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Achtung, Überfall!

28.04.2006  13:05 Uhr

Arbeitsplatz Apotheke

Achtung, Überfall!

von Sven Siebenand, Eschborn

 

Zum Glück sind Überfälle auf Apotheken selten. Doch mehrere Fälle aus Oberfranken zeigen, dass niemand davor sicher sein kann. In den Abendstunden des 17. Januar 2006 traf es den Inhaber der Coburger Bahnhofsapotheke. Der Räuber drohte mit einer Waffe und forderte die Herausgabe von Methadon und Bargeld.

 

Der Fall blieb keine Ausnahme: Acht Wochen später, am 13. März, betrat mit hoher Wahrscheinlichkeit der gleiche Täter erneut die Bahnhofsapotheke und verlangte wiederum gewaltsam die Herausgabe des Drogenersatzes. Nur zwölf Tage danach erbeutete ein Räuber in der Adam-Riese-Apotheke in Bad Staffelstein »sein« Methadon. Erneut war der Täter mit einer schwarzen Pistole bewaffnet. Am 27. März schließlich verlief der Beutezug in der Lichtenfelser Obere-Tor-Apotheke erfolglos. Stattdessen hinterließ der Täter unter anderem Waffe und Handschuhe. Die Soko »Schwarzer Mann« der Coburger Kriminalpolizei konnte den Täter kurze Zeit später festnehmen. Bezüglich des Überfalls auf die Lichtenfelser Apotheke legte der Mann bereits ein Geständnis ab. Auf Grund der Personenbeschreibungen kommt er auch für die drei anderen Apothekenüberfälle infrage, so Soko-Leiter Dietmar Apel.

 

Wird eine Apotheke überfallen, so fordern die Täter neben Geld häufig Betäubungsmittel. In der Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts (BKA) von 2004 tauchen insgesamt 157 erfasste Fälle von Betäubungsmittel-Diebstahl aus Apotheken unter »erschwerenden Umständen« auf. Das Risiko solcher Überfalle ist enorm. Denn häufig sind die Täter und deren Vorgehensweise wegen ihrer Drogenabhängigkeit nur schwer einschätzbar.

 

Minimales Risiko

 

Durch geeignete Präventionsmaßnahmen kann der Überfall zwar nicht verhindert, das Risiko aber deutlich minimiert werden. Ansprechpartner für Fragen der Sicherheit ist die Polizei. Insgesamt 262 Polizei-Beratungsstellen bundesweit (zu finden unter www.polizei-beratung.de) erteilen kostenlos Ratschläge, wie eine Apotheke sicherer werden kann. Auch eine Beratung in der Apotheke ist möglich, um nützliche Hinweise zu bekommen, wie durch verbesserte bauliche Gestaltung das Überfallrisiko reduziert werden kann.

 

Zum Beispiel sollte sicherheitshalber der Einblick in die Geschäftsräume von außen ungehindert möglich sein. Das heißt, Schaufenster und Türen sollten nicht zu stark mit Plakaten und Aufklebern »tapeziert« sein und in der Offizin sollten nicht zu viele Regale die Sicht nach draußen versperren. Auch ein Telefon, im Idealfall ein schnurloses, in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes ist hilfreich, um im Ernstfall schnell die Polizei  benachrichtigen zu können. Eine gute Beleuchtung verbessert nicht nur die Warenpräsentation, sondern macht den Verkaufsraum auch sicherer. Für den Kassenbereich ist eine 500-Lux-Ausleuchtung empfehlenswert.

 

Auch hinsichtlich einer Videoüberwachung bietet die polizeiliche Beratungsstelle Unterstützung an. So hält sie eine Liste von Firmen bereit, die vom VDS (Verband der Schadensverhinderer) überprüft wurden. Diese so genannten Errichterlisten führen nur die Firmen auf, die die Anforderungen der Polizei an die Sicherheitsvorkehrungen komplett erfüllen. Welche Lösung schließlich gewählt wird, muss immer im Einzelfall nach Sicherheitsrisiko und Investitionsbereitschaft entschieden werden. »Die Sicherheitsvorkehrungen in meiner Apotheke waren bereits vor dem Überfall hoch. Nun überlege ich, ob ich zusätzlich eine Alarmanlage installieren lasse, die die Apotheke auf Knopfdruck sofort mit der Polizei verbindet«, sagt Johannes-Richard Gödderz, Inhaber der Obere-Tor-Apotheke in Lichtenfels.

