Gründe für die Stimmabgabe |
25.03.2015 09:45 Uhr |
Von Elke Wolf / Seine Stimme kann man nicht nur an der Wahlurne abgeben. Bei 6 bis 10 Prozent der Bevölkerung ist die Stimme krankheitsbedingt beeinträchtigt. Dabei sind die Ursachen längst nicht immer so banal wie eine Überbeanspruchung, auch ernsthafte Erkrankungen können hinter einer Heiserkeit stecken.
Bei einer Stimmstörung, die Fachleute auch als Dysphonie bezeichnen, klingt die Stimme nicht mehr voll und klar, sondern kratzend und rau, dünn und flach oder piepsig. Mitunter versagt sie ganz. Grund für die Heiserkeit ist eine Störung im fein austarierten Zusammenspiel zwischen Atmung, Stimmlippen, Nerven und Muskeln im Kehlkopf.
Wenn die Stimme versagt, kann dies verschiedene Ursachen haben. Die häufigsten sind Überanstrengung und Infektionen. Wenn Schmerzen und Atemnot als Symptome hinzukommen, sollte ein Arzt aufgesucht werden.
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Töne entstehen durch Schwingungen der Stimmbänder und -lippen, die waagrecht im oberen Teil der Luftröhre, im Kehlkopf, sitzen. Normalerweise sind diese mit Schleimhaut überzogenen Bänder beim Atmen entspannt, und durch die Stimmritze kann die Luft ungehindert ein- und ausströmen. Beim Sprechen werden die Stimmlippen angespannt, die Stimmritze ist dann bis auf einen feinen Spalt verengt. Wenn Luft aus der Lunge kommt, werden die Stimmbänder in Schwingung versetzt, die Luft vibriert zwischen Kehlkopf und Mundhöhle, wodurch der Ton erzeugt wird. Die Tonhöhe verändert sich, abhängig davon, wie angespannt und damit lang (höhere Töne) oder entspannt und kurz (tiefere Töne) die Stimmlippen sind. Alles in allem sind etwa 50 Muskeln und Sehnen an der Tonproduktion beteiligt, ein komplizierter Vorgang also und deshalb recht störanfällig.
Wann zum Arzt?
Hält eine Heiserkeit länger als zwei bis drei Wochen an oder tritt sie aus vermeintlich unerfindlichen Gründen immer wieder auf, sollten Betroffene den Hals-Nasen-Ohren-Arzt oder einen Facharzt für Phoniatrie (HNO-Arzt mit Spezialisierung auf Hör-, Stimm- und Sprachstörungen) aufsuchen. Dieser ist sofort um Rat zu fragen, wenn die Stimmstörung mit Schmerzen, Atemnot und Schluckbeschwerden einhergeht.
Zu den häufigsten Ursachen von Heiserkeit gehören funktionelle Störungen ohne anatomische Veränderungen der Stimmlippen sowie organische Störungen. Auch allergische Reaktionen oder der Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre (auch durch eine Bulimie bedingt) können die Auslöser sein, genauso wie neurologische Erkrankungen (Morbus Parkinson), Multiple Sklerose oder ein Schlaganfall. Ursächlich sind dann Schädigungen in mitbeteiligten Nervenbahnen im Gehirn, die für Muskelbewegungen im Kehlkopf zuständig sind. Daneben können psychische Faktoren wie Unsicherheit, Nervosität oder Angst die Stimme versagen lassen. Doch insgesamt gesehen ist eine psychisch bedingte Heiserkeit eher selten. Auch nicht zu vergessen: Regelmäßig einzunehmende Arzneimittel können die Übeltäter sein. Besonders Glucocorticoide, die beispielsweise Asthmatiker und COPD-Patienten inhalieren müssen, können sich im Kehlkopfbereich ablagern und die Stimme verschlagen. Die Stimmlippen werden geschont, wenn die Betroffenen nach der Anwendung den Mund ausspülen oder die Zähne putzen.
Funktionelle Gründe
Manche Menschen – etwa 20 bis 30 Prozent der Berufstätigen sollen es etwa sein – muten ihrer Stimme von Berufs wegen viel zu: So erkranken Sänger, Lehrer, Schauspieler oder Mitarbeiter von Callcentern überdurchschnittlich oft an Kehlkopfentzündungen, weil sie ihre Stimme überlasten oder sie falsch gebrauchen. Zum Sprechen wenden sie zu viel Kraft auf, die Stimmlippen schlagen dann heftig aufeinander. Durch den starken Reiz röten sie sich, schwellen an und können nicht mehr gut schwingen. Im weiteren Krankheitsverlauf können sich sogenannte Schrei- oder Sängerknötchen entwickeln, und zwar an den Stellen der Stimmbänder, an denen die stärkste Belastung auf die Oberfläche einwirkt, ähnlich einer Schwiele an den Händen, wenn man zu hart gearbeitet hat. Diese Schwiele an den Stimmlippen verursacht die Heiserkeit. Dann wäre die funktionelle Stimmstörung zu einer organisch bedingten geworden.
Die wichtigste Maßnahme bei Heiserkeit ist die Befeuchtung der betroffenen Region und vor allem die Schonung der Stimme. Flüstern sollten die Betroffenen dabei möglichst nicht. »Flüstern ist eine unnatürliche Art, die Stimme zu gebrauchen. Denn dabei werden die Stimmlippen so angespannt, dass sie vorne geschlossen und hinten offen sind. Wer das über längere Zeit praktiziert, hat hinterher Schwierigkeiten, wieder normal zu sprechen, denn es behindert die Stimmbänder in ihrer Funktion«, informiert der Berufsverband der HNO-Ärzte. Grundsätzlich sollten sich Vielredner und Sänger eine gute Stimm- und Atemtechnik aneignen.
