gabe von Gestagenen, und zwar oral oder als Depotinjektion. In Deutschland dafür zugelassen sind Lynestrenol (zum Beispiel Orgametril®), Norethisteron (zum Beispiel Sovel®), Medrogeston (zum Beispiel Prothil®), Medroxyprogesteron (zum Beispiel Clinofem®) und Dydrogesteron (zum Beispiel Duphaston®). Gute Erfahrungen gibt es auch mit einem Levonorgestrel-beschichteten Intrauterinpessar (zum Beispiel Mirena®).
Die Gelbkörperhormone unterdrücken natürlicherweise in der zweiten Zyklushälfte die Aktivität von Zwischenhirn und Hirnanhangsdrüse und bremsen dadurch die Estrogenbildung in den Eierstöcken. Die Gebärmutter wird in ihrem Wachstum gebremst, deren Schleimhaut bereitet sich auf die Einnistung eines befruchteten Eis vor. Die tägliche Gestagenzufuhr soll genau diese Veränderungen auch in den Endometrioseherden herbeiführen, inklusive dem nachfolgenden Zelltod und der Auflösung der Wucherungen. Gestagene scheinen die Apoptoserate im Endometrium zu erhöhen und auf molekularer Ebene die Matrixmetalloproteinasen zu hemmen. Letztere sind für die Implantation und das ektope Wachstum von Endometriumzellen essenziell.
Reine Gestagen-Präparate haben den Nachteil, dass Schmierblutungen, Brustspannen, depressive Verstimmungen, Gewichtszunahme oder Kopfschmerzen auftreten können. Dann haben sich gestagenbetonte monophasische Kombinationspräparate bewährt, die beispielsweise Desogestrel oder Dienogest enthalten. Manche Gynäkologen verordnen auch sofort eine fixe Estrogen-Gestagen-Kombination. Die Vorteile gegenüber reinen Gestagen-Präparaten liegen in der besseren Zykluskontrolle (weniger Durchbruchblutungen auch bei Nonstop-Einnahme) und dem höheren kontrazeptiven Schutz bei jungen Frauen. Nachteil: ein erhöhtes Thromboserisiko. Bessert das Hormonpräparat die Endometriosebeschwerden nicht, ist der Wechsel auf ein anderes orales Kontrazeptivum nicht sinnvoll.
Einstiger Goldstandard
Danazol, einst Goldstandard in der Endometriosetherapie, gehört wegen seiner erheblichen androgenen Nebenwirkungen nicht mehr zum Hauptrepertoire. Das Derivat des 17-Ethinyl-Testosterons hat ein sehr komplexes Wirkungsprofil. Es bremst zum einen die Bildung und Freisetzung der Gonadotropine FSH und LH aus der Hypophyse, was die zyklischen Veränderungen und den Eisprung komplett unterdrückt. Zum anderen hemmt Danazol direkt in den Follikeln die Zellen, die Estrogene produzieren, und hat selbst direkte Gestagen- und Testosteron-ähnliche Wirkungen am Krankheitsherd.
Die Nebenwirkungen liegen auf der Hand: Virilisierungserscheinungen wie Akne, Hirsutismus und veränderte Stimmlage. Außerdem werden Fett- und Leberstoffwechsel beeinträchtigt. Vor allem der LDL/HDL-Quotient verschiebt sich zugunsten der LDL-Fraktion. Aus diesen Gründen verzichtete der Hersteller 2005 auf die Beantragung der Nachzulassung, sodass in Deutschland derzeit kein Danazol-Präparat auf dem Markt ist. Allerdings können diese aus dem Ausland bezogen werden.
Vielleicht erlebt Danazol eine Renaissance, da jetzt Darreichungsformen wie Vaginal- und Rektalsuppositorien klinisch erprobt werden. Erste Ergebnisse sprechen für eine geringere Nebenwirkungsrate. Schließlich wird der Wirkstoff direkt am Ort des Geschehens platziert und die Leberpassage entfällt.
Sprühen oder Spritzen
GnRH-Agonisten blockieren die Hypothalamus-Hypophysen-Achse und dadurch die Ausschüttung der Gonadotropine FSH und LH komplett. Die Konzentration der Eierstockshormone sackt schließlich rapide ab und zwar in einen Bereich wie nach den Wechseljahren. Der Estrogenentzug durch die GnRH-Analoga Buserelin (zum Beispiel Profact®), Nafarelin (zum Beispiel Synarela Nasenspray®), Leuprorelin (zum Beispiel Enantone®) und Goserelin (zum Beispiel Zoladex®-Gyn) bewirkt eine Atrophie des eutopen und ektopen Endometriums.
Die Nebenwirkungen sind nicht ohne: Hitzewallungen, Schweißausbrüche und atrophische Schleimhäute wie im Klimakterium. Meist werden auch die Knochen schneller demineralisiert. Im Schnitt nimmt die Knochendichte bei sechsmonatiger Behandlung um sechs bis zwölf Prozent ab. Zusätzliche Gaben von niedrig dosiertem Estrogen vermögen die klimakterischen Beschwerden zu lindern. Dennoch sollte die Anwendung zeitlich limitiert sein und rund sechs Monate nicht übersteigen.
Die Estrogen-Zugabe bezeichnet man auch als Add-back-Therapie: Durch die Substitution liegt der Estradiol-Serumlevel niedriger als der Schwellenwert, der das Wachstum der Endometrioseherde fördert.