 

Besonders »beliebte« Zeitpunkte für einen Überfall sind Beginn und vor allem Ende der Öffnungszeit. Daher ist Vorsicht geboten, wenn vor Öffnen und Betreten der Apotheke Personen verdächtig auffallen, zum Beispiel weil das Gesicht durch Motorradhelm, Maske oder Schal verdeckt ist.

 

Im Apothekenalltag sollte das Team ständig darauf achten, dass die Kassen geschlossen sind. In der Realität geht man zum Beispiel kurzerhand an die Nebenkasse, um Geld zu wechseln und lässt dabei die andere Kasse »im Stich«. Die Barbestände in den Kassen können verringert werden, indem nicht nur zum Tagesabschluss größere Geldmengen im Tresor deponiert werden. Die Tageseinnahmen sollten grundsätzlich nie in der Offizin, sondern in den Nebenräumen gezählt werden. Außerhalb der Öffnungszeiten und im Notdienst sollte die Tür grundsätzlich verschlossen bleiben und beim Einlassen von Bekannten ist es sinnvoll, auch auf andere Personen in der Umgebung zu achten. Für Geldtransporte gilt: nicht immer zur gleichen Zeit und nicht immer den gleichen Weg.

 

Nicht den Helden spielen

 

Einige Apothekenteams vereinbaren ein geheimes Warnsignal. Das kann nützlich sein, wenn der Täter mit Bekannten in die Apotheke gelangen will oder bereits drinnen ist. Auch wenn jemand im HV einen Ladendiebstahl beobachtet, kann ein Code wie »die Kassenrollen müssen aufgefüllt werden« oder »jemand muss Dr. Schuster anrufen« , die anderen Kollegen auf den Plan rufen. Ratsam ist, Verdächtiges zum Beispiel mit Zeitangabe, Kfz-Kennzeichen und Personenbeschreibung zu notieren beziehungsweise gleich der Polizei zu melden.

 

Kommt es trotz aller Sicherheitsmaßnahmen zu einem Überfall, ist wichtig, zunächst Ruhe zu bewahren und den ersten Schock möglichst schnell zu überwinden. Nervosität und Hektik können sich auch auf den Täter übertragen. Daher sollten Opfer versuchen, zumindest äußerlich ruhig und gefasst zu wirken. Grundregel Nummer zwei: Niemals Gefahr bringende Gegenwehr leisten oder sich den Anweisungen des Täters widersetzen. Die eigene Gesundheit und Unversehrtheit haben unbedingten Vorrang. Das gilt vor allem für Geiselopfer. Nur wenn keine unmittelbare Bedrohung besteht, sollte stiller Alarm ausgelöst und die Polizei verständigt werden. Wichtig für die spätere polizeiliche Ermittlung ist eine möglichst genaue Personenbeschreibung des Täters. Daher ist es wichtig, sich möglichst viele Details einzuprägen.

 

Die Zeit danach

 

Soweit noch nicht geschehen, muss nach einem Überfall sofort die Polizei alarmiert und sich  um verletzte Personen gekümmert werden. Am besten ist es, den laufenden Geschäftsbetrieb vorübergehend einzustellen, den näheren Tatort zu verlassen und nichts mehr zu berühren. Zeugen, sowohl Kunden als auch Mitarbeiter, warten am besten außerhalb des Tatorts, gegebenenfalls notieren sie Namen und Anschrift.

 

Alle Zeugen sollten sämtliche Beobachtungen über Täter und Tathergang möglichst unabhängig voneinander zu Protokoll geben. Informationen, die andere Täter zur Nachahmung animieren könnten, wie Höhe der Beute oder Sicherheitsvorkehrungen sollten die Opfer nicht an Außenstehende weitergeben.

 

Noch lange Zeit nach einem Überfall stellen die Ereignisse für viele Opfer eine große Belastung dar. Angstgefühle, Unsicherheit, Konzentrations- und Schlafstörungen treten auf. Betroffene berichten, dass sie  die Bilder vom Überfall immer wieder vor Augen haben.

 

Um das belastende Ereignis zu verarbeiten, bieten Psychologen das so genannte Debriefing an. Nach einem Banküberfall ist dieses Erste Hilfe-Programm für die Seele bereits Standard. Für Apotheken-Mitarbeiter ist es selbstverständlich genauso sinnvoll wie für andere Betroffene, zum Beispiel für Kunden. Gemeinsam mit einem Psychologen schildert dabei jeder Betroffene den Überfall aus seiner Sicht. Das erleichtert die Verarbeitung und wirkt einem dauerhaften Trauma entgegen.

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