Individuell gegen den Tumor |
20.04.2016 10:28 Uhr |
Von Ilse Zündorf / Bei Brustkrebs gleicht kein Krankheitsfall dem anderen – eine Standardtherapie gibt es nicht. Vielmehr muss die Behandlung individuell auf jede Patientin, ihre Erkrankung, ihren Allgemeinzustand und ihre Bedürfnisse abgestimmt werden.
Einmal pro Jahr dürfen wir Frauen uns zur Krebsvorsorgeuntersuchung beim Gynäkologen einfinden. Dann verfolgen wir jede Regung des Gegenübers, jeden kritischen Blick beim Abtasten und jedes Zögern mit dem Ultraschallkopf.
Mit kreativen Aktionen wie hier in Spanien wird vielerorts für die Brustkrebs- Früherkennung geworben.
Foto: dpa
Folgen nach einem unklaren Tast- und Ultraschallbefund eine Mammografie und ein Kontrastmittel-MRT, steigt die Nervosität. Bevor jedoch eine gesicherte Krebsdiagnose gestellt werden kann, muss zunächst eine Biopsie gemacht werden, um das fragliche Gewebe genauer zu charakterisieren.
Etwa jede achte Frau erhält im Laufe ihres Lebens die Diagnose Brustkrebs. Damit ist diese Krebsform inzwischen in Deutschland die häufigste Tumorerkrankung bei Frauen. Jährlich erkranken etwa 70 000 Frauen und fast 30 Prozent der Betroffenen sind jünger als 55 Jahre. Den erschreckenden Zahlen lässt sich jedoch eine positive Entwicklung gegenüberstellen: Das Sterberisiko ist dank der bisher etablierten Therapien mit 3,5 Prozent relativ gering und bei der Mehrzahl der Frauen ist heute eine brusterhaltende Operation möglich.
Tumor komplett entfernen
Welche der zahlreichen Therapiemöglichkeiten zum Einsatz kommt, hängt von verschiedenen Aspekten ab, die individuell für den speziellen Tumor einer jeden einzelnen Patientin sind: Wie groß ist der Tumor und wie schnell wächst er? Sind bereits Lymphknoten befallen und wenn ja, wie viele? Hat der Tumor schon Metastasen gebildet? Welche speziellen Proteine (Marker) sind auf und in den Tumorzellen nachzuweisen?
Die Behandlung fußt im Wesentlichen auf den drei Säulen Operation, Radiotherapie und medikamentöse Therapie. Letztere lässt sich wiederum in die (neoadjuvante) Chemotherapie, die Antihormonbehandlung und die Antikörpertherapie einteilen. Der wichtigste Schritt ist die komplette Tumorresektion. Diese Operation wird – soweit wie möglich – brusterhaltend durchgeführt. Für den Fall, dass doch großflächig Brustgewebe entfernt werden muss, kann das fehlende Gewebe bereits während oder auch nach der ersten Operation durch geeignete Implantate ersetzt werden. Die Radiotherapie zerstört mittels hochenergetischer Strahlen noch eventuell im Körper verbliebene Tumorzellen. Dabei wird die Bestrahlung so gezielt wie möglich eingesetzt, um das benachbarte gesunde Gewebe zu schonen.
Auf dem Gebiet der medikamentösen Therapie hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Eine wichtige Wirkstoffgruppe sind nach wie vor die Zytostatika. Dazu zählen Taxane (zum Beispiel Paclitaxel oder Docetaxel), Anthrazykline (zum Beispiel Doxorubicin, Epirubicin oder Mitoxantron) und Platin-Analoga wie Carboplatin oder Cisplatin. Da sie unspezifisch alle sich schnell teilenden Zellen abtöten, haben sie erhebliche unerwünschte Wirkungen, zum Beispiel auf Haarfollikel oder Schleimhäute des Gastrointestinaltrakts: Die Haare fallen aus und es kommt zu Übelkeit und Erbrechen.
Daneben gibt es mittlerweile mehrere Wirkstoffe, die gezielt eingesetzt werden, wenn die Tumorzellen bestimmte Biomarker oder Mutationen aufweisen. Einer der bekanntesten Vertreter in der Therapie des Mammakarzinoms ist der Antikörper Trastuzumab (Herceptin®), der nur dann seine Wirkung entfalten kann, wenn die Tumorzellen das Protein HER2/neu auf ihrer Oberfläche exprimieren. Dann bindet der Antikörper und signalisiert darüber dem körpereigenen Immunsystem, dass diese Zelle fremd ist und über Antikörper-abhängige zelluläre Zytotoxizität oder über Komplement-abhängige Zytotoxizität eliminiert werden muss.
