EMA untersucht Risiken |
20.04.2016 10:28 Uhr |
Von Annette Mende / Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat das Antidiabetikum Canagliflozin unter verschärfte Beobachtung gestellt, denn es kann möglicherweise das Risiko für Amputationen erhöhen.
Daneben hat die EMA die bereits laufende Überprüfung von direkt antiviral wirkenden Hepatitis-C-Medikamenten ausgeweitet und untersucht diese nun auch hinsichtlich eines möglicherweise erhöhten Leberkrebs-Risikos.
Regelmäßige Fußuntersuchungen sind für Diabetiker, die SGLT2-Hemmer einnehmen, besonders wichtig. Unter Canagliflozin wurde ein erhöhtes Amputationsrisiko beobachtet.
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Beim Canagliflozin gaben Hinweise aus laufenden Studien, wonach es unter der Therapie mit dem SGLT2-Hemmer vermehrt zu Amputationen der unteren Extremitäten, besonders der Zehen, gekommen ist, den Ausschlag für das Verfahren. Die beiden Studien CANVAS und CANVAS-R sind Langzeituntersuchungen, mit denen Hersteller Janssen-Cilag die positiven Effekte des Wirkstoffs auf die kardiovaskuläre Morbidität gegenüber Placebo belegen möchte. In der CANVAS-Studie, in der 4300 Patienten bislang durchschnittlich 4,5 Jahre beobachtet wurden, beträgt die Inzidenz von Amputationen zurzeit 7 in 1000 Patientenjahren unter 100 mg Canagliflozin täglich, 5 in 1000 Patientenjahren unter 300 mg Canagliflozin täglich und 3 in 1000 Patientenjahren unter Placebo. In der CANVAS-R-Studie, die eine ähnliche Patientenpopulation umfasst, aber erst ein Dreivierteljahr läuft, sind die Inzidenzen 7 in 1000 Patientenjahren unter Canagliflozin und 5 in 1000 Patientenjahren unter Placebo. Dieser Unterschied ist nicht statistisch signifikant.
Die EMA weist darauf hin, dass zwölf andere Studien mit dem Wirkstoff kein erhöhtes Amputationsrisiko gezeigt haben. Die Patienten in der CANVAS- und der CANVAS-R-Studie hätten ein hohes Risiko für Herz- und Gefäßkrankheiten; Amputationen habe es dementsprechend sowohl in der Placebo- als auch in der Verumgruppe gegeben. Eine eventuelle Risikoerhöhung durch Canagliflozin sei momentan lediglich ein Verdacht und noch nicht belegt.
In Deutschland ist Canagliflozin nicht mehr verfügbar, seit der Hersteller sowohl das Monopräparat Invokana® als auch das Metformin-haltige Kombipräparat Vokanamet® nach einer für ihn enttäuschenden frühen Nutzenbewertung vom Markt nahm. Da es sich bei dem möglicherweise erhöhten Amputationsrisiko um einen Klasseneffekt der SGLT2-Hemmer handeln könnte, will der mit dem Verfahren betraute Pharmakovigilanz-Ausschuss (PRAC) der EMA auch zu den beiden anderen Vertretern dieser Wirkstoffklasse, Dapagliflozin (Forxiga®) und Empagliflozin (Jardiance®), weitere Informationen einholen. Diese sind auch in Deutschland auf dem Markt.
Fühere Leberkrebs-Rezidive
Bei den direkt antiviral wirkenden Hepatitis-C-Medikamenten beruht die Ausweitung des Verfahrens auf einer kürzlich im »Journal of Hepatology« erschienenen Studie. Eine Forschergruppe um María Reiga und Zoe Mariño von der Universität Barcelona hatte darin berichtet, dass bei Patienten, die bereits an Leberkrebs erkrankt waren, ein Tumorrezidiv früher auftrat, wenn sie mit den neuen Hepatitis-C-Mitteln ohne Interferon behandelt wurden, als bei Patienten, die diese Therapie nicht erhielten (DOI: 10.1016/j.jhep.2016.04.008).
Diesem Hinweis will der PRAC nun nachgehen. Er beschäftigt sich mit den Wirkstoffen, die in Präparaten wie Daklinza®, Exviera®, Harvoni®, Olysio®, Sovaldi® und Viekirax® enthalten sind, bereits wegen des Verdachts einer Hepatitis-B-Reaktivierung bei Patienten, die gleichzeitig mit Hepatitis C und Hepatitis B infiziert sind. /