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Artemisinin

Malaria-Mittel aus Hefepilzen

23.04.2013  12:47 Uhr

Von Annette Mende / Zum Welt-Malaria-Tag am 25. April gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Der Naturstoff Artemisinin, eines der wirksamsten Malaria-Mittel, kann mit einer neuen Methode künftig deutlich einfacher hergestellt werden. Die schlechte: Im weltweiten Kampf gegen Malaria fehlen mehrere Milliarden Dollar. Das gefährdet gleich mehrere Millennium- Entwicklungsziele der Vereinten Nationen.

Das neue Verfahren zur Artemisinin- Herstellung entwickelte ein Team um Professor Dr. Jay Keasling von der University of California in Berkeley. Die Forscher nutzen dazu gentechnisch veränderte Stämme der Backhefe (Saccharomyces cerevisiae), die sie in einer aktuellen Pub­likation in »Nature« genau beschreiben (doi: 10.1038/nature 12051). Diese Hefepilze produzieren große Mengen Artemisininsäure, aus der sich in einem weiteren biosynthetischen Schritt Artemisinin gewinnen lässt. Bisherige Versuche, Artemisininsäure zu synthetisieren, brachten nur eine magere Ausbeute von maximal 1,6 g/l. Mit der jetzt vorgestellten Methode gelang es den Wissenschaftlern, 25 g/l Artemisininsäure zu erzeugen.

Das Sesquiterpen Artemisinin kommt natürlicherweise in den Blättern des Einjährigen Beifußes (Artemisia annua) vor, aus denen es in einem aufwendigen Verfahren extrahiert wird. Kommerziell angebaut wird die Pflanze vor allem in China, Südostasien und Afrika. Qualität, Menge und Kosten des Artemisinins aus diesen Quellen sind jedoch starken Schwankungen unterworfen. Die Nachfrage nach der Substanz stieg seit 2005 deutlich an, als die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Artemisinin-haltige Kombi­präparate zur Behandlung der Malaria tropica als Therapie der ersten Wahl empfahl. Mit Eurartesim® ist auch in Deutschland ein entsprechendes Präparat auf dem Markt. Es enthält pro Tablette 320 mg Piperaquintetraphosphat und 40 mg Dihydroartemisinin.

 

Kein Patent auf das Verfahren

 

An dem in der aktuellen Publikation beschriebenen Hefe-Stamm hat die Firma Sanofi die Exklusivrechte erworben. Sie will in diesen Tagen mit der großtechnischen Artemisinin-Produktion nach dem neuen Verfahren beginnen. Die Autoren des »Nature«-Artikels weisen jedoch darauf hin, dass das Verfahren selbst nicht urheberrechtlich geschützt ist und es auch anderen Firmen unentgeltlich zur Verfügung steht.

 

Ausreichende Mengen bezahlbarer und wirksamer Arzneimittel sind eine wichtige Säule der Anstrengungen zur Bekämpfung der Malaria. Unerlässlich sind daneben Maßnahmen zur Prävention, beispielsweise imprägnierte Moskitonetze, und zur Diagnose der Erkrankung. All das kostet Geld, das in den am stärksten betroffenen Ländern nicht vorhanden ist: Afrika ist der Kontinent, auf dem die mit Abstand meisten Malaria-Toten zu beklagen sind. Laut WHO-Malaria-Bericht 2012 erkrankten 2010 weltweit schätzungsweise 219 Millionen Menschen an Malaria, 660 000 starben daran. 90 Prozent der Todesopfer kamen aus Afrika, die große Mehrheit waren Kinder unter fünf Jahre.

 

3,6 Milliarden Dollar fehlen

 

Anlässlich des Welt-Malaria-Tags am 25. April weist die Initiative »Roll back Malaria« (RBM) darauf hin, dass im internationalen Kampf gegen die Malaria 3,6 Milliarden US-Dollar fehlen. Die RBM-Partnerschaft ist ein weltweites Netzwerk von Staaten, Organisationen, Firmen, akademischen Forschungseinrichtungen und Privatpersonen, das koordinierte Aktionen zur Bekämpfung der Malaria implementiert. Sie wurde 1998 von der WHO, dem Kinderhilfswerk und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, UNICEF und UNDP, sowie der Weltbank gegründet.

 

In diesem Jahr will die RBM-Partnerschaft eine Dreijahres-Kampagne mit dem Motto »Investiere in die Zukunft: Besiege Malaria« auf den Weg bringen. Sie wirbt damit vor allem um finanzielle Unterstützung. Diese ist nötig, um das sechste Millennium-Entwicklungsziel der Vereinten Nationen zu erreichen, die Ausbreitung der Malaria bis 2015 zum Stillstand zu bringen und sie dann immer weiter zurückzudrängen. Daneben ist ein drastischer Rückgang der Krankheitslast durch Malaria auch für das Erreichen der Entwicklungsziele vier und fünf – die Senkung der Kinder- und Müttersterblichkeit – unerlässlich. /

Neuer Malaria-Erreger breitet sich aus

Sven Siebenand / Beim Internistenkongress in Wiesbaden stellte Privatdozent Dr. Tomas Jelinek vom Centrum für Reisemedizin im Rahmen eines reisemedizinischen Symposiums Neuigkeiten zum Thema Malaria vor. Er informierte unter anderem, dass der relativ neu entdeckte Parasit Plasmodium knowlesi in Asien auf dem Vormarsch ist. 80 Prozent der Malariafälle in Borneo und Malaysia werden mittlerweile durch ihn übertragen. Jelinek zufolge nimmt der Erreger Kurs auf weitere Regionen. Der Mediziner warnte, dass P. knowlesi eine sehr kurze Vermehrungszeit im Blut hat und zu schweren Krankheitsbildern, auch mit tödlichem Verlauf, führen kann. »Schnelltests sprechen bisher nicht auf P. knowlesi an«, informierte Jelinek.

 

Generell sieht er derartige Tests, die übrigens auch von der WHO verlangt wurden und zum Beispiel bei einer P.-falciparum-Infektion gut funktionieren, als enorme Bereicherung für die Malaria-Diagnostik. Eine Selbsttestung von Reisenden komme aber höchstens infrage, wenn diese vorher eingewiesen wurden.

 

Jelinek informierte zudem, dass die Malaria mittlerweile auch in höheren Lagen vorkommt. Das könne zum Beispiel bei Kilimandscharo-Touren wichtig werden. Oben auf dem Berg gebe es keine Malaria-Mücken, jedoch fliegen sie mittlerweile auch in Gebieten auf 1400 m Höhe unterhalb des Gipfels, wo einige Trekking-Touristen den Aufstieg starten. Jelinek riet Reisenden, zumindest eine Notfall-Medikation gegen Malaria im Rucksack zu haben, denn einen Malaria-Anfall auf dem Kili­mandscharo sollte man verständlicherweise unbedingt vermeiden.

 

In Deutschland gibt es laut Jelinek jährlich etwa 500 diagnostizierte Malaria-Fälle. Die meisten Betroffenen seien Migranten, die Heimatbesuche gemacht haben. Problem bei dieser Bevölkerungsgruppe sei, dass sie Malaria nicht in gleichem Maße als Risiko wahrnähme wie andere Touristen. Viele seien in ihrem Heimatland damit aufgewachsen, hätten aber im Laufe der Jahre in Deutschland oder einem anderen Industrieland ihre Teilimmunität gegen Malaria wieder verloren. Sie seien daher ebenso gefährdet, schwere Verlaufsformen der Malaria zu entwickeln, wie andere Reisende.

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