Konkrete Vorgaben für Krankenhäuser |
05.04.2017 09:38 Uhr |
Von Vanessa Christin Vollmar / In Krankenhausapotheken individuell hergestellte Zytostatika, die im Rahmen einer ambulanten Klinikbehandlung zum Einsatz kommen, unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Das hatte der Bundesfinanzhof (BFH) im September 2014 entschieden. Konkrete Hinweise aus dem Finanzministerium sollen nun für Klarheit im Umgang mit dem Urteil sorgen. Wesentliche Fragen bleiben dennoch vorerst ungeklärt.
Die BFH-Entscheidung sorgt seit Herbst 2014 für große Verunsicherung in deutschen Kliniken. Stellt die eigene Krankenhausapotheke Zytostatika für die ambulante Behandlung her, stellen Produktion und Abgabe dieser Medikamente nach Meinung der Richter einen mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsatz im Sinne des § 4 Nr. 16b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) dar. Auf die mit den Arzneimitteln erzielten Einnahmen müssen die Kliniken demnach keine Umsatzsteuer zahlen.
Seit Anfang April gilt: Kliniken müssen keine Umsatzsteuer auf Zytostatika zahlen, wenn die eigene Krankenhausapotheke das Krebsmedikament für die ambulante Behandlung herstellt.
Foto: Imago/Michael Westermann
Bis zu der Entscheidung des BFH gingen sowohl Krankenkassen als auch Kliniken davon aus, dass die Abgabe von Zytostatika durch eine Krankenhausapotheke der Umsatzsteuerpflicht unterliegt. Dementsprechend hatten die Krankenhäuser die Umsatzsteuer regelmäßig an das zuständige Finanzamt abgeführt. Als Reaktion auf das Urteil fordern nun zahlreiche Kassen und private Versicherer die in der Vergangenheit geleisteten Umsatzsteueranteile von den Kliniken zurück. Nicht wenige Einrichtungen sehen sich mit Rückforderungen in sechs- bis siebenstelliger Höhe konfrontiert, über die derzeit bundesweit vor den Sozialgerichten gestritten wird.
Das Urteil hat allerdings keine unmittelbare über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bindungswirkung. Weder die Finanzverwaltung, noch die Gerichte sind an die vom BFH aufgestellten Grundsätze gebunden. Dies ändert sich erst dann, wenn ein Urteil oder Beschluss des BFH im Bundessteuerblatt, Teil II, veröffentlicht wird. Hierdurch weist der Bundesfinanzminister die Finanzverwaltungen an, die Entscheidung in vergleichbaren Fällen zu berücksichtigen.
Mehr als zwei Jahre nach dem Urteil des BFH hat das Bundesfinanzministerium im vergangenen September ein Schreiben mit konkreten Hinweisen dazu veröffentlicht, wie die Entscheidung umgesetzt werden soll. Demnach sind folgende Aspekte zwischenzeitlich geklärt:
Vor diesem Hintergrund konzentriert sich die rechtliche Auseinandersetzung in den laufenden Gerichtsverfahren derzeit vor allem auf die vertrags- und sozialrechtlichen Konsequenzen. Im Mittelpunkt der Debatte steht dabei die Frage, ob die Krankenhäuser verpflichtet sind, von dem ihnen eingeräumten Wahlrecht im Interesse der Krankenkassen zugunsten der Umsatzsteuerfreiheit Gebrauch zu machen. Aus Sicht der Kassen müssen die Krankenhäuser aufgrund vertraglicher Nebenpflichten genau dies tun, andernfalls drohten Schadenersatzansprüche.
Wirtschaftlichkeit in Gefahr
Die Krankenhäuser hingegen sehen bei einer rückwirkenden Wahl für die Umsatzsteuerfreiheit die Wirtschaftlichkeit der erbrachten Leistungen in Gefahr. Denn dann entfiele – soweit verfahrensrechtlich zulässig – für die Krankenhäuser die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug. Eben diese Möglichkeit war aber Teil der Kalkulationsgrundlage für die in den Arzneilieferungsverträgen mit den Krankenkassen vereinbarten Abgabepreise.
Dennoch ist die überwiegende Zahl der Krankenkassen bislang nicht bereit, die per Klage erhobenen Rückzahlungsansprüche zu beschränken und lediglich die Differenz zurückzufordern, die sich bei Erstattung der Umsatzsteuer abzüglich des auf die Vorsteuer entfallenden Betrages ergeben würde. Einige Sozialgerichte haben daher jüngst entschieden, dass für die Krankenhäuser die rückwirkende Ausübung ihres Wahlrechts zugunsten der Umsatzsteuerbefreiung allein im Interesse der Krankenkassen nicht zumutbar ist (vergleiche etwa Sozialgericht (SG) Nürnberg (Az. S 7 KR 601/14), SG Stuttgart (Az. S 22 KR 7113/12), SG Karlsruhe (Az. S 14 KR 4266/14 und S 14 KR 4267/14)).
Gegen das Urteil des SG Nürnberg wurde Berufung eingelegt, das Verfahren wird derzeit vor dem Landessozialgericht Bayern geführt. /
Dr. Vanessa Christin Vollmar ist Fachanwältin für Medizinrecht bei der Kanzlei Busse & Miessen in Bonn.