Die GnRH-Analoga werden als Nasenspray oder (Depot-)Injektionen appliziert. Die Aufnahme durch die Nasenschleimhäute kann jedoch sehr ungleichmäßig bis schlecht sein. In Einzelfällen konnte die Funktion der Hirnanhangsdrüse und der Eierstöcke nicht ausreichend unterdrückt werden. Meist lässt auch die Compliance bei Nasensprays zu wünschen übrig, da alle acht bis zwölf Stunden nachgesprüht werden muss. GnRH-Analoga, die täglich wie Insulin unter die Haut gespritzt werden, sind zwar effektiv und gut steuerbar, aber für die Patientin sehr lästig. Deshalb haben sich Depot-Darreichungsformen durchgesetzt. Sie sind für die Patientin am angenehmsten und unterdrücken sicher die Estrogenfreisetzung.
Einen neuen Therapieansatz bieten GnRH-Antagonisten; mit Cetrorelix laufen erfolgversprechende Studien. Im Gegensatz zu den Analoga unterdrücken die Antagonisten die gonadotropen Zellen der Hypophyse sofort. Aber da eine höhere Estrogen-Basisproduktion erhalten bleibt, sind die Nebenwirkungen geringer. Das beweisen klinische Studien mit Cetrorelix. Außer leichten Kopfschmerzen zu Beginn der Therapie sind die Patientinnen beschwerdefrei. Cetrotide®, das subkutan verabreicht wird, ist derzeit zur Ovulationsstimulation bei infertilen Frauen zugelassen, aber nicht für die Endometriosetherapie.
Neue Hoffnungen schürt der Aromatasehemmer Letrozol (zum Beispiel Femara®), da in Endometrioseherden eine Überexpression der Aromatase nachgewiesen werden konnte. Deren Folge ist eine verstärkte lokale Biosynthese von Estrogen und Prostaglandin E2. Wird die Aromatase gehemmt, häuft sich kein Estradiol an: der wesentliche Proliferationsfaktor der Endometriose wird ausgebremst.
Schneiden, erhitzen oder lasern
Wie die medikamentöse Therapie kann auch die operative Entfernung der Läsionen ein Wiederaufflammen nicht sicher verhindern. Dabei ist es gleich, ob die Endometrioseherde herausgeschnitten (Excision), durch Erhitzen zerstört (Koagulation) oder gelasert (Laservaporisation) werden. Abhängig vom Ort der Läsionen wird mithilfe eines Bauchschnitts (Laparotomie), einer Bauchspiegelung (Laparoskopie) oder von der Scheide her operiert. Die Rezidivrate kann durch Kombination von medikamentöser und chirurgischer Therapie nur reduziert und das rezidivfreie Intervall verlängert werden.
Eine primäre Operation ist immer dann indiziert, wenn die Herde sehr ausgedehnt sind oder bevorzugt an den Ovarien sitzen. In beiden Fällen lassen sie sich medikamentös nur wenig beeinflussen. Auch Patientinnen mit Kinderwunsch sollten gleich operiert werden, weil unter den Medikamenten eine Empfängnis unmöglich ist. Nur die Operation erhöht Studien zufolge die Fertilität. Wichtig ist dabei jedoch, auch kleinste Herde abzutragen und keine zu übersehen. Narben und Verwachsungen könnten die Chancen auf eine Schwangerschaft weiter vermindern.
Mittlerweile weiß man, dass eine drei- bis sechsmonatige Hormonbehandlung nach der Operation die Zeit bis zum Auftreten eines Rezidivs verlängern und vor allem das Befinden der Patientin weiter verbessern kann. Selbst bei ungewollt kinderlosen Frauen mit aktiver Endometriose resultiert nach Operation plus anschließender Hormontherapie eine höhere Schwangerschaftsrate als nach alleiniger Operation, haben neueste Untersuchungen ergeben.
Die Zukunft der Therapie
Alles in allem kann man festhalten: Eine durchschlagende Therapie wird zwar seit Langem gesucht, ist aber noch nicht gefunden. Vermutlich liegt die Zukunft in Immunmodulatoren oder antiinflammatorischen Substanzen. Schließlich hat die endokrinologische Forschung aufgedeckt, dass die Sekretion von proinflammatorischen Zytokinen und das Wachstum der entsprechenden Immunzellen zu einer Kaskade führt, die sowohl die Etablierung als auch weitere Progression der Endometriose fördert. Es ist jedoch zu wünschen, dass die Forschung schnell vorangetrieben wird, handelt es sich doch um eine Erkrankung, die vielen Frauen schon in der Jugend extreme Schmerzen aufbürdet.
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Elke Wolf studierte Pharmazie in Frankfurt am Main. Die Approbation als Apothekerin erfolgte 1995 im Anschluss an das praktische Jahr in einer öffentlichen Apotheke und in der pharmazeutischen Industrie bei der damaligen Sandoz AG in Nürnberg. Nach einem Praktikum und einem Volontariat bei der Pharmazeutischen Zeitung schreibt sie seit 1997 als freie Journalistin für Fach- und Publikumsmedien sowie für die Industrie. Die PZ-Leser kennen Frau Wolf seither als Autorin zahlreicher spannender Titelbeiträge.
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