Sonnenschutz, aber richtig |
05.04.2011 16:22 Uhr |
Von Annette Mende / Sonnenanbeter aufgepasst: Topisch angewendetes Ketoprofen, aber auch bestimmte Sonnenschutzmittel können schwere photoallergische Reaktionen auslösen. Ein Beschluss der Europäischen Kommission sieht deshalb vor, Ketoprofen-haltige Externa unter die Verschreibungspflicht zu stellen.
Als nicht steroidales Antirheumatikum (NSAR) wirkt Ketoprofen analgetisch, antipyretisch und antiphlogisitsch, indem es Cyclooxygenasen hemmt. Ketoprofen- haltige Tabletten, Kapseln und Injektionslösung unterstehen in Deutschland der Verschreibungspflicht, Gele mit einem Ketoprofen-Gehalt von bis zu 2,5 Prozent sind apothekenpflichtig (zum Beispiel Advel®, Dolormin®, Effekton® und Phardol®). Sie sind zugelassen zur äußerlichen Behandlung bei schmerzhaften Schwellungen und Entzündungen der gelenknahen Weichteile sowie Sport- und Unfallverletzungen, zum Beispiel Prellungen, Verstauchungen und Zerrungen.
Nach Anwendung von Ketoprofen-haltigen Schmerzgelen muss man sich das Sonnenbad verkneifen.
Foto: Fotolia/Almgren
Über photoallergische Reaktionen nach topischer Anwendung von Ketoprofen wurde erstmals 1985 aus Italien berichtet, schreibt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im aktuellen »Bulletin zur Arzneimittelsicherheit«. Seither habe es zahlreiche weitere Meldungen gegeben. Im August 2010 hatten die Hersteller Ketoprofen-haltiger Schmerzgele daher in einem Rote-Hand-Brief vor Photosensibilitäts-Reaktionen als seltener Nebenwirkung gewarnt (siehe dazu Ketoprofen: Rote-Hand-Brief wegen Photosensibilität, PZ 32/2010). Darin verwiesen sie unter anderem auf Vorsichtsmaßnahmen, um solchen Reaktionen vorzubeugen. So sollen sich Patienten nach Auftragen des Gels gründlich die Hände waschen und die behandelten Hautstellen vor Sonnenlicht schützen. Der Sonnenschutz ist auch unter dünner Kleidung und bei diesigem Wetter erforderlich und soll nach Therapieende noch zwei Wochen lang fortgesetzt werden.
Photoallergien sind Immunreaktionen vom verzögerten Typ. Auf den Hautarealen, die nach Kontakt mit dem Allergen UV-A-Bestrahlung ausgesetzt werden, kommt es zu unscharf begrenzten Erythemen, Schuppung und Bläschenbildung, häufig begleitet von starkem Juckreiz. Bei den beschriebenen photoallergischen Reaktionen auf Ketoprofen-haltige Externa traten die Symptome zumeist innerhalb von ein bis zwei Wochen nach Start der Therapie auf. Oft fanden sich auch Streureaktionen in nicht behandelten Hautbereichen. Einige Patienten reagierten so heftig, dass sie stationär behandelt werden mussten. Teilweise hielt die Photosensitivität ein Jahr oder länger an. In Einzelfällen kam es auch nach oraler Aufnahme von Ketoprofen oder Dexketoprofen zu photoallergischen Reaktionen. Bei anderen NSAR wie Diclofenac oder Piroxicam wurden nach topischer Anwendung vereinzelt auch photoallergische Reaktionen beobachtet, Ketoprofen scheint jedoch überproportional häufig betroffen zu sein.
Übeltäter Benzophenongruppe
Man vermutet, dass die photoallergischen Reaktionen auf Ketoprofen von der Benzophenongruppe ausgelöst werden. Folgerichtig wurden bei einem Teil der Patienten Kreuzreaktionen auf Substanzen beobachtet, die entweder auch eine Benzophenon- oder eine strukturell sehr ähnliche Gruppe tragen. Beispiele sind der Lipidsenker Fenofibrat, die NSAR Flurbiprofen und Tiaprofensäure sowie der UV-Filter Oxybenzon. Bei einigen Patienten kam es auch zu photoallergischen Reaktionen auf den UV-Filter Octocrilen, dessen chemische Struktur wenig Ähnlichkeit mit der des Ketoprofens hat. Hierbei handelt es sich wahrscheinlich nicht um eine echte Kreuzreaktion, sondern um eine unabhängige Co-Sensibilisierung. Da Octocrilen und Oxybenzon häufig gemeinsam in Sonnenschutzprodukten verwendet werden, könnte die beobachtete Allergie allerdings auch auf das echte Kreuzallergen Oxybenzon zurückzuführen sein. Bei bekannter Überempfindlichkeit gegen Ketoprofen müssen daher Sonnenschutzmittel mit diesen Inhaltsstoffen ebenfalls gemieden werden.
Ende 2009 fiel eine Nutzen-Risiko-Analyse der französischen Arzneimittelbehörde Afssaps aufgrund des photoallergischen Potenzials von Ketoprofen und des neu beobachteten Risikos einer Co-Sensibilisierung gegen Octocrilen zuungunsten von Ketoprofen-haltigen Externa aus. Die Afssaps setzte daher die Genehmigung für das Inverkehrbringen dieser Präparate in Frankreich aus. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA beurteilte die Datenlage dagegen anders: Sie sah das Nutzen-Risiko-Verhältnis nach wie vor als günstig an und empfahl eine Aufrechterhaltung bestehender Zulassungen. Im November 2010 folgte die Europäische Kommission dieser Empfehlung.
Bestandteil des Kommissionsbeschlusses sind aber auch einige Maßnahmen zur Risikominimierung, die die Staaten nun auf nationaler Ebene umsetzen müssen. So müssen die Fachinformationen von Ketoprofen-haltigen Externa um neue Gegenanzeigen, Warnhinweise und Nebenwirkungen ergänzt werden. Auf der äußeren Verpackung müssen ein Piktogramm und ein zusätzlicher Text auf die Notwendigkeit des Sonnenschutzes hinweisen. Außerdem sollen alle topischen Ketoprofen-Präparate verschreibungspflichtig werden. Wie die PZ vom BfArM erfuhr, wird der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht Anfang Juli 2011 dazu eine Stellungnahme abgeben. /