Manche Patientinnen sprechen nicht auf Trastuzumab an und können alternativ mit Pertuzumab (Perjeta®) behandelt werden. Dieser Antikörper bindet ebenfalls an HER2, allerdings an ein anderes Epitop. Mit Trastuzumab-Emtansin (Kadcyla®) ist ein weiterer Wirkstoff verfügbar, der ebenfalls dazu eingesetzt werden kann, gezielt HER2-positive Tumorzellen zu eliminieren. Hier bringt der Antikörper zusätzlich mit Emtansin ein Mitosespindelgift mit, das zielgerichtet die Tumorzelle abtötet.
Ein anderer Vertreter des bei Brustkrebs verfügbaren Antikörper-Repertoires ist Bevacizumab (Avastin®), der als Angiogeneseinhibitor allerdings wiederum eher unspezifisch die Versorgung des soliden Tumors über neue Blutgefäße abschneidet. Bevacizumab wird vorwiegend dann eingesetzt, wenn die anderen Antikörper nicht genutzt werden können, also beispielsweise bei HER2-negativen Tumorzellen.
Therapie mit Kinasehemmern
Bei HER2-negativen Tumoren kann auch der mTOR-Kinase-Hemmer Everolimus (Afinitor®) angewendet werden. Er ist zugelassen für bestimmte HER2-negative, dabei auch Hormonrezeptor- positive fortgeschrittene Brustkrebsformen.
Die Mammografie ist derzeit die beste, wenn auch keine unfehlbare Methode zur Abklärung eines Brustkrebsverdachts.
Foto: Imago/blickwinkel
Zudem kommen niedermolekulare Wirkstoffe zum Einsatz, die ebenfalls gezielt bestimmte Besonderheiten von Tumorzellen ansteuern. Der Tyrosinkinaseinhibitor Lapatinib (Tyverb®) adressiert ebenfalls HER2-positive Tumorzellen und verhindert die Weiterleitung des Zellteilungssignals des Rezeptors HER2/neu und des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors (EGFR).
Werden die Tumorzellen von Estrogen zum Wachstum angeregt, können antihormonelle Wirkstoffe zum Einsatz kommen. Je nachdem, ob sich die Patientin in der Prä- oder Postmenopause befindet, kommen dafür Analoga des Gonadotropin-Releasing-Hormons (GnRH), selektive Estrogenrezeptor- Modulatoren oder Aromatase-Inhibitoren infrage. Ziel derartiger Maßnahmen ist, die wachstumsfördernde Wirkung des Estrogens auf die Tumorzellen zu inhibieren. Bei prämenopausalen Frauen führt die ständige, nicht pulsatile Gabe eines GnRH-Analogons wie Leuprorelin (Enantone®, Generika) oder Goserelin (Zoladex®) zu einer reduzierten Freisetzung von follikelstimulierendem und luteinisierendem Hormon aus der Hypophyse und folglich zu einer verringerten Estrogen-Bildung.
Antihormonelle Wirkstoffe
Der wohl bekannteste Wirkstoff aus der Gruppe der Antiestrogene in der antihormonellen Tumortherapie ist Tamoxifen (Nolvadex®, Generika), das sowohl bei prä- als auch bei als postmenopausalen Frauen eingesetzt wird. Antiestrogene binden an Estrogenrezeptoren und verhindern die hormonabhängige Genexpression. Als Alternative kann Fulvestrant (Faslodex®, Generika) als reiner steroidaler Estrogenrezeptorantagonist, vor allem bei postmenopausalen Frauen, verabreicht werden.
Postmenopausale Frauen erhalten meist Aromatasehemmer als antihormonelle Therapie. Bei diesen Patientinnen haben die Eierstöcke bereits die Estrogen-Produktion eingestellt und das Enzym Aromatase bildet aus Androgen-Vorstufen Estrogen. Wirkstoffe wie Anastrozol (Arimidex®, Generika), Letrozol (Femara®, Generika) oder Exemestan (Aromasin®, Generika) inhibieren die Aromatase und somit die Estrogen-Bildung. /