Wenn Narben wuchern |
23.04.2013 16:37 Uhr |
Von Christiane Berg, Mainz / Was hilft Patienten mit hypertrophen Narben oder Keloiden? Die aktuelle S2k-Leitlinie gibt hier Empfehlungen. Erstmals listet sie zur Prophylaxe und Therapie Zwiebelextrakt-haltige Kombinationspräparate auf.
»Pathologische Narben sind Ausdruck einer veränderten Wundheilung mit stärker ausgeprägter Entzündungsphase, vermehrter Bildung von Narbengewebe und reduziertem Abbau von Kollagen«, sagte Dr. Jürgen P. Bauerschmitz auf der 17. Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie in Mainz. Während hypertrophe Narben auf das ursprüngliche Verletzungsareal begrenzt seien, überschreiten wulstige Keloide diesen Bereich und können über Jahre hinweg zum Teil monströs weiter wachsen, so der Oberarzt an der Hautklinik des Universitätsklinikums Erlangen. Sie seien nicht nur kosmetisch unschön, sondern können zudem die Lebensqualität durch Schmerzen, Juckreiz und Kontrakturen psychisch und physisch einschränken.
Hypertrophe Narben treten bevorzugt bei Wunden an den Schultern, dem Brustbein oder der Innenseite der Extremitäten auf, an denen die Haut Spannungen ausgesetzt ist.
Foto: Fotolia/damato
Die operative Entfernung von Keloiden führe sehr häufig zum Rezidiv. Um dieses zu verhindern, werden chirurgische Verfahren oftmals mit interstitieller Brachytherapie, also interner Strahlentherapie, kombiniert. Zudem werde bei operativen Eingriffen stets versucht, das Risiko pathologischer Narbenbildung durch spannungsfreie Schnittführungen und Nahttechniken sowie postoperative Ruhigstellung und Schonung zu mindern.
Zur Therapie hypertropher Narben empfiehlt die im April 2012 aktualisierte S2k-Leitlinie Verfahren wie die intraläsionale Glucocorticosteroid-Injektion sowie Kompressions-, Kryo- und Lasertherapie. Nicht invasiv, so Bauerschmitz, kommen neben Narbengelen auch Narbenpflaster, Druckverbände, Silikongel-Folien-Kissen und Ultraschall zum Einsatz. Nicht empfohlen wird die Behandlung mit 5-Fluorouracil. Dieses könne lediglich bei therapieresistenten Keloiden erwogen werden.
Narben glätten
Erstmals wird auch eine Empfehlung für Zwiebelextrakt-haltige Kombinationspräparate zur postoperativen Narbenprophylaxe sowie als Zusatztherapie bei der Behandlung aktiver hypertropher Narben ausgesprochen. Laut Leitlinie wirken Extractum cepae-haltige Narbenspezifika wie Contractubex® antiinflammatorisch und bakterizid. Als mögliche Mechanismen werden die Induktion von Matrix- Metallo-Proteinase I (MMP-1) sowie die Hemmung des TGF-β/Smad-Signalweges diskutiert. Das topische Narbengel enthält zudem Heparin und Allantoin. Heparin hemmt ebenfalls die Entzündung und lockert die Kollagenstruktur. Allantoin fördert die Wundheilung, wirkt keratolytisch und mildert den Juckreiz. Immunhistologische Untersuchungen haben gezeigt, dass die keratolytische und kollagenhemmende Effektivität der Wirkstoffkombination ausgeprägter ist als die der Einzelkomponenten. Mit der Behandlung kann begonnen werden, sobald die Fäden gezogen sind oder der Schorf von der Wunde abfallen ist. Das Gel sollte drei bis sechs Monate zweimal täglich einmassiert werden. /
»Trotz intensiver Forschung sind die Pathomechanismen überschießender Narbenbildung bislang nur unzureichend verstanden«, sagte Dr. Gerd Gauglitz. Der Arzt von der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München gehört zu den federführenden Autoren der S2k-Leitlinie »Therapie pathologischer Narben«. Da bei der Bildung von Keloiden eine spezifische familiäre Häufung zu beobachten sei, werden genetische Assoziationen unter anderem mit HLA-B-Genen diskutiert. Des Weiteren scheint die Aktivierung von Fibroblasten und Keratinozyten infolge vermehrter Sekretion bestimmter Zytokine und Dysbalance spezifischer Wachstumsfaktoren wie die Transforming Growth-Faktor (TGF)-β 1, 2 und 3-Isoformen eine zentrale Rolle zu spielen. Auch die Verschiebung des Gleichgewichts von EGF (Epidermal Growth Factor), PDGF (Platelet Derived Growth Factor) und FGF (Fibroblast Growth Factor) in der ansonsten physiologisch »wohl strukturierten« Wundheilungskaskade könne die Proliferation von Fibroblasten, Mast- und Matrixzellen induzieren, die vermehrt in frischen Keloiden zu finden sind.