Entzündliche Veränderungen
Eine akute Entzündung des Kehlkopfes (Laryngitis), zumeist durch virale Infektionen der oberen Atemwege ausgelöst, ist die häufigste Ursache für Heiserkeit. Die Kehlkopfschleimhaut ist entzündet, die Stimmlippen sind gerötet und schwellen an.
Anhaltende Heiserkeit kann auch ein Anzeichen für einen Kehlkopftumor sein.
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Die natürliche Schwingung ist beeinträchtigt. Die Erkrankten sind dann nicht nur heiser, sondern klagen gleichzeitig über Halsschmerzen, Schnupfen oder Husten. Achtung bei Kleinkindern: Entzündet sich bei ihnen im Verlauf des viralen Infektes der Kehlkopf, kann sich ein Pseudokrupp entwickeln. Dabei schwillt die Schleimhaut direkt unter den Stimmbändern an, Folgen sind der typisch bellend-pfeifende Husten.
Rührt die Heiserkeit von einem grippalen Infekt her, eignen sich für die Selbstmedikation Präparate mit Schleimdrogen wie Isländisch Moos, Eibisch oder Primelwurzel. In Form von Lutschtabletten oder Bronchialpastillen regen sie den Speichelfluss an, befeuchten die Schleimhäute und wirken mucilaginös. Das versprechen auch Halstabletten mit Hyaluronsäure, die über die Bildung eines Hydrogel-Komplexes wirken. Abschwellend auf Schleimhaut und Stimmbänder wirken salzhaltige Präparate zum Lutschen, Gurgeln oder Inhalieren. Die lokale Entzündung können Inhalationen in Form von Dampfbädern mit Salbei- oder Kamilleextrakten lindern.
Rauch schädigt langfristig
Schädigende Auswirkungen auf den Stimmapparat hat auch Tabakrauch. Das sogenannte Reinke-Ödem betrifft meist Frauen über 40 Jahre und solche mit Reflux. Ihre Stimme klingt rau, tief und männlich. Grund ist eine chronische Entzündung und Schwellung unterhalb der Stimmlippenschleimhaut, die auf die ständige Einwirkung des Nicotinkonsums zurückgeht. Dort bildet sich ein ödematöses Transsudat, das später gallertartig wird. Das Epithel wird dünn und brüchig. Falls eine erfolgreiche Raucherentwöhnung und Stimmtherapie die Stimmlage nicht verbessern, kann nach genauer Diagnose und Prüfung durch den Phoniater gegebenenfalls ein phonochirurgischer Eingriff am Kehlkopf helfen.
Rauchen und reichlich Alkoholkonsum sind auch die Hauptrisikofaktoren für Tumoren im Kehlkopfbereich. Das Larynxkarzinom macht mit knapp 30 Prozent den größten Anteil aller Kopf-Hals-Tumore aus, wobei etwa zwei Drittel der Kehlkopftumore die Stimmlippen befallen. Anhaltende und mit der Zeit stärker werdende Heiserkeit ist eines der wichtigsten Anfangssymptome, nicht nur bei bösartigen, sondern auch gutartigen Gewebewucherungen wie bei benignen Tumoren, Polypen und Zysten. Die geeignete Behandlung wird der HNO-Arzt einleiten. Je nach Diagnose werden größere operative Eingriffe notwendig sein. Geschädigte Stimmbänder können manchmal durch aufbauende plastische Operationen teilweise wieder funktionstüchtig werden. Ein spezielles Stimmtraining hilft Krebspatienten auch nach einer eventuell notwendigen Kehlkopfentfernung, sich über die Speiseröhre zu artikulieren. Sie dient dann zur Ersatzstimmbildung. /
Manchmal sind es nur entwicklungsbedingte Veränderungen des Organismus, die die Stimme in Mitleidenschaft ziehen. Bekanntestes Beispiel dafür ist der Stimmbruch heranwachsender junger Männer. Die Knorpel des Kehlkopfs wachsen in Dicke und Festigkeit oft schnell, und die Stimmbildung kommt mit der Länge der Stimmbänder nicht entsprechend hinterher. Dabei kippt die Stimme zwischen hohen kindlichen und tieferen erwachsenen Tönen, manchmal überschlägt sie sich fast. Nach einer gewissen Zeit pendelt sich der Erwachsenenton ein. In einigen Fällen kann die Stimmentwicklung ungewöhnlich lange andauern oder wird nicht vollständig abgeschlossen. Dann bleibt eine Fistelstimme. Ein gezieltes Stimmtraining kann die Stimmlage meist positiv beeinflussen.
Auch das Alter geht mitunter nicht spurlos an der Stimme vorüber. Mit den Jahren kann sie brüchig und schwächer werden, weil Muskelfasern im Kehlkopf an Elastizität verlieren und die Schwingungsfähigkeit der Stimmlippen abnimmt. Das ist umso mehr der Fall, wenn die Stimme nicht in Übung bleibt. Singen beugt dem vor. Hinzu kommen altersbedingt eine Reihe von Veränderungen an den Nerven und Blutgefäßen sowie Krankheiten, die Einfluss auch auf die Stimmbildung haben. So können rheumatische Erkrankungen Entzündungen mit Verdickungen an den Stimmlippen hervorrufen.