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Wechseljahre

Nur Schwitzen ist typisch

08.04.2015  10:24 Uhr

Von Annette Mende, Berlin / Wenn Frauen ins Klimakterium kommen, muss die hormonelle Umstellung als Begründung für alle möglichen körperlichen und psychischen Symptome herhalten. Eine Dresdner Arbeitsgruppe hat jetzt aber erneut gezeigt: Außer Hitzewallungen und Schweißausbrüchen sind alles normale Alterungsprozesse, die auch bei Männern vorkommen.

Nachtschweiß, Herzbeschwerden, Schlafstörungen, Harnwegsbeschwerden, Scheidentrockenheit, Stimmungsschwankungen, Ängstlichkeit, Reizbarkeit, Vergesslichkeit, nachlassende Konzentrationsfähigkeit, abnehmende sexuelle Lust – die Liste der Symptome, die den Wechseljahren zugeschrieben werden, ist lang. Zu lang, sagt Professor Dr. Kerstin Weidner von der Universitätsklinik Dresden. Denn ihr zufolge dürfte sie eigentlich nur aus zwei Punkten bestehen: Hitzewallungen und Schweißausbrüche.

 

»Die allermeisten bisherigen Studien haben klimakterische Symptome ausschließlich im Alter zwischen 40 und 60 erfasst und sie diesem Lebens­abschnitt fälschlicherweise kausal zugeordnet«, sagte Weidner beim Kongress für psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Berlin. Die klinische Erfahrung zeige aber, dass Frauen genau diese Beschwerden auch in anderen Lebensphasen haben – und Männer übrigens auch. Weidner und ihre Arbeitsgruppe befragten daher in einer repräsenta­tiven Stichprobe Frauen und Männer aller Altersgruppen mithilfe der standardisierten Menopause Rating Scale nach Wechseljahresbeschwerden.

 

Psychische Symptome nicht häufiger

Es zeigte sich, dass die allermeisten Beschwerden nicht mit dem Klimakterium in Zusammenhang gebracht werden können. Insbesondere psychische Symptome ließen sich nicht der Zeit der Wechseljahre zuordnen. Hier fand sich noch nicht einmal eine alterstypische Korrelation; ob jemand zu Depressi­vität, Reizbarkeit oder Ängstlichkeit neigt, ist also eine Typfrage und keine des Alters oder des Geschlechts.

 

Häufigkeit und Schwere vieler körperlicher Symptome, wie Schlafstörungen, Herz-, Muskel- und Gelenkbeschwerden, stiegen mit zunehmendem Alter, und zwar bei beiden Geschlechtern. »Sowohl Frauen als auch Männer durchlaufen einen normalen Alterungsprozess, im Zuge dessen körperliche Beschwerden zunehmen«, sagte Weidner. Dazu passt, dass Bildungsniveau, Einkommen, Partnerschaft, Berufstätigkeit und Selbstwirksamkeit, also das Gefühl, selbstständig handeln und etwas bewirken zu können, die wahrgenommene Symptomintensität beeinflussten. Bei den meisten sogenannten Wechseljahresbeschwerden handele sich also um unspezifische, multikausale körperliche und psychische Symptome, die zwar alters- aber nicht geschlechtsabhängig seien, so Weidner.

 

Einzig Hitzewallungen und Schweißausbrüche ließen sich eindeutig dem Klimakterium zuordnen, und hier sieht Weidner auch die einzige Indikation für eine Hormonersatztherapie. »Sofern die Probleme anders nicht in den Griff zu bekommen sind, etwa durch entsprechende Kleidung, ist eine zeitlich begrenzte, systemische Hormonsubstitution gerechtfertigt.« Eine lokale Estrogentherapie könne zudem Trockenheit der Vaginalschleimhaut lindern, unter der Frauen mit zunehmendem Alter häufiger litten. Doch auch dies ist kein Klimakteriums-spezifisches Symptom, wie die Ärztin betonte, sondern eines, das mit zunehmendem Alter alle Schleimhäute betrifft.

 

Ergebnisse bestätigt

 

Weidner beschäftigt sich mit ihrem Team schon eine Weile mit dieser Thematik. Bereits im Jahr 2012 kam die Arbeitsgruppe im Fachjournal »Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie« zu einem ähnlichen Ergebnis (DOI: 10.1055/s-0032-1311561). Die aktuelle, bislang noch nicht veröffentlichte Studie umfasst aber mit 1350 Frauen und 1177 Männern eine noch größere Stichprobe.

 

»Die Wechseljahre sind aus psycho­somatischer Sicht eine typische Schwellensituation mit körperlichen, psychischen und sozialen Veränderungen«, sagte Weidner. Eine Pathologisierung des Klimakteriums und die vorschnelle Zuschreibung diverser Symptome müssten unterbleiben. Die Hormonsubstitution solle angesichts der mit ihr verbundenen Risiken, zu denen eine erhöhte Brustkrebs-Wahrscheinlichkeit gehört, auf die Fälle beschränkt bleiben, in denen Hitzewallungen und Schweißausbrüche die Frau massiv beeinträchtigen. /

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