Gallenfarbstoff als Krankheitsmarker |
08.04.2008 17:38 Uhr |
Gallenfarbstoff als Krankheitsmarker
Von Christina Hohmann
Der Gallenfarbstoff Bilirubin hat keine Funktion im Körper, er ist nur ein Abbauprodukt. Doch eine Erhöhung des Bilirubinwertes im Blut kann Auskunft über verschiedene Erkrankungen geben.
Etwa fünf Milliarden Erythrozyten bewegen sich durch den menschlichen Körper und transportieren Sauerstoff in alle Gewebe. Diese Armee von roten Blutkörperchen hat nur eine begrenzte Lebensdauer. Ein Erythrozyt lebt im Schnitt 120 Tage und wird dann in der Milz abgebaut. Dabei fällt der Blutfarbstoff Hämoglobin, genauer gesagt der für die Sauerstoffbindung verantwortliche Häm-Anteil, als unverwertbarer Rest an. Er wird über die Zwischenstufe Biliverdin zu Bilirubin abgebaut. Täglich entstehen etwa 300 mg des gelben Gallenfarbstoffs, wovon 80 Prozent aus dem Abbau von Hämoglobin und der Rest aus anderen Hämproteinen wie Cytochrom oder Myoglobin stammt.
Bilirubin ist wasserunlöslich. Im Blut wird es daher gebunden an das Protein Albumin bis zur Leber transportiert, wo es in die Zellen aufgenommen und verstoffwechselt wird. Der größte Teil wird mit Glucuronsäure konjugiert und in dieser wasserlöslichen Form mit der Galle in den Darm sezerniert. Im Dickdarm entstehen aus Bilirubin schrittweise die Stoffe Urobilinogen und Sterkobilinogen. Letzteres wird im Darm in Sterkobilin umgewandelt, das für die braune Farbe des Kots verantwortlich ist. Bilirubin und seine Metaboliten werden zu etwa 15 bis 20 Prozent im Darm wieder resorbiert und gelangen über das Blutsystem zurück zur Leber, was als enterohepatischer Kreislauf bezeichnet wird. Ein kleiner Teil des Bilirubins wird über die Niere ausgeschieden. Urobilinogen wird dort zu Urobilin reduziert und in den Harn abgegeben, der dadurch seine gelbe Farbe erhält.
Bei der Bestimmung des Bilirubinwertes aus dem Blutserum sind verschiedene Fraktionen zu unterscheiden. Als indirektes Bilirubin bezeichnen Mediziner die unkonjugierte, wasserunlösliche, an Albumin gebundene Form. Entsprechend heißt die konjugierte, wasserlösliche Form direktes Bilirubin. Als Delta-Bilirubin wird der wasserlösliche, an Albumin kovalent gebundene Gallenfarbstoff bezeichnet. Ermittelt wird der Gesamtgehalt des Bilirubins im Serum, der alle Fraktionen umfasst. Er liegt normalerweise unter 21 µmol/l. Zusätzlich wird das direkte Bilirubin separat bestimmt. Das indirekte Bilirubin kann dann als Differenz zwischen dem Gesamtgehalt und dem direkten Bilirubin errechnet werden.
Bei erhöhten Werten des Gesamtbilirubins (Hyperbilirubinämie) kann sich der Farbstoff in der Lederhaut des Auges und in der Haut einlagern, was als Gelbsucht oder Ikterus bezeichnet wird. Eine erkennbare Gelbsucht tritt bei Erwachsenen auf, wenn der Bilirubinspiegel mehr als 2,5 mg/dl beträgt. Bei Neugeborenen ist dies erst bei Werten über 4 mg/dl der Fall.
Erhöhte Bilirubinspiegel können verschiedene Ursachen haben. So kann das Problem in der Leber liegen. Dies ist zum Beispiel bei einer Störung des Bilirubinstoffwechsels der Fall. Bei der autosomal-dominant vererbten Krankheit Morbus Meulengracht ist die Aufnahme des unkonjugierten Bilirubins in die Leberzellen gestört; beim autosomal-rezessiv vererbten Criggler-Najjar-Syndrom ist die Glucuronidierung zu gering. Bei beiden Erkrankungen ist der Anteil des indirekten Bilirubins erhöht. Das direkte Bilirubin ist dagegen bei den beiden erblichen Stoffwechselstörungen Dubin-Johnson-Syndrom und Rotor-Syndrom erhöht.
Eine Hyperbilirubinämie kann auch auf Beeinträchtigungen der Leberfunktion etwa eine Hepatitis, Leberzirrhose, Fettleber oder Cholestase (Gallenstauung) zurückgehen. Bei Leberschäden sind auch die Werte der anderen Leberenzyme (siehe dazu Leberwerte: Aussagekräftige Enzyme, PZ 12/08) erhöht. Bei einem verstärkten Abbau von Erythrozyten (Hämolyse), zum Beispiel bei Stoffwechselerkrankungen, als Nebenwirkung von Medikamenten oder bei großen Blutergüssen, kann es ebenfalls zu einer Gelbsucht kommen.
Gelbsucht bei Neugeborenen
Bei Neugeborenen ist ein erhöhter Bilirubinspiegel normal, denn der Bilirubinstoffwechsel weist im Vergleich zu Erwachsenen einige Besonderheiten auf. So haben Neugeborene eine höhere Erythrozytenkonzentration. Außerdem leben die roten Blutkörperchen nur 70 statt 120 Tage. Zusätzlich ist die Leber des Kindes noch unreif. Die Glucuronyltransferase, die Bilirubin in den Hepatozyten glucuronidiert, ist noch nicht in vollem Ausmaß aktiv, weshalb das anfallende Bilirubin nicht ausgeschieden werden kann.
Ein Anstieg des Bilirubinwertes in den ersten Lebenstagen ist somit normal. Etwa 60 Prozent der Säuglinge zeigen eine Neugeborenengelbsucht (Icterus neonatorum), die am fünften Tag ihren Höhepunkt erreicht und dann wieder nachlässt. Normalerweise verläuft sie harmlos. Wenn aber Risikofaktoren wie Blutergüsse, angeborene Stoffwechselerkrankungen oder eine Blutgruppenunverträglichkeit zwischen Mutter und Kind vorliegen, kann der Bilirubinwert so stark ansteigen, dass der Farbstoff die Blut-Hirn-Schranke überwindet. Im Gehirn lagert er sich in die Basalganglien ein und kann sie dauerhaft schädigen (Kern-Ikterus).
Ab einer Bilirubinkonzentration von mehr als 15 mg/dl bei Termingeborenen und ab 10 mg/dl bei Frühgeborenen wird meist eine Fototherapie eingeleitet. Die Kinder sind in einem speziellen Brutkasten blauem Licht der Wellenlänge 425 bis 475 nm ausgesetzt. Dadurch wird das in der Haut eingelagerte Bilirubin in wasserlösliche Formen umgewandelt, die ohne Glucuronidierung in der Leber mit dem Kot oder Urin ausgeschieden werden können.