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Nutzenbewertung

Kriterien für Bestandsmarkt klar

23.04.2013  18:47 Uhr

Von Ev Tebroke / Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hat die Kriterien veröffentlicht, anhand derer patentgeschützte Arzneimittel des Bestandmarktes künftig zur Nutzenbewertung aufgerufen werden.

Gleichzeitig wurden die ersten Wirkstoffgruppen bestimmt, deren Hersteller in den nächsten elf Monaten ihre Dossiers einreichen müssen, darunter zuerst das Opioid-Analgetikum Tapentadol und Wirkstoffe gegen Osteo­porose. Hier müssen die Hersteller ihre Dossiers bis zum 15. Oktober dieses Jahres vorlegen. Mit ersten Bewertungsergebnissen ist nach Angaben des GBA ab September 2014 zu rechnen.

 

Berechenbares Modell

 

»Das ist ein entscheidender und extrem relevanter Einschnitt«, sagte Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des GBA mit Blick auf den Aufruf des Bestandmarkts. Er sei froh, den Pharmaherstellern nun ein berechenbares, nachvollziehbares Modell für die Auswahlkriterien präsentieren zu können. Damit sei es pharmazeutischen Unternehmen möglich, nachzuvollziehen, ob und wann ihre Präparate einer Nutzenbewertung unterzogen werden. »Die rechnerisch ermittelte Rangfolge der Wirkstoffe sorgt für Transparenz und ökonomische Planungssicherheit, die im Marktgeschehen benötigt wird«, so Hecken weiter.

Grundlage des Modells ist die Einstufung eines Arzneimittels einerseits anhand seines Umsatzes und andererseits anhand der Zahl der Verordnungen von Markteintritt bis zum Patentauslauf. Der Umsatz wird bei der Berechnung dabei mit 80 Prozent gewichtet, die Zahl der verordneten Arzneimittelpackungen mit 20 Prozent. Anhand einer Vorausberechnung mit typisierten Wachstumsraten wurden zu erwartende Umsätze und Verordnungszahlen für den verbleibenden Zeitraum des Unterlagenschutzes bestimmt. Aus dieser Rechengrundlage ergab sich eine Rangfolge für Umsatz und Verordnungen und die Reihenfolge der Wirkstoffe. Die aktuell aufgerufenen Wirkstoffe haben nach Angaben von Hecken bis zum Patentauslauf ein Gesamtvolumen von 5 Milliarden Euro.

 

Die erste Gruppe besteht mit Tapentadol nur aus einem Wirkstoff. Die zweite Gruppe bezieht sich auf das Anwendungsgebiet Osteoporose und umfasst die Wirkstoffe Denosumab, Strontiumranelat, rekombinantes Parathyroidhormon und Teriparatid. Außerdem aufgerufen werden in den nächsten Monaten die Wirkstoffe Rivaroxaban und Dabigatran für die Anwendungsgebiete »Vorhofflimmern, Prophylaxe Schlaganfall und kardioembolische Erkrankungen sowie tiefe Venenthrombose«, Liraglutid und Exenatid für das Anwendungsgebiet »Diabetes mellitus Typ 2«, Agomelatin und Duloxetin für das Anwendungsgebiet »Depression«, sowie die Wirkstoffe Tocilizumab, Golimumab und Certolizumab Pegol für das Anwendungsgebiet »rheumatoide Arthritis«. Die nächsten Wirkstoffgruppen sollen dann Anfang November 2013 bekannt gegeben und aufgerufen werden.

 

Wirkstoffgruppe Gliptine bereits 2012 aufgerufen

 

Die Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit Unterlagenschutz basiert auf dem seit 2011 geltenden Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG). Demnach kann der GBA für zugelassene und im Verkehr befindliche Arzneimittel (Bestandsmarkt) eine Nutzenbewertung veranlassen. Vorrangig sollen dabei Wirkstoffe bewertet werden, die für die Versorgung von Bedeutung sind oder die mit Medikamenten im Wettbewerb stehen, für die bereits ein Beschluss für eine Nutzenbewertung vorliegt, so der GBA. Ausgenommen von der Regelung sind Medikamente, die der GBA als zweckmäßige Vergleichstherapie bestimmt hat, die einem Festbetrag unterliegen oder die von der Verordnung zulasten der GKV ausgeschlossen sind.

 

Erstmals hatte der GBA im Juni 2012 eine Nutzenbewertung des Bestandsmarkts veranlasst und die Wirkstoffgruppe der Gliptine zur Behandlung von Typ-2-Diabetes aufgerufen. Dagegen hatte der Hersteller Novartis erfolglos geklagt. Die Regierung will solche Klagen durch Änderungen im Arzneimittelrecht künftig ausschließen. Vergangene Woche hatte das Kabinett einer entsprechenden Gesetzesnovelle zugestimmt. / 

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