Pharmazeutische Zeitung online
Interview

Apotheker als Präventionsmanager

01.04.2015  09:20 Uhr

Von Christina Hohmann-Jeddi / Ein apothekenbasiertes Diabetes-Präventionsprogramm hat das WIPIG – Wissenschaftliches Institut für Prävention im Gesundheitswesen mitentwickelt und in einer Studie evaluiert. Über die Ergebnisse der Untersuchung und die Rolle der Apotheker in der Prävention sprach die Pharmazeutische Zeitung mit Thomas Benkert, Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer, und Cynthia Milz, Sprecherin des Institutsdirektoriums des WIPIG.

PZ: Die aktuell im Journal »Diabetes Care« veröffentlichte Studie untersuchte erstmals die Umsetzbarkeit eines Diabetes-Präventionsprogramms in Apotheken. Wie bewerten Sie die Ergebnisse?

 

Benkert: Die Arbeit des WIPIG war in zweierlei Hinsicht innovativ. Einerseits wurde mit GLICEMIA erstmals ein Diabetes-Präventionsprogramm für Apotheken entwickelt und andererseits auch die Umsetzbarkeit und Effektivität mit über 1000 Teilnehmern analysiert. Ich freue mich sehr, dass das Präventionsprogramm erfolgreich etabliert werden konnte. Die Ergebnisse haben belegt, dass sowohl ein von den Teilnehmern subjektiv empfundener als auch objektiv messbarer Nutzen vorhanden ist. Die immens wichtige Rolle der Apotheker als Präventionsmanager wird damit nachhaltig festgeschrieben!

 

PZ: Wie war die Resonanz der Patienten auf dieses Angebot in Apotheken?

 

Milz: Die Apotheken konnten über 1000 Teilnehmer für das Programm gewinnen. Von diesen schlossen 977 die Studie nach einem Jahr ab. Das zeigt, dass wir die Bevölkerung mit einem apothekenbasierten Präventionsprogramm sehr gut erreichen können. Außerdem führte die Präventionsbetreuung in der Interventionsgruppe zu einer signifikanten Reduktion des 10-Jahres-Diabetes-Risikos gemäß FINDRISK-Score. Die Patienten verbesserten sich vor allem bei den Risikofaktoren Übergewicht und Bewegungsmangel. Die Teilnehmer beider Gruppen waren mit der Betreuung durch die Apotheken zufrieden. Insbesondere das wohnortnahe Angebot und die fundierte Beantwortung von Fragen – auch außerhalb der Programmstunden, während des normalen Apothekenbetriebs – wurde von den Teilnehmern sehr geschätzt.

 

PZ: Bislang wurde GLICEMIA regional begrenzt angeboten. Soll es nun in weiteren Regionen eingesetzt werden?

 

Milz: Bereits 2014 haben wir begonnen, das Netzwerk Diabetesprävention aufzubauen. Durch die Unterstützung der Förderinitiative Prävention kann das evaluierte und optimierte Konzept nun mit allen komplett ausgearbeiteten Materialien von allen Apotheken in Deutschland eingesetzt werden.

 

PZ: Welche Vorteile haben Präventionsprogramme in Apotheken?

 

Benkert: Kein Heilberuf kann so niedrigschwellige und alltagsnahe Beratungsangebote für die Bevölkerung machen wie der Apotheker. Stehen diesem auf wissenschaftlicher Basis fundierte niedrigschwellige Programme zur Verfügung, kann er damit ganz wesentlich zur Volksgesundheit beitragen. Ganz den Zielen unseres Präventions-Institutes entsprechend können wir zudem Netzwerke aktiver Partner im Gesundheitswesen zur Intensivierung der Zusammenarbeit aufbauen. Damit können wir zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit, der Gesellschaft und der politischen Entscheidungsträger für das Zukunftsthema Prävention beitragen.

 

PZ: Bislang sind die Apotheker im Entwurf für das Präventionsgesetz als Ansprechpartner nicht vorgesehen. Wird dies der Rolle der Apotheker in der Prävention Ihrer Meinung nach gerecht?

 

Benkert: Wir haben gerade die Vorteile thematisiert. Und dennoch erhalten die Apotheker keine Vergütung von der GKV für ihr Engagement in Sachen Prävention, und auch dem Gesetzgeber ist noch immer nicht klar, welch ungemeines Potenzial hier verschenkt wird. Es ist ein Skandal, dass trotz immenser Bemühungen einfach über unsere Berufsgruppe hinweggegangen wird. Wir hoffen weiterhin, zwischen der nun erfolgten ersten Lesung im Bundestag und der endgültigen Verabschiedung des Gesetzes im Sommer doch noch Gehör zu finden. / 

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